Interview
Pekings Rolle im Ukraine-Krieg: „China bekommt langsam kalte Füße“
Im März 2023 trafen Xi Jinping und Wladimir Putin im Kreml zusammen.
Im Ukraine-Krieg steht China an der Seite Russlands. Der ukrainische Analyst Maksym Skrypchenko glaubt: Peking ändert langsam seine Haltung zum Kreml.
In der Nacht habe es Luftalarm gegeben, Raketen seien eingeschlagen, Drohnen abgefangen worden. „Aber im Großen und Ganzen ist die Lage unter Kontrolle“, sagt Maksym Skrypchenko trocken. Skrypchenko ist Präsident des Transatlantic Dialogue Center, einer ukrainischen Denkfabrik mit Sitz in Kiew. Zuletzt hat er sich intensiv mit der Rolle Chinas im Ukraine-Krieg beschäftigt. „Europa sollte den Chinesen klarmachen: Wenn ihr weiter zu Russland haltet, werden wir weniger mit euch handeln“, sagt Skrypchenko im Interview.
Herr Skrypchenko, der deutsche Bundeskanzler hat die chinesische Führung vor kurzem in Peking dazu gedrängt, „auf Russland einzuwirken, damit Putin seinen irrwitzigen Feldzug endlich abbricht“. Ist es nicht naiv, zu glauben, China würde seine pro-russische Haltung nach mehr als zwei Jahren Krieg aufgeben?
Ukrainische Diplomaten verfolgen derzeit mehrere Strategien. Eine davon besteht darin, darauf zu drängen, dass sich unsere westlichen Verbündeten in verschiedenen Ländern für eine stärkere Unterstützung der Ukraine einsetzen. So hat etwa der japanische Premierminister in Washington für das Hilfspaket für die Ukraine gekämpft. Ich halte es aber für ebenso wichtig, dass westliche Politiker nach Peking fliegen und versuchen, mit Xi Jinping zu sprechen.
Welche Botschaft sollten sie Xi überbringen?
Russland setzt darauf, dass der Westen kriegsmüde wird, dass die Unterstützung für die Ukraine nachlässt. Wladimir Putin glaubt, den Krieg gewinnen zu können, weil er über größere Ressourcen verfügt und mächtige Partner wie China hat. Es ist daher sehr wichtig, China davon zu überzeugen, dass der Westen noch lange Zeit an der Seite der Ukraine stehen wird.
Hört China denn überhaupt auf die Europäer, oder verfolgt es nicht vielmehr seine eigene Agenda?
Auf lange Sicht werden diese Gespräche Xi Jinpings Position zu Russland und zur Ukraine beeinflussen. Er hört den europäischen Staats- und Regierungschefs zu, weil er mit Europa Geschäfte machen will. Europa sollte den Chinesen klarmachen: Wenn ihr weiter zu Russland haltet, werden wir weniger mit euch handeln.
Maksym Skrypchenko ist Präsident des Transatlantic Dialogue Center in Kiew.
„Momentan profitiert China sehr stark vom Handel mit Russland“
Noch ist China für Deutschland der wichtigste Handelspartner.
Ja, und das kann man nutzen. China ist sehr auf seine Wirtschaft fokussiert, deswegen ist das eine Karte, die Deutschland ausspielen sollte.
Gleichzeitig profitiert China von einem schwachen Russland – etwa, indem es günstiges Öl und Gas von dort bezieht.
Das stimmt, momentan profitiert China sehr stark vom Handel mit Russland. Deswegen braucht es mehr Sanktionen gegen chinesische Unternehmen und Banken, die Handel mit Russland treiben. Dann würden die Kosten für China in die Höhe schießen. Außerdem ist Europa als Markt für China viel wichtiger als Russland, nicht nur jetzt. Auch in Zukunft wird das so sein, und China weiß das.
Weiß Russland das auch?
Russland stellt China immer als engen Partner dar. Was Russland aber auf keinen Fall will, ist, Teil der chinesischen Einflusssphäre zu werden. Russland will selbst eine globale Führungsmacht sein und keine Marionette der Chinesen. Die Russen glauben tatsächlich, sie könnten die Chinesen zu ihren eigenen Zwecken benutzen. Aber das ist ein Trugschluss.
Bislang hat China aber nicht einmal einen Rückzug der russischen Truppen aus den besetzten Gebieten in der Ukraine gefordert. Außerdem verkaufen chinesische Firmen weiter Güter an Russland, die für militärische Zwecke genutzt werden können.
Ja, chinesische Unternehmen verkaufen zum Beispiel Mikrochips an Russland, aber das machen andere Länder auch. Also denkt sich China: Warum sollten wir damit aufhören? Hinzu kommt: China will nicht, dass Russland den Krieg krachend verliert. Russland hat das größte nukleare Arsenal weltweit, eine riesige Armee, es ist für China ein Verbündeter gegen das, was als westlicher Imperialismus wahrgenommen wird. Einen militärischen Sieg der Russen wünscht sich China aber auch nicht.
„Zu Beginn des Krieges war China überzeugt davon, dass die Ukraine sehr schnell fallen würde“
Sehen Sie schon Anzeichen dafür, dass China seine Position Russland gegenüber verändert?
Ja, es gibt Anzeichen, dass China langsam kalte Füße bekommt. Zu Beginn des Krieges war China überzeugt davon, dass die Ukraine sehr schnell fallen würde. Aber das ist nicht passiert. Stattdessen wurden immer mehr Sanktionen gegen Russland erlassen. Außerdem wachsen die Militärausgaben der Nato-Länder stetig, es werden immer mehr Waffen produziert, ganze Streitkräfte werden modernisiert. China ist deswegen sehr besorgt. Und das ist, glaube ich, der Grund, warum Peking seinen Sondergesandten Li Hui nach Kiew und Moskau geschickt hat, um einen Frieden zu verhandeln. China glaubt nicht, dass eine der beiden Seiten den Krieg noch gewinnen kann.
Welche Anzeichen gibt es noch?
Seit der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj seinen Friedensplan vorgestellt hat (im November 2022, d. Red.), hat China keinen einzigen russischen Friedensplan mehr unterstützt. Peking hat lediglich einen eigenen Plan vorgestellt, von dem Kiew vorsichtig sagt, dass er funktionieren würde, dass aber noch einige Änderungen erforderlich seien. Auch hat Peking die Einladung der Ukraine, im Juni an einem Friedensgipfel in der Schweiz teilzunehmen, nicht abgelehnt.
Peking macht allerdings zur Bedingung, dass auch Russland teilnimmt. Der Westen lehnt das ab.
Das stimmt. Aber die Chinesen weisen ukrainische Vorstöße, anders als noch vor zwei Jahren, nicht mehr zurück. Das ist für mich entscheidend.
Wie sähe aus chinesischer Sicht eine Lösung des Konflikts aus?
China will einen Frieden um jeden Preis, und zwar sofort. Auch wenn das bedeuten würde, den Krieg einzufrieren.
Die Ukraine würde das kaum akzeptieren.
Das stimmt. Das ultimative Ziel von Peking ist eine Rückkehr zu den normalen Beziehungen mit dem Westen. Als Li Hui in Kiew und Polen war, haben mir Regierungsbeamte, die bei den Treffen mit ihm dabei waren, gesagt, dass er vor allem eine Botschaft hatte: Leute, warum unterschreibt ihr nicht einfach einen Waffenstillstand, damit wir wieder gute Geschäfte machen können?
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