Befremdlich vertraut: So lief Caren Miosgas TV-Talk mit AfD-Chef Chrupalla

Der ARD-Moderatorin Caren Miosga gelingt es nur zu einem kleinen Teil, AfD-Chef Tino Chrupalla mehr zu entlocken, als Bekanntes und hinlänglich Eingeübtes.

befremdlich vertraut: so lief caren miosgas tv-talk mit afd-chef chrupalla

Caren Miosga befragte am Sonntagabend AfD-Chef Tino Chrupalla (AfD) © NDR/Thomas Ernst

Wer sich einen AfD-Spitzenpolitiker in eine „Talk-Show“ einlädt, kommt unweigerlich erst einmal ins Plaudern. In freundlichem Ton wie zwischen netten Freunden, die sich seit Langem kennen. Die Atmosphäre im Studio von Caren Miosga wirkt wie ein warmes Wohnzimmer, in dem man sich einfach mal zusammensetzt. Bei dem Gast, der da sitzt, an diesem Sonntagabend, hätte man eher mit einem sachlich-ruhigen Ton gerechnet.

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Doch die Grundfarbe dieses Talk-Abends mit AfD-Chef Tino Chrupalla ist immer wieder fast heiter-amüsiert. Befremdlich vertraut. Im Warmup-Plauderton geht es um Hackepeter in Görlitz. Der Zuschauer erfährt, wieviel Bargeld ihm seine Ehefrau so zum Bezahlen zusteckt. „Bargeld erhalten“, ein Foto mit dem Slogan zur dazugehörigen AfD-Kampagne – gemeinsames Lachen leitet dann plötzlich über zum ersten ernsten Thema.

Dann geht Miosga vergleichsweise hart und hartnäckig zur Sache. Die AfD, die sich gerne aufspielt als Speerspitze gegen angeblich korrupte Politiker, muss damit leben, dass seit Wochen an ihrer Führungsspitze ein Korruptionsverdacht gärt. Ausgerechnet gegen den AfD-Spitzenkandidaten zur Europa-Wahl, den Dresdner Maximilian Krah, und Platz 2 auf der Europa-Liste, Peter Bystron, geht es in dieser für die AfD unangenehmen Sache.

Dass Krah ihn nicht umfassend anfangs informiert habe über das, was das FBI an der Grenze von ihm gewollt und wonach es ihn befragt habe, räumt Chrupalla nach mehrmaligem Nachfragen ein. Noch lägen aber weder bei Krah noch bei Bystron irgendwelche Beweise auf dem Tisch, es gebe keine Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. „Also von daher stelle ich mich – zum Tag heute – hinter diese beiden Kollegen“, sagt Chrupalla. Die typische Floskel der Selbstabsicherung in gerade parteipolitisch besonders unsicherem Gelände.

Miosga hakt nach. Und Chrupalla wird hektisch, redet von Unschuldsvermutung. Aber er wirke nicht besorgt, wundert sich Miosga. „Natürlich besorgt mich das, und natürlich sind wir an Aufklärung interessiert.“ Dann werde man „notfalls reagieren“ und „gegebenenfalls Konsequenzen ziehen“, verspricht Chrupalla. Damit ist er raus.

Recherche bei Wikipedia?

Schnitt, Bruch im Konzept. „Sprechen wir über Sachsen“, sagt Caren Miosga. „Ihr Vater war Malermeister.“ Das stimme nicht, korrigiert Tino Chrupalla sie freundlich. „Ach, Quatsch“, entfährt es der Moderatorin. Sie streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie ein zweites Mal durch schlechte Vor-Recherche peinlich an ihrem Gast abtropft. Aber es stimme doch, dass einer seiner Söhne auch Malermeister sei. Nein, auch nicht. Da habe wohl jemand zu viel Wikipedia gelesen, schmunzelt Chrupalla amüsiert. Vergnügt plaudert Chrupalla los, lobt seine Bodenständigkeit und Erdung als Malermeister, dass er sich über die Sachsen-Fahne freue und wenn er Görlitz sehe. Mehr als ein Punkt für ihn.

Dann darf er noch ausführen, dass er 2017 doch Ministerpräsident Michael Kretschmer den Wahlkreis abgejagt habe. Warum er nicht sächsischer Spitzenkandidat geworden sei? Wieder ein nettes Heimspiel für Chrupalla, der im Zuge dessen dann noch mehrfach die Vorzüge von Sachsens AfD-Landeschef Jörg Urban hervorheben darf. Dass er am Ende doch bereit wäre, im Freistaat mehr Verantwortung zu tragen, wenn es dazu käme, lässt Chrupalla eben auch am Ende mal wieder offen.

befremdlich vertraut: so lief caren miosgas tv-talk mit afd-chef chrupalla

Chrupalla hört sich Miosgas ruhig Fragen an, besonders gut vorbereitet scheint die Moderatorin nicht zu sein. © NDR/Thomas Ernst

Hartnäckig versucht Caren Miosga danach, Chrupalla zu stellen mithilfe des in der AfD weithin verbreiteten kruden Frauenbildes der AfD. Auch diesmal wird das Buch von Europa-Spitzenkandidat Maximilian Krah als Kronzeuge herangezogen. Abfällige Bemerkungen über den Intelligenzquotienten von Frauen, ihre mangelnde Qualifizierung für Spitzenjobs – auch in Krahs Tiktok-Videos ist seine Abfälligkeit gegenüber selbstbewussten, starken, modernen Frauen zu erkennen. „Es hat keinen Geschmack“, lacht Chrupalla über ein in diesem Sinne gestaltetes Piktogramm eines sächsischen AfD-Jungpolitikers. Chrupalla grinst in die Kamera.

Caren Miosga bleibt dennoch hartnäckig dran, lässt Chrupalla da nicht raus, nervt ihn mit weiteren Lese-Proben aus Krahs Werk. Doch die berechtigte Kritik und Empörung der Moderatorin am Frauenbild der AfD tropft ab an der gewohnten Abwiegelungstaktik von Tino Chrupalla. Spätestens nach dem dritten Zitat aus dem Buch von Maximilian Krah. Er finde das auch nicht gut, aber da müsse sie schon Herrn Krah selbst danach befragen. Sie könne ihn ja auch gleich fragen, ob er das Buch selber geschrieben habe. Dass die beiden – Chrupalla und Krah – nicht miteinander können, ist weithin bekannt. Man erträgt sich, funktioniert, jeder auf seinem Platz.

Die Hälfte der Sendung ist da schon rum, als der frühere Siemens-Manager Joe Kaeser und Nadine Lindner vom Deutschlandfunk mit in die Sendung kommen. Es geht um Fachkräftemangel, Geburtenrate und Zuwanderung. „Wäre es nicht viel besser, wenn unser Land offen ist, wenn es einlädt, hierher zu kommen. Das ist ein Erfolgsfaktor, und das darf sich auf keinen Fall ändern.“

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Miosga mit ihren Gästen: Joe Kaeser (l), Tino Chrupalla (AfD) und Nadine Lindner © NDR/Thomas Ernst

Man beharkt sich, auch als es um den Europa-Kurs geht. Dann geht es wieder zurück zum Frauenbild. Letztlich hält die Sendung gerade in dieser Passage aber nicht, was die Moderatorin im Anfangs-Trailer versprochen hatte. „Zwischen Kreml-Nähe und Rechtsextremismus – wofür steht die AfD?“ Die entscheidenden Fragen wurden dazu nicht gestellt.

Und da fragt man sich, warum nicht einfach mal jemand an einem Montagabend in Dresden war, um sich anzuhören, was dort seit Jahren bei Pegida-Versammlungen gegen Ausländer, Zuwanderung und Weltoffenheit gehetzt wird. Immer wieder gerne mit Gast-Rednern aus AfD-Reihen.

Zuletzt von Björn Höcke und AfD-Landeschef Jörg Urban. Alles nur verbale Ausreißer? Die Talk-Show verhallt und hinterlässt noch am nächsten Morgen ein schlechtes Gefühl, dass solche Interviews zwar sein müssen, aber so nicht laufen sollten.

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