Pankows Bezirksbürgermeisterin irritiert bei Lanz: Flüchtlingskrise positiv sehen

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Die Bezirksbürgermeisterin von Pankow, Cordelia Koch (Grüne)

Gerade erst hat Berlin beschlossen, dass in der Hauptstadt 16 neue Containerdörfer für Flüchtlinge mit insgesamt 6130 Plätzen errichtet werden. Neben Lichtenberg ist Pankow besonders stark betroffen, dort sollen vier beziehungsweise drei Unterkünfte hochgezogen werden. Doch von einem Flüchtlingsproblem will die Bezirksbürgermeisterin von Pankow, Cordelia Koch (Grüne), nicht reden – und verblüffte damit die weiteren Gäste in der ZDF-Talksendung Markus Lanz. Auch der Moderator war baff.

Am Mittwoch saß die Grünen-Politikerin bei Markus Lanz, der in dieser Woche schwerpunktmäßig Lokalpolitiker zu Wort kommen lassen wollte. Im Mittelpunkt stand die Frage: Was belastet die Kommunen und Gemeinden aktuell am meisten? Neben Koch waren die weiteren Gäste Erfurts Oberbürgermeister Andreas Bausewein, die Bürgermeisterin Ursula Baum aus Kaarst, nahe Düsseldorf in NRW, sowie CDU-Landrat Christian Engelhardt aus Hessen.

Alle gaben unumwunden zu: Das größte Problem stellen derzeit Zuwanderung und Integration von Asylsuchenden dar. Nur Cordelia Koch, die eigentlich in ihrem Bezirk Pankow besonders gebeutelt ist und extrem viele Migranten aufnehmen muss, ließ das nicht so stehen und sagte: „Das politische Thema sind die Geflüchteten, das ist richtig, darüber wird sehr viel gesprochen. Je mehr das thematisiert wird, desto mehr beschäftigt das auch die Menschen. Und es wird auch als Problem empfunden. Aber wir können sehr viel gestalten, und das ist auch unsere Aufgabe, meiner Meinung nach.“

Markus Lanz war baff – und hakte prompt nach: „Es wird besser, wenn wir nicht darüber reden?“ Das verneinte die Grünen-Politikerin dann doch und erklärte, ihr ginge es mehr darum, wie über die Probleme gesprochen werde.

Sie wolle eher Chancen und Lösungen sehen: „Wir brauchen Arbeitskräfte“, argumentierte sie weiter – und das war dann der Moment, als CDU-Mann Engelhardt den Kopf schüttelte und sich einmischte: „Ich will da widersprechen. Ich glaube, wir sollten anfangen, bei der Flüchtlingssituation zwischen der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, bei dem wir Fachkräfte brauchen – die brauchen wir unbedingt und dringend –, und der humanitären Zuwanderung zu unterscheiden. Das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.“

Es ging munter weiter um die Differenzierung zwischen Asylpolitik und klassischer Einwanderung. Laut Engelhardt ist es viel schwieriger, Asylsuchende zu integrieren: „Für die brauche ich wirklich Ressourcen, das dauert Jahre, und damit löst sich die Fachkräfteproblematik nicht.“ Beides in einen Topf zu werfen, sei ein „nicht richtiges Vermengen von Problemlage und Situation“, meinte der Landrat.

Und während die anderen Gäste sich weiter darüber einig waren, dass sie aus dem Krisenmodus gar nicht mehr herauskämen, plädierte Koch, meist mit einem süffisant-überlegenen Lächeln auf den Lippen, weiterhin für einen positiveren Blick auf die Situation. Dabei tat sie beinahe so, als würde eine Krise gar nicht existieren.

Nicht unerwähnt ließ sie allerdings den seit Monaten anhaltenden Protest einer Bürgerinitiative und des Bezirks gegen das Wohnungsbauprojekt im Pankower Schlossparkkiez, wo in einem Innenhof Flüchtlingsunterkünfte entstehen sollen. Dafür müssen 66 Bäume weichen. Das Bezirksamt Pankow will das mit Fällverboten verhindern, erleidet aber immer wieder Schlappen vor Gericht. Dass dort ein neues Gebäude entstehen solle, trage sie aus Klimaschutzgründen nicht mit, sagte Koch bei Lanz.

Doch das wirkte neben dem, was auf Berlin noch zukommt, eher wie das Luxusproblem einer Grünen-Politikerin, die nicht gegen Flüchtlinge sprechen, aber auch keine Bäume opfern möchte. Dabei wird es in Pankow in Zukunft noch enger werden und Freiflächen werden häufiger in Gefahr geraten.

pankows bezirksbürgermeisterin irritiert bei lanz: flüchtlingskrise positiv sehen

Anwohner protestieren seit Monaten gegen den Bau eines Flüchtlingswohnheims in Pankow. Das Gebäude soll in einem Hof entstehen, dafür müssen 66 Bäume gefällt werden.

Denn die Pläne des Senats haben es in sich. Es sollen bald 16 neue Flüchtlingsunterkünfte in Berlin errichtet werden. Das ist schon ein Kompromiss – ursprünglich war von 40 die Rede. Manche sollen schon in diesem Jahr fertiggestellt sein, wie der Koordinator für Flüchtlingsangelegenheiten, Albrecht Broemme, zur Berliner Zeitung sagt. Lange sei gerungen worden, berichtet der ehemalige Chef der Feuerwehr. Er habe sich mit allen Bezirken vorab darüber unterhalten, räumt allerdings auch ein: „Nicht jeder Standort, den wir jetzt ausgesucht haben, ist ein Wunschstandort der Bezirke.“

Hintergrund: Einige Bezirke wie Lichtenberg und Reinickendorf hatten sich über die neuen Unterkünfte beschwert. Laut Broemme wird Berlin aber keine andere Wahl haben, als schnell zu reagieren, ansonsten müssten Zelte auf der Straße des 17. Juni aufgebaut werden, so seine provozierenden Worte.

Er sagt zur Berliner Zeitung: „Ich rechne in diesem und im nächsten Jahr mit jeweils 10.000 Flüchtlingen mehr.“ Noch schlimmer werde es, wenn der Krieg in der Ukraine eskaliere. Dann könnten weitere 100.000 Migranten kommen. Und die müssten untergebracht werden. Auch Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sagte jüngst über die nun geplanten Flüchtlingsunterkünfte: „Ich glaube, das werden nicht die letzten sein.“

Die neuen Flüchtlingsdörfer, von denen manche schon in diesem Jahr fertig sein sollen, verteilen sich quer durch die Stadt, neun davon sollen – wie so oft – in drei Ostbezirken hochgezogen werden. Dort ist am meisten Platz, es gibt die meisten brachliegenden Grundstücke in der Stadt.

Am stärksten betroffen ist Lichtenberg mit allein vier Standorten, es folgen Pankow mit drei und Treptow-Köpenick mit zwei Standorten. Ansonsten entstehen in Reinickendorf zwei Containerdörfer, jeweils eins in Spandau, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln, Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf. In Marzahn-Hellersdorf, Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg sind keine vorgesehen.

Die Häufung der neuen Standorte in den Ostbezirken trägt dazu bei, dass sich das Ungleichgewicht noch weiter verschärft. So nimmt Pankow als bevölkerungsreichster Bezirk Berlins schon jetzt fast 15 Prozent aller hauptstädtischen Flüchtlinge auf, in keinem Bezirk sind es mehr. Nach Auskunft des Bezirksamts Pankow leben dort derzeit etwa 5000 Menschen. Nun kommen noch einmal bis zu 1400 Menschen hinzu.

Auch Bezirksbürgermeisterin Cordelia Koch sieht die Zahlen kritisch, wenn sie dies auch nicht bei Lanz äußerte. In einer Pressemitteilung schrieb sie: „Die Unterbringung weiterer 1400 Personen in Pankow ist vor dem Hintergrund der überlasteten Infrastruktur und Regeldienste insgesamt als höchst kritisch zu bewerten. Wir erkennen allerdings an, dass aus Sicht der Geflüchteten, die derzeit in Tegel untergebracht sind, die Alternative einer Unterbringung in Wohncontainer-Dörfern, insbesondere mit der Möglichkeit der Selbstversorgung, vorzuziehen sein dürfte.“

Dennoch sei sie überzeugt, dass der Bezirk die Unterbringung meistern könne. „Das schaffen wir natürlich“, sagte die Politikerin im rbb. Allerdings fordert Koch, dass der Senat die Mittel für die Flüchtlingsunterbringung anders verteilt. Die finanzielle Unterstützung müsse sich nach der Zahl der Menschen richten, die ein Bezirk aufnimmt. Bisher werde meistens pro Bezirk gerechnet.

Kochs eigene Partei beklagt sich übrigens auch über die Größe der Unterkünfte: Kurz zuvor hatten die Pankower Grünen einen Antrag eingebracht, die neuen Unterkünfte auf 200 Plätze zu beschränken. Illusorisch: Keines der drei neuen Heime bietet weniger als 400 Betten.

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