Fanproteste: Zwölf Minuten Stille gegen die Investoren

Weil die Profiklubs der DFL die Zustimmung zu Verhandlungen mit externen Investoren gegeben haben, protestieren Fans in fast allen Bundesliga-Stadien – teils stumm und friedlich, teils originell, teils mit roher Gewalt.

fanproteste: zwölf minuten stille gegen die investoren

Aufgesammelte Schokotaler liegen im Spiel zwischen Mönchengladbach und Bremen am Spielfeldrand

Plötzlich konnte man sie wieder hören: die Rufe der Profis auf dem Platz, die Anweisungen der Trainer, das Prallen des Balles. Es war, wie zutiefsten Lockdown-Zeiten während der Corona-Pandemie, als keine Zuschauer in die Stadien durften. Ein Aufschrei hier nach einem Foul, zarte Versuche von der Haupttribüne, einen Gesang anzustimmen, sofort niedergepfiffen von anderen Fans.

Zwölf Minuten Schweigen hatten die Fan-Vereinigungen für dieses Wochenende vereinbart, gültig für die Anfangsphasen aller Erst- und Zweitligapartien. Zwölf Minuten, die der Deutschen Fußballliga zeigen sollten, wie wichtig die Zuschauer sind und dass man ihnen kein Gehör geschenkt hatte bei der Entscheidung vom vergangenen Montag, sich künftig Investoren zu öffnen, Teile der Medienrechte zu verkaufen, wenn sich dafür ein geeigneter Kooperationspartner findet.

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“Wir werden kein Teil eures Deals sein – Scheiß DFL” prangte auf einem Banner in der Kurve von Union Berlin im Spiel beim VfL Bochum, identisch der Wortlaut auf den Transparenten in etlichen anderen Arenen. Fans des VfL Wolfsburg brannten in Darmstadt nach Ablauf des selbst auferlegten Schweigegelübdes ein Feuerwerk ab, das zu einer kurzzeitigen Spielunterbrechung führte. Darmstädter Fans wetterten gegen ihren Vorstand, dass dieser für den Deal gestimmt hatte: “Unsere Stimme hätte den DFL-Investor verhindern müssen”, hieß es auf einem Plakat.

Tennisbälle und Schokotaler

Bereits am Freitagabend hatten die Anhänger von Borussia Mönchengladbach in der Partie gegen Werder Bremen Schokoladentaler auf den Rasen geworfen, symbolisch für den Ausverkauf des Fußballs. Es dauerte mehrere Minuten, bis die Süßigkeiten in Goldfolie aufgesammelt waren und das Spiel fortgesetzt werden konnte. Ähnlich äußerten Zuschauer in Bochum ihren Unmut, auch sie warfen Münz-Imitate und Tennisbälle aufs Spielfeld. Die Ironie daran: Bochums Takuma Asano ließ dich einen der Taler schmecken und erzielte wenig später das 1:0 für seinen VfL.

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Münzen und Tennisbälle fliegen in Bochum aufs Spielfeld

Weniger originell und deutlich radikaler war der Protest in Paderborn, wo rund 150 Fans von Hansa Rostock so wild randalierten, dass das Spiel vor dem Abbruch stand. Zweimal musste unterbrochen werden, als Zuschauer Raketen aufs Feld schossen und die Gesundheit der Spieler riskierten. Toiletten wurden angezündet, Imbissbuden zerlegt, Polizisten mit herausgerissenen Fliesen beworfen, ein neutraler Zuschauer von einem Rostocker Schläger so schwer am Kopf verletzt, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dazu wurden acht Ordner und zwölf Polizisten verletzt.

Schwere Ausschreitungen von Rostock-Fans

“Sie haben volle Gewalt gezeigt”, klagte Paderborns Geschäftsführer Martin Homberger und kündigte an, Rostock die Rechnung zu schicken. Den Schaden bezifferte Homberger auf rund 100.000 Euro. “Wir hatten Spieler, die nicht mehr raus wollten, weil sie Angst hatten und sich sehr bedrückt gefühlt haben”. Hansa-Sportdirektor Kristian Walter distanzierte sich im Namen des Vereins direkt nach der Partie “komplett” von den Ausschreitungen, am Samstag folgte eine offizielle Entschuldigung des Rostocker Vereins beim SC Paderborn.

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Sanitäter kümmern sich im Zweitligaspiel zwischen Paderborn und Rostock um einen Verletzten

Der Rostocker Vorstandsvorsitzende Robert Marien kündigte “klare Konsequenzen” an. “Da reicht es nicht, sich zu entschuldigen und zu distanzieren, da wird es erhebliche Strafen geben – Punkt”, wir Marien in der “Bild” zitiert.

Keine (nicht) hörbaren Proteste gab es dagegen im Spiel des 1. FC Magdeburg gegen Fortuna Düsseldorf. Darauf hatten sich die Fans beider Klubs verabredet, die Magdeburger Ultras begründeten das so: “Wir werden uns nicht am Stimmungsboykott beteiligen, weil unser Verein in unserem Sinne abgestimmt hat, dagegen gestimmt hat”.

Autor: Tobias Oelmaier (sid, dpa)

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