Mateja Meded spricht über „Jugos“ im Kulturbetrieb

mateja meded spricht über „jugos“ im kulturbetrieb

„Durch Humor ist Heilung möglich“: Mateja Meded

Frau Meded, Sie sind Teil der Yugoretten, einer Gruppe von Künstlerinnen aus dem einstigen Jugoslawien, die zum zweiten Mal beim Festival East ein eigenes Programm kuratiert. Seit wann gibt es diese Gruppe, ist sie durch Go East entstanden oder in anderen Kontexten und arbeitet sie, jenseits von der ersten Präsentation 2022, auch anderswo und in anderen Zusammenhängen miteinander?

Leider sind wir keine Gruppe, jedenfalls noch nicht. Mein Traum wäre es einen Verein für Kunst und Kulturschaffende oder ein Netzwerk ins Leben zu rufen, von uns für uns. Doch das ist nicht leicht, weil sich die Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien auch gegenseitig triggern können. Die Konzentrations- und Vergewaltigungslager sind nicht lange her, die Wunden noch offen, die jetzige Politik und Wirtschaft eine Katastrophe in den neuen Ländern, und Kosovo ist für viele ein Reizwort.

Was tun Sie?

Seit mindestens fünf Jahren schreibe ich Theater und andere Institutionen an, damit wir ein Yugoretten-Festival oder ähnliches machen, leider werde ich dann meistens geghostet, außer beim Go East Filmfestival. Vielleicht sind wir für andere Diversitätskulturveranstaltungen zu „weiß“, aber vielleicht liegt es auch daran, dass es keine Jugos auf Leitpositionen von Institutionen gibt, die helfen könnten, feministische Gemeinschaft zu bilden. Wir sind eben einfach nur die „Weißen“, aber ­ohne Privilegien und einflussreiche Community.

Sie sind von Hause aus Schauspielerin und Regisseurin, haben Sie am Theater und im Film Erfahrungen gemacht, die Sie dazu bewegt haben, sich auch kuratorisch und als Autorin zu engagieren?

Als Frau, die 1992 während des Krieges nach Deutschland kommen musste, habe ich eine Zeitlang gebraucht, um meine Identitäten zu finden. Das war nicht leicht, ich bin serbisch, bosnisch und kroatisch, per DNA bin ich somit auch meine eigene Opposition. Und als ich als Schauspielerin angefangen habe zu arbeiten, offenbarte sich mir die Gesellschaft, in der ich lebe, die keine ­Ahnung vom antislawischen Rassismus hat und die ein entweder negatives oder verkitschtes Bild von Menschen mit Fluchterfahrung hat. In dem Moment, wo ich meine Stimme gefunden habe, kamen organisch neue Aufgaben zu mir.

Sie schreiben an einer Stelle, dass Sie alle aus einem Land kommen, das es nicht mehr gibt – ist auch das ein verbindendes Element der Yugoretten? Man hört ja meist eher etwas über das Trennende und die Traumata des Krieges aus dem einstigen Jugoslawien. Was zeichnet Ihren Blick aus?

Fast alle unsere Yugoretten haben einen Jugobezug, doch wir haben auch die Filmemacherin Hoda Taheri und die international arbeitende Filmfestivalprogrammiererin und Leiterin Anne Gaschütz eingeladen, die hervorragend passen, weil Gaschütz im Osten geboren wurde, also auch aus einem Land kommt, das es nicht mehr gibt, und Taheri aus dem Iran kommt und wundervolle Filme über Frauen in Deutschland mit Fluchterfahrung macht. Wie Sie sehen, versuchen wir nicht nur uns zusammen zu bringen, sondern auch andere einzuladen, wenn sich die Themen überschneiden, um auch unsere Horizonte zu erweitern und nicht zu stagnieren. In den Gebieten des damaligen Jugoslawiens gab es in den letzten 80 Jahren zweimal Konzentrationslager, in den Vierzigern und in den Neunzigern, und nicht nur transgenerationales Trauma vererbt sich, sondern auch transgenerationale Weisheit, und das ist die Kraft, die zusammenhält.

Der Name Yugoretten hat auch etwas Humorvolles, ist Ihnen bei aller Schwere der Themen eine gewisse Leichtigkeit auch wichtig?

Der Künstler Adnan Softić hatte die Idee für den Namen, und er passt wie die Faust aufs Auge. Nur durch Humor und Inspiration ist so etwas wie Heilung und ein neues Miteinander möglich, aber natürlich erst dann, wenn von allen Seiten klar und deutlich die Namen der Kriegsverbrecher und Kriegstaten offen genannt und verurteilt werden.

Ursprünglich waren Sie eine rein weibliche Gruppe, ist das weiter so?

Die Anfangsinspiration waren die Frauen der „Antifašistička fronta žena“, später wurden sie Partisaninnen genannt. Es waren selbstorganisierte und multiethnische Frauen, die gemeinsam in den Vierzigerjahren gegen den Faschismus und für eine neue gleichberechtigte Gesellschaft gekämpft haben. In diesem Sinne ist es nur folgerichtig die Gruppe für alle Feministinnen zu öffnen, die für ebendiese Werte stehen.

Wie haben Sie die Themen und Filme gesucht, die Sie diesmal bei Go East vorstellen werden?

„Bigger Than Trauma“, ist eine Dokumentarfilm, der drei Frauen begleitet, bei denen Vergewaltigung als Kriegswaffe eingesetzt wurde und wie sie wieder ins Leben finden,. Dabei wird die Komplexität der Kriegsfolgen und der Frauensolidarität sichtbar. Dann haben wir noch die Film-Meisterwerke „Have you seen this woman“ und „Marble Ass“ und noch ein paar Juwelen, und drei Panels. Wir haben kollektiv als Trio Infernale zusammen gearbeitet, Borjana Gaković ist ein wandelndes Wikipedia, besonders bei Filmen, Filmgeschichte, Filmwissenschaft und so weiter. Und Boris Hadžija ist nicht nur eine großartiger Filmemacher, sondern ebenfalls ein Filmnerd. Unser Fokus lag auf feministischen und queeren Filmen.

Die Fragen stellte Eva-Maria Magel.

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