Studenten in Uniform: Schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlen

studenten in uniform: schlimmstenfalls mit dem leben bezahlen

Klaudia S., Studentin an der Bundeswehr-Uni in Neubiberg.

Attraktive Angebote, gute Karrierechancen – Kriegseinsatz nicht ausgeschlossen: Fünf Studierende an der Universität der Bundeswehr über ihre Motivation und ihre Zukunftsvorstellungen in Zeiten, in denen viel vom Verteidigungsfall die Rede ist.

Schlimmstenfalls mit dem Leben bezahlen

Sie studieren Wirtschaft oder Informatik, Cyber-Sicherheit, Aeronautical Engineering oder Kulturwissenschaften, Psychologie oder Sport – aber sie sind in erster Linie Soldatinnen und Soldaten, die sich für Führungsaufgaben in der Bundeswehr qualifizieren. Und als solche müssen sie regelmäßig militärische Übungen absolvieren und Leistungsnachweise bringen, etwa beim Schießen. Die Mehrzahl der jungen Leute, die sich an diesem Frühlingstag auf der Schießanlage eingefunden haben, kommt aus dem Bereich Staats- und Sozialwissenschaften. Vor dem Studium haben sie ihren Wehrdienst geleistet, manche waren auch schon länger bei der Bundeswehr. Sie sind konzentriert bei der Sache, aber der Umgangston ist locker. Ihre Nachnamen möchten sie nicht veröffentlichen – es bleibt ja alles im Internet, “der Russe liest mit”, und wer weiß, sagen sie, wo sie später mal eingesetzt werden.

Klaudia S.

“Das Militärische hat mich schon immer fasziniert”, sagt Klaudia S. Die 30-Jährige hat aber zuerst Politikwissenschaft in Erlangen studiert, bevor sie zur Bundeswehr ging. Sie wolle der Gesellschaft etwas zurückgeben, “denn Deutschland bietet uns so viel Freiheit und soziale Sicherheit”. Das Studium an der Bundeswehr-Uni – sie studiert Staats- und Sozialwissenschaften – sei außerdem sehr vielseitig. Sie engagiert sich freiwillig bei der Organisation der Schießübungen und hat deshalb auch die Gelegenheit, selbst häufiger und mit verschiedenen Waffen zu schießen. Es gehe ihr dabei um die Kameradschaft und die körperlichen und mentalen Herausforderungen, sagt sie. An diesem Tag ist sie eine der wenigen Frauen auf dem Schießübungsplatz. Dass sie im Ernstfall auf Menschen schießen müsste, “das blendet man weitgehend aus”. Beim Eintritt in die Bundeswehr habe sie unterschrieben, dass sie bereit sei, “im schlimmsten Fall mit dem wertvollsten zu bezahlen, meinem Leben”. Ihre Eltern kommen aus Polen, dort habe man ein entspannteres Verhältnis zum Militär, sagt sie. “Sie sind stolz auf mich.” Leutnant Klaudia freut sich schon auf die Offizierslehrgänge nach dem Studium, “die mich zum vollständigen Soldaten machen”.

Lucas B.

Für Lucas B. geht es in zwei Wochen nach Bosnien. Der 23-Jährige wird dort für seine Masterarbeit über sexuelle Gewalt im Jugoslawienkrieg recherchieren und mit Experten sprechen. Ein schwieriges Thema. “Allein wenn man die ersten Gerichtsurteile liest, ist man schon betroffen”, sagt er. Er hat sich im Studium auf internationales Recht spezialisiert. Dass er als Offizier eines Tages einen Auslandseinsatz absolvieren würde, sei immer klar gewesen. “Aber der Verteidigungsfall war nicht primär im Fokus.” Das hat sich mit dem Ukraine-Krieg schlagartig geändert. Da denke man schon noch einmal neu über die Zukunft nach, sagt er. Seine Familie sei jedenfalls erleichtert gewesen, dass er die Truppe gewechselt habe, von den Panzergrenadieren zur elektronischen Kampfführung. “Ein bisschen weiter hinter der Front.” Nach dem Master will er an die Offiziersschule für strategische Aufklärung.

studenten in uniform: schlimmstenfalls mit dem leben bezahlen

Lukas G.

Lukas G.

Lukas G. studiert Management und Medien. Im Bachelor hat er sich mit Augmented Reality beschäftigt und unter anderem untersucht, wie Emotionen eines Menschen dessen Leistungsfähigkeit beeinflussen. Für seine Masterarbeit hat er einen Virtual-Reality-Raum gebaut, erzählt er. In zwei Wochen fliegt er für ein interkulturelles Forschungsprojekt nach Malaysia. Dort kooperiert die Bundeswehr-Uni mit einem Ableger der britischen University of Nottingham. Lukas wird das Konsumverhalten von malaysischen Testpersonen studieren und es dann mit jenem von deutschen Testpersonen vergleichen. Der 28-Jährige war vor dem Studium drei Jahre bei der Polizei. “Da durfte ich auch Bürger in Uniform sein. Aber bei der Bundeswehr ist die Kameradschaft viel stärker.” Das bedeutet ihm viel. Er möchte Führungskraft bei den Panzergrenadieren werden. Die Kameradschaft, sagt er, schließe selbstverständlich Frauen mit ein. “Solange jeder seine Pflicht erfüllt, mache ich da keinen Unterschied.” Im Gegenteil: In Stresssituationen, wenn es auch um psychische Aspekte gehe, seien Frauen einfühlsamer. “Ich bin froh drum, dass es sie gibt.”

studenten in uniform: schlimmstenfalls mit dem leben bezahlen

Paul R.

Paul R.

Es seien die attraktiven Studienangebote der Universität der Bundeswehr München gewesen, die ihn motiviert hätten, hier zu studieren, aber auch “die Gewissheit, dass man in Deutschland so gut leben kann, und dass man das schützen muss”, sagt Paul R. Er ist 22 Jahre alt, studiert Staats- und Sozialwissenschaften und will Berufssoldat werden. Sollte das nicht klappen, weil vielleicht in den Dienststellen, die er sich wünscht, kein Bedarf für ihn ist, wäre Plan B: Lehrer werden. Paul ist in der Heeresaufklärung und möchte dort auch bleiben. Dass in diesen Zeiten von der Kriegstüchtigkeit der deutschen Gesellschaft die Rede ist, dass man sich auf die Landesverteidigung vorbereiten muss, das sei für einen Politikwissenschaftler besonders interessant, sagt er. “Das Studium bietet viele Anreize, mit der neuen Situation umzugehen und neue außenpolitische Konstellationen zu untersuchen. Das ist spannend.” Zwar werde einem als angehender Soldat in Bewerbungsgesprächen oder in der Grundausbildung gesagt, dass der Verteidigungsfall eintreten könnte. “Aber jetzt ist es viel realistischer. Dessen muss sich jeder, der Uniform trägt, bewusst sein”, sagt er. “Ich wäre ein Lügner, wenn ich sagen würde, dass ich keine Angst vor dem Krieg hätte. Aber es schreckt mich nicht ab.”

Jonas B.

Jonas B. wollte schon als Kind zur Marine – seit er einmal bei der Hanse Sail auf der Ostsee auf einem der großen Segelschulschiffe mitfahren durfte. Er träumt davon, eines Tages ein großes Schiff zu kommandieren, egal, ob Rotes Meer, Ostsee, Atlantik, Pazifik -“je nachdem, wie der Auftrag lautet, da geht es dann hin.” Gerade als Marinesoldat sei man auch früher schon im Rahmen der Nato in Auslandseinsätze geschickt worden. Klar, sagt der 24-jährige Student der Staats- und Sozialwissenschaften, die Kriege in der Ukraine, in Israel, “das war schon nochmal ein Schockmoment”. Die Schauplätze seien näher gerückt, auch er mache sich darüber Gedanken. Aber mit seiner Verpflichtung bei der Bundeswehr habe er sich entschieden, im Notfall “bis zum Äußersten zu gehen.” Er habe seine Berufswahl noch keine Sekunde bereut. Auch seine Freunde fänden seine Entscheidung gut. Für viele sei der russische Angriffskrieg in der Ukraine ein Aufwachmoment gewesen, sich zum freiwilligen Wehrdienst zu melden. “Das finde ich gut, wir brauchen die.”

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