Ein Dorf unter dem Regenbogen: Drohung gegen „Gutmensch“ schweißt Nachbarschaft zusammen

Achmühle gegen Rechts

Ein Dorf unter dem Regenbogen: Drohung gegen „Gutmensch“ schweißt Nachbarschaft zusammen

ein dorf unter dem regenbogen: drohung gegen „gutmensch“ schweißt nachbarschaft zusammen

Regenbogenfahne am Bürgerhaus Achmühle

Der Versuch, Achmühler einzuschüchtern, scheiterte: Als Unbekannte einen Drohbrief wegen einer Regenbogenfahne schrieben, demonstrierte der Ort Zusammenhalt.

Eurasburg – Für Autofahrer ist es nur ein kleines Fähnchen. Vermutlich übersehen es viele Menschen, die auf der Staatsstraße durch den Eurasburger Ortsteil Achmühle fahren. Eingeweihte wissen um die höhere Bedeutung der Regenbogenflagge, die an einem Fenster des Bürgerhauses im ersten Stock hängt. Die wissen, was darauf steht: „Achmühle gegen rechts“. Auch auf der Rückseite des Hauses hängt ein Fähnchen. Und in fast 40 Privatgärten leuchtet der Regenbogen auch. „Wir halten zusammen“, soll das signalisieren, erklärt Ralf Reichenberg, als er an einem Mittwochvormittag im Bürgerhaus sitzt. „Wir sind eine Gemeinschaft, das will ich zeigen.“ Und damit stellen sich die Achmühler gegen Bedrohungen von Unbekannten. Die Regenbögen an Bäumen, an Dächern und an Balkonen haben einen ernsten Hintergrund.

ein dorf unter dem regenbogen: drohung gegen „gutmensch“ schweißt nachbarschaft zusammen

Regenbogen-Flagge Achmühle

Ein Dorf versammelt sich unter dem Regenbogen: Drohung gegen „Gutmensch“ geht nach hinten los

Vor einigen Wochen gab es nur einen einzigen Regenbogen in Achmühle. Eine Familie hatte ihn aufgehängt. Danach erhielt sie Drohungen. Vandalen rissen die Fahne ab und nahmen sie mit. Die Täter hinterließen ein Schreiben im Briefkasten, adressiert an „Gutmensch“ – der Inhalt des Briefs: übelst. Der Autor fantasiert von Vergewaltigungen der Tochter des „Gutmenschen“, davon, dass sein Sohn zu Tode getreten und sein Kopf vom Rumpf abgetrennt werde. „Dann musst du dir ganz fest sagen: Ich bin tolerant, ich bin offen, ich bin bunt, ich bin kein Nazi, ich bin gut.“

„Wir waren völlig schockiert“: Drohbrief von Unbekannten schweißt Dorfgemeinschaft zusammen

Das Dorf hat von dem Schreiben erfahren. „Wir waren völlig schockiert“, sagt ein Anwohner, der namentlich nicht genannt werden möchte. „Dieser Brief. Das passt überhaupt nicht zu Achmühle. Das wollten wir nicht hinnehmen.“ Also startete ein Bürger eine Initiative. In einem WhatsApp-Chat, in dem sich viele Nachbarn zusammengeschlossen haben, sammelte er Bestellungen. Er ließ Regenbogenfahnen mit dem Slogan „Achmühle gegen Rechts“ bedrucken.

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Etwa 40 Stück waren es im ersten Anlauf, sagt Ralf Reichenberg. In dem 700-Seelen-Dorf mit etwas mehr als 200 Haushalten „eine ganz gute Zahl, finde ich – und ich weiß, dass einige noch nachbestellt haben“.

Manche fragen, „obs das mit der Regenbogenfahne wirklich braucht“ – Ur-Achmühler findet: Ja.

Reichenberg kennt den Ortsteil seit Jahrzehnten. Seit einigen Jahren kümmert sich der Rentner und Gemeinderat ums Bürgerhaus. Es ist das Zentrum der Nachbarschaft, wenn man so will. Beim Frühschoppen sitzen sonntags mehrere Leute beieinander. „Da kommt schon auch mal die Frage auf, ob’s das mit der Regenbogenfahne jetzt wirklich braucht“, sagt Reichenberg. Er findet: Ja, braucht’s. Als Signal. „Es geht um den Zusammenhalt. Da finde ich das Symbol sehr passend.“

Ein Dorf feiert den Zusammenhalt: In vielen Privatgärten hängt der Regenbogen

Einige hätten sich auch klar dagegen ausgesprochen. „Am Telefon habe ich ein paar solcher Gespräche geführt.“ Wenn jemand gegen die Regenbogenfahnen wettert, fragt Reichenberg nach, wo das Problem liege. „Meist kriege ich darauf keine Antwort.“ Reichenberg weiß, dass nicht jeder, der das Symbol nicht mag, ein Rechter ist. „Aber ich weiß auch, dass es solche Leute überall gibt. Bestimmt auch bei uns in Achmühle.“ Reichenberg selbst verortet sich irgendwo in der politischen Mitte. „Ich bin kein Rechter, aber links würde ich auch nicht sagen.“

Ihm ist wichtig, dass sich das Dorf nicht spalten lässt. Deshalb organisiert er so viele Aktionen im Bürgerhaus. Und deshalb freut er sich auch so, dass viele junge Familien bei der Regenbogenbeflaggung mitgemacht haben. „Das finde ich super. Da heißt es ja immer, dass die sich für nichts mehr interessieren – ich glaube, das stimmt nicht.“

Nach Drohungen haben manche Anwohner Angst – „Aber man muss doch Stellung beziehen“

Seit die Regenbögen in so vielen Privatgärten hängen, ist kaum mehr etwas passiert. Ganz störungsfrei ist das Signal aber auch nicht verlaufen. „Bei einem Nachbarn haben sie die Fahne mal runtergerissen vor ein paar Tagen“, sagt der Anwohner, der anonym bleiben möchte. Angst hat er nicht. „Man muss doch Stellung beziehen.“ Ein ungutes Gefühl habe er manchmal zwar auch. Ein Zeichen zu setzen, ist ihm aber wichtiger.

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