Polens außenpolitische Wende: Sikorski rechnet mit Politik seines Vorgängers ab

polens außenpolitische wende: sikorski rechnet mit politik seines vorgängers ab

Polens neuer Außenminister: Radoslaw Sikorski kündigt grundlegende Veränderungen an

Stets im Frühjahr informiert der polnische Außenminister das Parlament über die Ziele seiner Politik für das kommende Jahr. Nach dem Machtwechsel in Warschau Ende vergangenen Jahres wurde die Rede des neuen Außenministers Radosław Sikorski von der liberalkonservativen Bürgerplattform mit Spannung erwartet, zumal sein Haus einschneidende Veränderungen gegenüber der Politik der rechtskonservativen Vorgängerregierung angekündigt hatte.

Sikorski rechnete gleich zu Beginn scharf mit der Außenpolitik der PiS von 2015 bis 2023 ab. Diese sei „leider eine Aneinanderreihung von fehlgeleiteten Ideen und falschen Entscheidungen“ gewesen. Zu den größten Fehlern zählt der Minister den Dauerkonflikt Polens mit der Europäischen Union, die Marginalisierung seines Landes in wichtigen Debatten zu EU und NATO sowie die Verschlechterung der Beziehungen zu Polens Nachbarländern. Die PiS habe die Außenpolitik mit antieuropäischen, antideutschen und antiwestlichen Mythen aufgeladen. „Wir sind dabei, diese Mythen zu dekonstruieren“, sagte Sikorski und versprach, die Fehler zu korrigieren.

Kaum Gemeinsamkeiten mit Visegrád-Partnern

Seiner Rede vor dem Sejm, dem polnischen Parlament, folgten auch Polens Präsident Andrzej Duda, welcher der PiS nahesteht, sowie Regierungschef Donald Tusk. Aus den Reihen der PiS-Fraktion gab es mehrfach Zwischenrufe, sodass Parlamentspräsident Szymon Hołownia eingreifen musste. Sikorski ließ sich nicht beirren, sondern skizzierte Polen als Aktivpartner bei der Umgestaltung der Europäischen Union in „eine realistische und pragmatische Gemeinschaft“. Anders als etwa Deutschland sei Polen nicht überzeugt, dass dafür die EU-Verträge geändert werden müssten, genauso wenig wie eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip nötig sei.

Unabhängig davon aber seien Deutschland und Frankreich Polens wichtigste Partner in der EU, mit denen man künftig wieder konstruktiv im Weimarer Dreieck zusammenarbeiten werde. An Deutschland gewandt sagte Sikorski zudem, dass Polen „von Berlin konstruktive Vorschläge zur Frage der Reparationen für Kriegsverluste aus dem Zweiten Weltkrieg“ erwarte.

Die Zusammenarbeit im Visegrád-Format (Polen, Ungarn, Slowakei, Tschechische Republik) wiederum will Polen künftig eher als Form praktischer Zusammenarbeit etwa in Energie- und Verkehrsfragen verstanden wissen, was auch an geringeren Gemeinsamkeiten mit den Regierungen in Ungarn und der Slowakei liegen dürfte. Den wie erwartet größten Raum der gut anderthalbstündigen Rede nahm der russische Krieg in der Ukraine ein. Dieser sei „ein Vorbote dessen, was auch auf uns zukommen kann“, warnte Sikorski.

„Propagandalüge des Kremls“

Vehement wies er „russische Unterstellungen“ zurück, denen zufolge Polen plane, westukrainische Gebiete zu annektieren. Das sei „eine Propagandalüge des Kremls“, so der Minister. „Die Krim und der Donbass gehören zur Ukraine. Lemberg und Wolhynien gehören ebenfalls zur Ukraine.“ Polen sei bereit, die Ukraine auf dem Weg in die EU zu unterstützen. Zugleich erwarte man aber auch von der Ukraine, mit Blick auf „schmerzhafte Ereignisse der gemeinsamen Vergangenheit“ bei der „Suche nach Wahrheit und Versöhnung“ mitzuarbeiten.

Polen sei bereit, mit einem nichtimperialen Russland zusammenzuarbeiten, das das Recht anderer Nationen auf Selbstbestimmung achte, so der Minister. Bis dahin werde man weiterhin die Opposition in Russland und Belarus unterstützen und russische Desinformation bekämpfen. Polen halte es für essenziell, die Ukraine weiter zu unterstützen, die transatlantische Gemeinschaft zu stärken und weitere Sanktionen gegen Russland und Belarus zu verhängen.

„Nicht wir, der Westen, sollten eine Konfrontation mit Putin fürchten, sondern umgekehrt“, sagte Sikorski und rief zum Zusammenhalt auf. Das bedeute nicht, das Gefühl der Bedrohung Russlands zu verstärken, sondern zu zeigen, dass ein Angriff Russlands auf ein NATO-Mitglied mit einer Niederlage Russlands enden werde. Das militärische und wirtschaftliche Potential Russlands verblasse im Vergleich zu dem des Westens. „Putins einzige Hoffnung ist unsere mangelnde Entschlossenheit.“

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