Friedrich Merz (CDU), Bundesvorsitzender seiner Partei, spricht in der Rheingoldhalle in Mainz zu den Parteimitgliedern.
In der Mainzer Rheingoldhalle wirkt es am Dienstagabend bisweilen so, als sei Friedrich Merz als nächster Bundeskanzler gesetzt. Und das nicht nur, als CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann von dem 31 Jahre alten Abgeordneten Philipp Amthor wissen will, wie er eine Staatsorganisationsreform angehen würde, wenn er in 16 Jahren Bundeskanzler wäre und Amthor antwortet: „Ich glaube, da bleibt ja gar nicht viel mehr übrig, das hat Friedrich dann vorher alles schon geschafft und die Probleme gelöst.“ Die CDU-Mitglieder johlen und klatschen begeistert.
Sie sind gekommen, um mit ihrem Parteivorsitzenden über den Entwurf für das neue Grundsatzprogramm zu sprechen. „Wir beginnen heute die Schlussrunde der Diskussion an sechs verschiedenen Orten“, sagt Merz in seiner Rede. Denn es stehen noch weitere Grundsatzprogrammkonferenzen in Hannover, Chemnitz, Köln, Stuttgart und Berlin an. Auf dem Parteitag im Mai soll das Programm dann abschließend diskutiert und verabschiedet werden.
„Vor zwei Jahren haben wir gedacht: Na ja, wir müssen mal ein bisschen am Profil der CDU arbeiten“, sagt Merz über die Anfänge der Arbeit am neuen Programm. Dann bereitet er eine Attacke auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vor. Niemand habe ahnen können, was an zusätzlichen Herausforderungen in dieser Zeit bevorstehen würde, sagt er. Auf den Tag genau vor zwei Jahren habe Scholz die „Zeitenwende“ verkündet, da habe sich „ein Fenster geöffnet“ für das Land und Scholz selbst. Vieles hätte sich ändern können.
Mit Blick auf den Besuch des Kanzlers bei der Unterstützerkonferenz für die Ukraine in Paris sagt Merz, das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich sei an einem Tiefpunkt. Er wolle, dass „von uns das klare Signal ausgeht: Wir beanspruchen wieder die Führung dieses Landes, weil es so . . .“ Der Rest des Satzes geht im tosenden Applaus unter.
Merz wirbt für einen fairen Umgang mit Konkurenz
Die Rede des CDU-Vorsitzenden dreht sich um „Freiheit“, das ist auch der zentrale Begriff im Titel des Programmentwurfs: „In Freiheit leben. Deutschland sicher in die Zukunft führen.“ Merz macht klar, dass das neue Programm zwar auch der Selbstvergewisserung der Partei dienen soll, aber vor allem den Bürgern Antworten liefern soll, die wissen wollen, woran sie bei der CDU sind.
Merz wirbt für einen fairen und anständigen Umgang mit parteipolitischen Gegnern und dafür, sehr klar Unterschiede zu benennen. „Und es gibt eine Grenze dieses Umgangs. Die Grenze ist dort erreicht, wo extremistische Parteien von links und vor allem jetzt von rechts genau dieses Zusammenleben in unserem Land bedrohen, weil sie eine völlig andere Republik wollen als die, die wir in den letzten 75 Jahren aufgebaut haben.“ Und weiter: „Das ist nicht die Alternative für Deutschland, das ist der Abstieg für Deutschland.“
Merz hebt hervor, dass es „keinen anstrengungslosen Wohlstand“ gebe. Deutschland sei groß geworden mit der sozialen Marktwirtschaft Ludwig Erhards. Merz erinnert an den Ökonomen Friedrich August von Hayek, der vor 80 Jahren in seinem Werk „Weg zur Knechtschaft“ beschrieben habe, dass immer mehr Regulierung nicht zu mehr Freiheit und Wohlstand führe, sondern zum Gegenteil. Daran anschließend sagt Merz mit Blick auf die Ampel: „Wir unterscheiden uns im Grundsatz von dieser Regierung, weil wir den Menschen etwas zutrauen und weil wir sie nicht durch staatliche Institutionen von morgens bis abends und am besten noch die Nacht durch regulieren und kontrollieren wollen.“
Merz lässt die Basis noch wissen, dass es nicht an ihm lag, dass der Begriff „Leitkultur“ im Entwurf auftauche. Aber er freue sich darüber. Die CDU bekenne sich zu einer vielfältigen, diversen Gesellschaft, aber es brauche ein gemeinsames kulturelles Minimum. Am Ende seiner Rede lenkt Merz den Blick auf die anstehenden Grundsatzprogrammkonferenzen. Wenn die geschafft seien, gehe die CDU aus dem Parteitag im Mai in Berlin heraus in die Wahlen, die in Europa und in den Ländern und Kommunen anstehen. „Und wir können erst dann mit Fug und Recht sagen: Die CDU ist wieder da.“
Als die Parteimitglieder Merz Fragen stellen können, herrscht in aller Regel Einigkeit im Saal. Einem jungen Mann muss Merz allerdings widersprechen, als dieser kritisiert, dass die CDU Cannabis nicht legalisieren will. Als Pfälzer würde er auch nie Wein verbieten, sagt der Fragesteller. „Wir halten Cannabis für eine gefährliche Einstiegsdroge, auch für unsere Kinder“, sagt Merz.
Grundlegender Wandel des europäischen Asylsystems
Eine Frau spricht sich dafür aus, einen Satz über Muslime aus dem Programmentwurf zu streichen. Da steht: ‚Muslime, die unsere Werte teilen, gehören zu Deutschland‘. Merz geht darauf ausführlich und ein und sagt: „Ich gebe zu, dieser Satz ist noch nicht wirklich richtig gut.“ Das sei auch auf der Klausurtagung des Bundesvorstands im Januar so gesagt worden. „Wir werden uns jetzt mal anschauen, was aus der Partei heraus für Vorschläge kommen und ich bin sehr offen, diesen Satz noch einmal zu überprüfen.“
Aufschlussreich ist am Dienstagabend in Mainz auch eine Diskussionsrunde vor der Merz-Rede, bei der die CDU-Mitglieder die Begriffe in ihr Smartphone tippen sollen, die ihnen im Programmentwurf am wichtigsten sind. Auf der Leinwand im Saal erscheint eine sogenannte Wortwolke: Sicherheit, Freiheit, Bildung, Wirtschaft und Migrationspolitik werden am häufigsten genannt.
Zuerst bittet Generalsekretär Linnemann, der die Arbeit am Grundsatzprogramm verantwortet, eine Stichwortgeberin zum Thema Migration ans Mikrofon. Das Thema ist ihr wichtig, weil sonst alles aus dem Ruder laufe, sagt sie. Es ist an Philipp Amthor, darauf einzugehen. Im Programmentwurf spricht sich die CDU für einen „grundlegenden Wandel“ des europäischen Asylsystems aus. Jeder, der Asyl in Europa beantragt, soll demnach zunächst in einen „sicheren Drittstaat“ gebracht werden, wo ein Asylverfahren stattfindet. Wer anerkannt wird, soll über ein Kontingent in einen EU-Staat kommen können.
Amthor sagt, es gehe nicht um das Ende des Asylrechts, sondern um ein Ende des Missbrauchs des Asylrechts. Um die Akzeptanz des Asylrechts zu sichern, müsse es geordnet und gesteuert ausgeübt werden. „Wer kommt denn in der Regel nach Deutschland? Diejenigen, die sich mit dem Recht des Stärkeren durchsetzen.“ Das seien eben oft junge starke Männer, die hier ankämen. Die anderen, „denen wir aus christlicher Verantwortung helfen müssen, Frauen mit Kindern, Ältere, Kranke, die bleiben zurück in Afrika“. Amthor sagt: „Wir wollen eine Lösung mit Drittstaaten finden.“ Er sei froh, dass es in dieser Frage endlich wieder Klarheit gebe. Zustimmung im Saal. Es ist ein Abschiedsgruß an die Ära Merkel.
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