Nicht mehr tragbar

Manchester United hinkt den Erwartungen hinterher – und Casemiro steht sinnbildlich für die Schieflage des Klubs. Der Brasilianer will, kann aber nicht mehr. Zeitgleich erschwert er die Zeitenwende im Old Trafford.

nicht mehr tragbar

Nicht mehr tragbar

Knapp elf Monate ist es her, dass Manchester United im Vitaly Stadium in Bournemouth gastierte. Damals war es ein sehenswerter Fallrückzieher des anfangs so gescholtenen Neuzugangs Casemiro, der den Weg für Uniteds Rückkehr in die Champions League ebnete. Aus Kritik wurde Lob, das Preisschild des Brasilianers war vergessen, zumindest fürs Erste. Denn in den letzten elf Monaten hat sich wieder einiges geändert.

Wenn die Red Devils heute Abend bei den Cherries (18.30 Uhr im LIVETICKER) auflaufen, ist die Champions-League-Qualifikation schon längst kein Thema mehr – und Casemiro ist zum Problemfall geworden.

„Manchmal kann ich nicht mal schlafen, weil ich darüber nachdenke, was wir anders machen könnten“, zeigte er sich nach dem Unentschieden gegen Liverpool bei ESPN nachdenklich. Es mache für ihn keinen Sinn, an Titel zu denken, man spiele derzeit schließlich nicht einmal um Titel, was beim titelverwöhnten Ex-Madrilenen (fünf CL-Siege) für schlaflose Nächte sorgt.

Auf der anderen Seite ist der 32-Jährige daran nicht ganz unbeteiligt, sorgt er selbst doch für schlaflose Nächte – und das sowohl beim Klub, als auch bei den Fans.

„Casemiro haben seine Beine verlassen“, hatte Liverpool-Legende und TV-Experte Jamie Carragher schon im Oktober betont und damit eines der grundlegenden Probleme des Brasilianers adressiert. Es ist ihm anzusehen, dass er seinen Zenit bereits überschritten hat.

Mit 32 Jahren ist Casemiro körperlich nicht mehr auf dem Level, dass er während seiner Zeit in Madrid innehatte. Insbesondere läuferisch fällt er ab – und fällt damit auf.

Uniteds Spielsystem macht es Casemiro unmöglich

Bei der denkwürdigen Last-Minute-Niederlage beim FC Chelsea war ein Punkt erreicht, an dem Casemiro nicht einmal mehr versuchte, mit Chelseas Stürmer Nicolas Jackson mitzuhalten. Stattdessen ließ er seinen Gegenspieler gewähren und trabte gemächlich hinterher. Mangelnde Geschwindigkeit ist ein häufiges Problem bei alternden Stars, das häufig durch Erfahrung und sinnvolles Stellungsspiel ausgeglichen werden kann.

Prominente Beispiele dafür sind Thiago Silva (39), der die Abwehrreihe der Blues anführt, oder Frankfurts Makoto Hasebe (40), der letzte Saison noch 22 Spiele von Anfang an bestritt. Für Casemiro, der noch deutlich jünger ist, ist das jedoch schlichtweg unmöglich, was nicht an ihm selbst liegt.

Vielmehr sei es Uniteds „unmögliches“ Spielsystem unter Erik ten Hag, bei dem neben Carragher auch zahlreiche weitere Experten nur noch den Kopf schütteln. Eine hohe erste Pressinglinie gepaart mit einer tief stehenden Abwehrreihe lassen in der Zentrale große Räume entstehen, die schlichtweg nicht effektiv zu verteidigen sind. Wenn man dann noch an einem Abfall der Geschwindigkeit leidet, wie Casemiro, macht es das tatsächlich unmöglich.

Kein Wunder, dass die Red Devils in den letzten drei Spielen gegen Brentford, Chelsea und Liverpool unglaubliche 87 gegnerische Torschüsse zuließen.

Casemiros Offensiv-Qualitäten lassen zu wünschen übrig

Was immer man also von ten Hags System halten mag, Casemiro ist einfach nicht dafür gemacht. Anders als zum Beispiel Kobbie Mainoo, der in der Zentrale glänzt, sich allerdings technisch und läuferisch auf einem anderen Level bewegt und verglichen mit Casemiro seine Qualitäten in der Offensive hat.

Dass Casemiro Defensivspezialist ist, ist bekannt, allerdings fiel er in der Offensive zumindest nicht so ab, wie er es zuletzt tat. Gegen Liverpool stellte er mit einer Passquote von 67 Prozent den schlechtesten Wert aller Spieler, leistete sich dazu außerdem noch 16 Ballverluste.

Neben ten Hags System und dem körperlichen Abbau des Brasilianers ist es dann letzten Endes die Intensität der Premier League, die Casemiro auflaufen lässt. Nirgendwo sonst geht es im Ligabetrieb so Hin und Her, nirgendwo sonst spielt Geschwindigkeit eine so entscheidende Rolle.

Man kann dem Brasilianer nicht vorwerfen, dass er nicht will, aber er kann schlichtweg nicht auf seinem alten Level performen. Charakterlich ist der Ex-Madrilene eine Bereicherung für die Mannschaft, setzt den Team-Erfolg an oberste Stelle und färbt mit seiner Erfahrung auf Mitspieler ab.

Casemiro wohl auf der Streichliste von Manchester

Laut der Daily Mail soll sich Casemiro im Januar-Transferfenster schon auf der Abschussliste befunden haben. Insbesondere ein Wechsel zu Ronaldo-Klub Al-Nassr sei ein Thema gewesen, wurde jedoch nie konkret. Der Boulevardblatt Daily Star zufolge sei sogar eine vorzeitige Vertragsauflösung Thema gewesen, was Bände sprechen würde, wie sehr man den Abräumer loswerden will.

„Ein schlechtes Transferfenster kostet dich zwei oder drei Jahre, weil man die Spieler nicht mehr loswird. Casemiro ist das perfekte Beispiel für eine kurzfristige Verpflichtung, die man auf lange Sicht teuer bezahlt“, hatte United-Legende Gary Neville (602 Einsätze) im Podcast Stick to Football erklärt.

Er führte weiter aus: „Diese Verpflichtung hätte nie zustande kommen dürfen. Ein guter Sportdirektor, ein guter Eigentümer oder ein guter Leiter der Transfer-Abteilung hätten das verhindert. Es hätte ein Veto geben müssen.“

Wegen Casemiro: United konnte sich Kane nicht leisten

Wie The Athletic berichtete, soll Casemiro auch entscheidende Rolle gespielt haben, dass die Red Devils letzten Sommer von einem Transfer von Harry Kane absahen.

Dabei ging es nicht nur um seine Ablösesumme von 70 Millionen Euro, die noch um zehn weitere Millionen Euro ansteigen kann, sondern auch um das exorbitant hohe Gehalt des Topverdieners (um die 20 Millionen Euro). Ein Transfer von Kane wäre für United aufgrund der Profit- und Nachhaltigkeits-Richtlinien der Premier League schlichtweg nicht realisierbar gewesen.

Neville behält also Recht, dass United langfristig für den Transfer von Casemiro bezahlt – schließlich steht er noch bis 2026 in Manchester unter Vertrag. Nach der Übernahme von Minderheitseigentümer Sir Jim Ratcliffe und INEOS wurde die Führungsetage ausgetauscht.

Casemiro, dessen Transfer Ratcliffe schon vor seiner Amtsübernahme stark kritisiert haben soll, steht dabei im Mittelpunkt zahlreicher Aufgaben, die es zu bewältigen gilt. Nicht grundlos hatte man sich nach der INEOS-Übernahme von Sportdirektor John Murtough getrennt.

Auf seinen Nachfolger Dan Ashworth und den technischen Direktor Jason Wilcox kommt einiges zu. Im Mittelpunkt bleibt die Personalie Casemiro.

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