Nahost-Konflikt: Terrororganisation Hamas veröffentlicht neues Geisel-Video

129 israelische Geiseln sollen noch in der Gewalt der Hamas sein. Nach langer Funkstille hat die Terrororganisation innerhalb weniger Tage ein zweites Video veröffentlicht. Der Zeitpunkt scheint nicht zufällig.

nahost-konflikt: terrororganisation hamas veröffentlicht neues geisel-video

Wochenlang gab es von israelischen Geiseln, die sich seit dem 7. Oktober in der Gewalt der Hamas befinden, kein Lebenszeichen. Nun hat die Terrororganisation innerhalb weniger Tage ein zweites Geisel-Video veröffentlicht. Darin werden zwei Männer gezeigt: Keith Samuel Siegel, 64, ein US-Amerikaner, der von seinem Zuhause in Kfar Azza verschleppt wurde, und Omri Miran. Die Hamas-Angreifer entführten ihn vor laufender Kamera aus seinem Haus im Kibbuz Nahal Oz.

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»Ich möchte meiner Familie sagen, dass ich sie sehr liebe«, sagt Siegel in dem Video. »Es ist mir wichtig, dass ihr wisst, dass ich okay bin und ich hoffe sehr, ihr seid es auch.« So berichtet es die israelische Zeitung »Haaretz«. Weiter wird Siegel so zitiert: »Wir sind hier in Gefahr. Es fallen Bomben, es ist stressig und angsteinflößend. Das geht nun schon seit langer Zeit so, und ich frage mich, wie lange noch.«

Erst am Mittwoch hatte die Hamas ein Video des 23-jährigen Hersh Goldberg-Polin, der neben dem israelischen auch einen US-Pass besitzt, veröffentlicht. Dessen Eltern hatten sich immer wieder öffentlichkeitswirksam dafür eingesetzt, die noch in Gaza verbliebenen Geiseln zu befreien. In dem Propagandavideo der Hamas forderte der junge Mann, dem die linke Hand und ein Teil des Unterarms fehlen, die israelische Regierung eindringlich auf, die Geiseln endlich »nach Hause zu holen«.

Beobachter gehen davon aus, dass die Hamas-Terroristen mit den Videos Druck auf die Regierung von Benjamin Netanyahu ausüben wollen. Ziel könnte sein, über eine eventuelle Freigabe von Geiseln zu verhandeln – und im Gegenzug eine möglicherweise bevorstehende israelische Offensive auf Rafah zu verhindern.

Dort, im äußersten Süden des Gazastreifens, drängen sich derzeit neben den rund 270.000 angestammten Bewohnern mehr als eine Million Vertriebene. Wasser und Lebensmittel sind äußerst knapp, die sanitäre Versorgung katastrophal. Gleichzeitig mehren sich Anzeichen für eine bevorstehende Militäroffensive in dem Gebiet. Israels Armee könnte bereits in den kommenden Wochen dort einrücken, berichten israelische und internationale Medien.

Ob sich dann noch über eine Freigabe der Geiseln verhandeln lässt? Beobachter bezweifeln dies. Unklar ist jedoch, wie viele jüdische Menschen, die seit Monaten von der Hamas gefangen gehalten werden, überhaupt noch am Leben sind. Die Angehörigen leben in größter Angst. Umso größer war die Erleichterung nun bei den Familien von Siegel und Miran, überhaupt ein Lebenszeichen zu erhalten – auch wenn dies womöglich Propagandazwecken oder als Druckmittel dient.

Manchmal fühle es sich an, als würden sich die Dinge hinziehen, sagt Siegel laut »Haaretz« in dem Video. Er appelliere an den Premierminister und die gesamte Regierung, sich an den Verhandlungen zu beteiligen, um bald eine Einigung zu erzielen. Die Aufnahme ist nicht datiert. Unter welchen Umständen das Video entstanden ist und ob die beiden Männer aus freien Stücken oder unter Druck und Drohungen sprachen, bleibt unklar.

Miran erklärt in dem Video: »Ich befinde mich seit 202 Tagen in der Gefangenschaft der Hamas.« Es sei »Zeit, eine Einigung zu erzielen, die uns gesund und munter hier herausbringt. Ich möchte, dass Sie alles tun, was Sie können. Üben Sie auf jede erdenkliche Weise Druck aus.« Er rief auch dazu auf, die Demonstrationen für die Freilassung der aus Israel Verschleppten in den Städten Tel Aviv und Jerusalem fortzuführen. Für Samstagabend waren wieder derartige Kundgebungen geplant.

Die Hamas hat bereits mehrfach Aufnahmen isrealischer Geiseln gezeigt. Diese Art von Videos werden von Israel als Psychoterror gegen die Angehörigen eingestuft. Omri Miran Vater sagte dem israelischen Sender »12 News«, dies sei das erste Lebenszeichen von seinem Sohn: »Die Aufregung ist riesig. Ich hatte von dem Moment an, als ich das Bild sah, Tränen in den Augen«, erklärte der Vater.

Wenn er seinen Sohn in dem Video sehe, sei er nicht sicher, ob es ihm körperlich gut gehe. »Es tut zwar weh, aber andererseits bin ich froh, ihn zu sehen.« Er hoffe nur, sagte Dani Miran, »dass er wenigstens noch mental gesund ist.«

Omri Miran ist Vater von zwei Töchtern, zwei Jahre alt und sechs Monate alt. Lishi, Omris Frau, berichtete »N12«: »Die Terroristen richteten ihre Waffen auf uns.« Sie seien zuerst ohne die kleinste Tochter zum Nachbarhaus gebracht worden, wo die Hamas-Terroristen die Familie mit anderen Israelis zusammengetrieben und dann entführt hätten. Diese seien inzwischen wieder freigelassen worden.

Keith Samuel Siegel lebte dem Bericht zufolge vor dem Terrorangriff der Hamas mit seiner Frau seit 42 Jahren im Kibbuz. Die beiden hätten vier Kinder und fünf Enkelkinder und seien aus den Vereinigten Staaten nach Israel gekommen. Nachbarn berichteten, das Paar sei aus dem Haus verschleppt worden. Siegels Frau Aviva wurde dem Bericht zufolge im Zuge eines Deals zwischen Israel und der Hamas Ende November freigelassen.

Israel geht von noch 129 israelischen Geiseln aus

Das Forum der Geisel-Familien erklärte angesichts der neuen Videobotschaften: »Das Lebenszeichen von Keith Siegel und Omri Miran ist der deutlichste Beweis dafür, dass die israelische Regierung alles tun muss, um noch vor dem Unabhängigkeitstag (am 14. Mai) ein Abkommen über die Rückkehr aller Geiseln zu schließen; für diejenigen, die noch leben, und für die Toten – für ein würdiges Begräbnis.«

Die von der EU und den USA als Terrororganisation eingestufte Hamas und weitere militante Palästinensergruppen waren am 7. Oktober in israelische Orte eingedrungen und hatten Gräueltaten an Zivilisten verübt. Nach israelischen Angaben töteten die islamistischen Kämpfer damals etwa 1170 Menschen, zudem verschleppten sie rund 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen.

Nach israelischen Annahmen befinden sich noch 129 Geiseln in der Gewalt palästinensischer Organisationen im Gazastreifen, 34 sind nach Einschätzung des Militärs tot.

Als Reaktion auf den Überfall geht Israel seitdem massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher knapp 34.400 Menschen getötet.

Die Hamas prüft derzeit nach eigenen Angaben einen israelischen Vorschlag für eine Feuerpause im Gazastreifen und die Freilassung von Geiseln. Es handele sich um einen Gegenvorschlag Israels auf vorherige Hamas-Vorschläge, hieß es am Samstag in einer kurzen Erklärung.

Die Verhandlungen über eine Feuerpause und Geiselfreilassung laufen seit Monaten – bislang allerdings erfolglos. Im Rahmen der bislang einzigen von den USA, Katar und Ägypten vermittelten Einigung zwischen Israel und der Hamas waren Ende November während einer einwöchigen Feuerpause rund hundert Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge freigekommen.

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