Wie das Ausland auf Frankfurt blickt

wie das ausland auf frankfurt blickt

Eine Polizeistreife kontrolliert im Frankfurter Bahnhofsviertel Drogensüchtige.

Es ist ausgerechnet ein Brite, der in einem Gespräch mit Journalisten, in dem es eigentlich um ein ganz anderes Thema geht, sagt: „Sie kommen aus Frankfurt? Da war ich neulich. Sie haben da dieses Problem, mit dieser einen Straße.“ Er muss gar nicht weitersprechen. Die Stichworte reichen aus, damit jeder im Raum weiß, wovon der Mann spricht. Er meint die Taunusstraße im Bahnhofsviertel, wie sich bestätigt, in die er geraten sei, als er sich vom Hauptbahnhof zu Fuß auf den Weg zu seinem Hotel gemacht hat. Er sei kein ängstlicher Mensch. Aber „irgendwas“, sagt der Londoner Geschäftsmann, stimme mit dieser Straße nicht. Die Straße steht für ein ganzes Viertel. Und das Viertel mittlerweile für die ganze Stadt. Zumindest, wenn man Frankfurt mit den Augen eines Menschen sieht, der aus dem Ausland auf die hessische Metropole blickt.

wie das ausland auf frankfurt blickt

Der ewige Brennpunkt: Die Zustände im Frankfurter Bahnhofsviertel füllten jüngst auch die Seiten der britischen Boulevardzeitung „Sun“.

Diese Anekdote kommt einem in diesen Tagen wieder in den Sinn, nachdem die „Sun“ auf ihre Weise englische Fußballfans, die zur Europameisterschaft nach Frankfurt anreisen, davor gewarnt hat, sich in „Frankfurt’s Zombie District“ aufzuhalten, mit „5000 schlurfenden Junkies“, 300 Dealern, massiver Kriminalität und Attacken auf offener Straße. Man kann darüber lächeln und es abtun nach dem Motto, es sei ja nur die „Sun“, ein Boulevardblatt, das Themen gern zuspitze.

Fakt ist aber, das englische Tabloid hat in diesem Fall nicht übertrieben. Es hat nur wiedergegeben, worauf auch andere Medien schon mehrfach hingewiesen haben: dass Teile des Frankfurter Bahnhofsviertels mit seiner ausufernden Drogenszene und seiner Verelendung, die sich in Form von Obdachlosigkeit, Abhängigen, Schmutz, Müll und üblen Gerüchen in seiner ganzen Vielfalt offenbart, für jene zur Belastung wird, die dort wohnen, arbeiten oder sich als Touristen aufhalten. Und nun, kurz vor der Fußball-EM, blickt verstärkt das Ausland darauf.

Dabei ist der Imageschaden schon lange da. Spätestens mit Ende der Corona-Pandemie, als die Messen wieder begonnen haben, können sich Besucher ein Bild davon machen, dass die Stadt es nicht hinbekommt, ihre Eintrittspforte so zu gestalten, dass man sich willkommen fühlt. Kaum dass man am Hauptbahnhof aus dem Zug steigt, stolpert man in das Elend hinein.

Dass Unternehmen beklagen, die Zustände im Bahnhofsviertel erschwerten die Suche nach Fachkräften aus dem Ausland, weil potentielle Arbeitskräfte auch danach schauten, wo es sich gut mit einer Familie leben lasse, ist daher kaum verwunderlich. Frankfurt verliert allein durch dieses Viertel enorm an Attraktivität.

Dabei könnte man so viel aus dem Quartier an einer so exponierten Lage herausholen: die Gas­tronomie stärken, die dort schon ansässig ist, und neue hinzugewinnen. Die Straßen begrünen. Und nicht zuletzt das Wohnen, Arbeiten und Ausgehen in einer Art verknüpfen, wie es längst in anderen internationalen Metropolen üblich ist: dass nämlich das eine in das andere greift, mit einem intakten sozialen Umfeld.

Man könnte auch überlegen, den Einzelhandel dort stärker auszubauen, um jenseits von Milieu-Gestalten ein „normales“ Publikum anzuziehen. Doch all das würde nur dann funktionieren, wenn die Stadt endlich einmal festlegte, wie das Bahnhofsviertel einmal aussehen sollte, und entsprechend ihre Politik danach ausrichtete.

Es ist zwingend notwendig, die Drogenszene zu verkleinern

Was stattdessen seit Jahren geschieht, ist ein hilfloser Aktionismus, der immer dann aufkommt, wenn der mediale Druck die Politik zum Handeln treibt. Die Stadt bildet neue Arbeitsgruppen, runde Tische, verspricht eine bessere Kommunikation mit Gewerbetreibenden und der Polizei. Die Zustände werden kurzfristig besser, fallen dann aber wieder auf das ursprüngliche Niveau zurück.

Das ist seit 2016 zu beobachten. Wird der Müll zum Problem, wird der Entsorgungstakt erhöht. Nach einem halben Jahr sieht schon wieder alles so aus wie zuvor. Genauso ist es mit dem Gestank, verursacht durch Urin und andere Hinterlassenschaften. Dann wird phasenweise mal mehr gereinigt. Aber schon bald, pünktlich zum Frühjahr, ist das Problem wieder da. So ist das mit fast allen Missständen, die in diesem Viertel zu finden sind, und die Bürger merken das. Das Bahnhofsviertel ist zum Flickenteppich geworden. Was es hingegen braucht, ist ein neues Gewand, dem alles andere untergeordnet wird. Diese große Vision aber fehlt.

Der Frankfurter Weg ist gescheitert

Welches Bild möchte Frankfurt im Ausland vermitteln? Schon allein diese Antwort fällt der Stadtregierung aus Grünen, SPD, FDP und Volt offenbar schwer. Möglicherweise auch deshalb, weil das bedeuten würde, das komplexeste aller Probleme anzugehen, nämlich die Frage, wie es mit der Drogenpolitik weitergehen soll. Das Eingeständnis, dass der Frankfurter Weg gescheitert ist, wäre ein erster Schritt.

Spätestens mit dem Wechsel von Heroin zu Crack als Leitdroge funktioniert dieses Konzept nicht mehr, denn Crack kann im Gegensatz zu Heroin nicht substituiert werden. Hinzu kommt, dass Crack völlig anders wirkt. Abhängige drehen auf, sind präsenter auf den Straßen, weil sie von innerer Unruhe getrieben sind. Zudem sieht man ihnen der körperlichen Verfall stärker an. Das ist das, was die „Sun“ mit „Zombie District“ meint.

Was folgen muss, ist ein Umdenken in der Drogenpolitik, das damit anfängt, neu zu definieren, für wen die Suchthilfe überhaupt greifen soll. Es ist zwingend notwendig, die Drogenszene zu verkleinern – und wenn das den Entzug von Hilfen bedeutet. Der Frankfurter Weg etwa war nie für auswärtige Konsumenten gedacht. Trotzdem ist inzwischen mehr als jeder zweite in Frankfurt registrierte Konsument in der Stadt gar nicht gemeldet – erhält aber trotzdem Unterstützung. Da muss die Stadt ran.

Druck lastet nicht zuletzt auf Oberbürgermeister Mike Josef

Das Gegenargument, das regelmäßig von den Grünen, aber auch von Teilen der SPD kommt, lautet, die Konsumenten wären damit aber nicht weg. Sie würden weiter in die Stadt kommen und dann statt in den Druckräumen noch mehr auf der Straße konsumieren. Das kann stimmen. Aber solange man es nicht ausprobiert, bleibt das eine Vermutung. Vielleicht würden sie auch wegbleiben. Und selbst wenn sie trotzdem kämen, gäbe es auch dagegen Lösungen.

Andere Städte wie etwa München leben es vor, indem sie es den Konsumenten maximal unbequem machen, sich in aller Öffentlichkeit Spritzen zu setzen oder Crack zu rauchen. Gleichzeitig müssen Gespräche mit den Umland-Kommunen geführt werden, ihrerseits eine Infrastruktur für „ihre“ Schwerstabhängigen zu schaffen.

Die Stadt Frankfurt war bisher noch nicht einmal bereit, nach außen hin das Signal zu senden, dass Frankfurt den Drogentourismus nicht mehr toleriert. Man fragt sich, warum eigentlich nicht. Wenn es schon an dieser Bereitschaft fehlt, muss sich am Ende die Stadtregierung nicht wundern, dass Frankfurts Ruf im Ausland leidet.

Der Druck lastet nicht zuletzt auf Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), der mit der Einführung einer Waffenverbotszone und der Ausweitung von Videoüberwachung gemeinsam mit der Polizei erste Akzente gesetzt hat. Auch, wenn sein Spielraum begrenzt ist, weil vor allem die zuständigen Dezernenten am Zuge sind, muss es am Ende der Oberbürgermeister sein, der den Takt vorgibt, wie die Stadt sich entwickeln soll. Eine Metropole, die auch nur am Rande mit einem „Slum“ gleichgesetzt wird, darf Frankfurt niemals sein.

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