Air Liquide : Rund 100 Milliarden Euro Bewertung dank Wasserstoff

air liquide : rund 100 milliarden euro bewertung dank wasserstoff

Air Liquide, Projekt NormandAPOSTROPHEHy data-portal-copyright=

Air Liquide baut in der Normandie den größten Elektrolyseur der Welt. Auch in den USA nimmt das französische Unternehmen eine zentrale Rolle beim Aufbau der Wasserstoff-Infrastruktur ein.

Air Liquide zählt zu den stillen Gewinnern der Energiewende: Der Spezialist für Industriegase hat sich ohne große Schlagzeilen im Kreis der wertvollsten Konzerne Europas etabliert. Beim Zukunftsgeschäft mit grünem Wasserstoff konkurriert das französische Unternehmen mit dem deutschen Branchenriesen Linde um die globale Führungsposition.

Und die Chancen für Air Liquide stehen in diesem Duell nicht schlecht: Das Unternehmen baut in der Normandie die nach eigenen Angaben größte Produktionsanlage der Welt für das CO2-neutrale Gas. In den USA hat die Regierung von Präsident Joe Biden die Franzosen als Partner bei sechs der sieben „Hydrogen Hubs“ ausgewählt, die die geplante amerikanische Wasserstoffinfrastruktur ausmachen werden.

Diese Pläne kommen an den Finanzmärkten gut an: Im März erreichte Air Liquide einen Börsenwert von 100 Milliarden Euro und bewegt sich seither rund um diese symbolische Marke. Nur etwa 25 Unternehmen in Europa sind an der Börse so viel wert. Die Finanzmarktanalysten von Morningstar schreiben, die französische Firma sei prädestiniert dafür, „einer der Hauptprofiteure der wachsenden Investitionen in CO2-armen und CO2-freien Wasserstoff“ zu werden.

Air Liquide will bis 2035 mit Wasserstoff sechs Milliarden Euro umsetzen

Der Strategieplan von Air Liquide sieht vor, den Umsatz mit Wasserstoff bis 2035 auf sechs Milliarden Euro zu verdreifachen. Dafür sollen acht Milliarden Euro in die Wertschöpfungskette rund um das Gas investiert werden. Bis Ende des Jahrzehnts will der Konzern Elektrolyse-Kapazitäten von drei Gigawatt schaffen – unter anderem durch das Großprojekt „Normand’Hy“.

Unter diesem Titel, der den Namen der Region in Nordfrankreich und das französische Wort für Wasserstoff kombiniert, entsteht unweit der Seine-Mündung in den Ärmelkanal bei Le Havre ein Elektrolyseur-Projekt mit einer Gesamtkapazität von 200 Megawatt. In einem Elektrolyseur wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

Laut Air Liquide ist das die größte Anlage dieser Art. Der mit Strom aus erneuerbaren Energien und aus Atomkraft hergestellte Wasserstoff soll ab der zweiten Jahreshälfte 2026 vor allem eine nahe gelegene Raffinerie von Total Energies versorgen.

Der Konzern investiert dafür mehr als 400 Millionen Euro, der französische Staat und die Europäische Union subventionieren das Vorhaben mit knapp 200 Millionen Euro. Der technologische Kern der Anlage wird in Berlin gefertigt: Air Liquide und Siemens Energy haben hier gemeinsam ein Werk für die industrielle Serienproduktion von Elektrolyseuren errichtet. Bei der Einweihung im vergangenen November schaute auch Bundeskanzler Olaf Scholz vorbei.

Siemens Energy und Air Liquide kooperieren zudem bei einem Wasserstoffstandort in Oberhausen. Der grüne Wasserstoff aus dem 20-Megawatt-Elektrolyseur soll in das 240 Kilometer lange Pipelinenetz von Air Liquide eingespeist werden, mit dem die Firma ihre Abnehmer an Rhein und Ruhr beliefert. Das französische Unternehmen ist bereits seit den 1960er-Jahren in Deutschland präsent und hat hierzulande nach eigenen Angaben rund 100.000 kleine und große Kunden.

Schwerindustrie will mithilfe von Air Liquide klimaschonender produzieren

Air Liquide ging in den vergangenen Jahren auch Partnerschaften mit Unternehmen aus der Schwerindustrie ein, die mit Wasserstoff klimaschonender produzieren wollen. In Dünkirchen am Ärmelkanal will der Konzern beispielsweise grüne Energie für ein neues Stahlwerk von Arcelor Mittal liefern. Und der Standort des Baustoffherstellers Eqiom im nordfranzösischen Lumbres soll mithilfe von Air Liquide zum ersten kohlenstoffneutralen Zementwerk in Europa werden.

Als Air-Liquide-Chef François Jackow Ende März in der herrschaftlichen Konzernzentrale in Paris das Wort ergreift, stehen im hinteren Teil des Saals bereits die Champagnergläser bereit. Der Anlass für den feierlichen Empfang ist dieses Mal allerdings kein internationales Großprojekt, sondern eine unscheinbare Wasserstofftankstelle in der Nähe des Eiffelturms, der Air Liquide für die Olympischen Spiele einen neuen Anstrich verpasst hat.

Doch für Jackow geht es um mehr: „Diese Tankstelle ist ein Symbol für unsere Ambitionen“, sagt er. Air Liquide habe die ersten Wasserstoff-Zapfsäulen in der französischen Hauptstadt 2015 anlässlich der Pariser Weltklimakonferenz aufgestellt. Damals sei Wasserstoff noch ein in der breiten Öffentlichkeit kaum bekanntes Industriegas gewesen.

„Heute hat dieses Molekül Priorität bei den Dekarbonisierungsplänen“, so Jackow. Grüner Wasserstoff sei nicht nur für die Energiewende in der Industrie von großer Bedeutung, sondern zunehmend auch als eine klimaschonende Alternative im Verkehrssektor.

Als offizieller Partner der Olympischen Spiele will Air Liquide diesen Sommer für das farblose Gas werben. Athleten und Funktionäre sollen in wasserstoffbetriebenen Limousinen herumgefahren werden. Nach den Spielen sollen diese 500 Fahrzeuge dann dauerhaft als Taxis in Paris unterwegs sein.

Wasserstoff: Echtes Potenzial vor allem für Nutzfahrzeuge

Jackow sagt: Das sportliche Großereignis könne einen „Impuls“ für den „großflächigen“ Einsatz von Wasserstoff im Straßenverkehr liefern. Echtes Potenzial sieht Air Liquide allerdings nur für Nutzfahrzeuge, Busse oder eben Taxiflotten. So plant Air Liquide beispielsweise, zusammen mit Total Energies ein Netz von Wasserstofftankstellen für Lastwagen entlang der europäischen Hauptverkehrsachsen aufzubauen.

Armelle Levieux, die sich im Vorstand von Air Liquide um das Wasserstoffgeschäft kümmert, sagt: „Im Alltagsverkehr der Menschen sind dagegen Elektroautos die bessere und effizientere Lösung.“ Die Herausforderung der nächsten Jahre sei, ausreichend grünen Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen zu produzieren.

Die Gase von Air Liquide werden in einer Reihe von Branchen eingesetzt. Das Sortiment reicht von Spezialgasen für die Fertigung von Computerchips bis zu medizinischem Sauerstoff für die künstliche Beatmung in Krankenhäusern. Das am Anfang des vergangenen Jahrhunderts gegründete Unternehmen ist in mehr als 70 Ländern aktiv und beschäftigt weltweit fast 70.000 Mitarbeiter.

Im Mittelpunkt der Konzernstrategie mit dem Titel „Advance“ steht die Energiewende. „Wir haben sehr frühzeitig in Wasserstoff investiert, wir haben die industriellen Fähigkeiten, das technologische Portfolio – und wir können nun hochskalieren“, sagte Jackow kürzlich im Interview mit der französischen Zeitung „Les Échos“. Sein Unternehmen sei bei der Technologie „weltweit führend“.

Erstpublikation: 09.04.2024, 15:12 Uhr.

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