Mai-Demo-Anmelder organisierte auch Kundgebung für RAF-Terroristen

Die 1. Mai-Demonstration soll erneut mitten durch Neukölln führen. In einer internen Lagebewertung rechnet die Polizei mit örtlich begrenzten Ausschreitungen. Besonders der Nahost-Konflikt könnte die Lage eskalieren.

mai-demo-anmelder organisierte auch kundgebung für raf-terroristen

Protest zum 1. Mai in Berlin im Jahr 2022. Die Polizei rechnet auch dieses Jahr wieder mit Ausschreitungen REUTERS/LISI NIESNER

In diesem Jahr ist die linksradikale 18-Uhr-Demonstration am 1. Mai eher ein Rundkurs. Und er führt mittendurch Berlin-Neukölln. Er startet am Südstern in Kreuzberg, führt über den Hermannplatz, die Karl-Marx-Straße, Fuldastraße und die Sonnenallee. Danach geht es wieder zurück zum Südstern. WELT liegt die behördeninterne Lageeinschätzung der Polizei vor.

Angemeldet wurde die Demonstration für 5000 Leute von einer Privatperson. Nach Informationen von WELT hat es zwischen dem Anmelder und der Polizei bereits Gespräche gegeben, ob die Wegstrecke geändert werden kann. Bislang gibt es dazu allerdings keine Entscheidung.

Denn die geplante Strecke ist brisant. In den vergangenen Jahren und besonders nach dem 7. Oktober und dem Überfall der Hamas auf Israel war es auf der Sonnenallee zu tagelangen Ausschreitungen und gezielten Attacken auf die Polizei gekommen.

„Neukölln als Austragungsort des diesjährigen 1. Mai ist dabei eine bewusste politische Entscheidung“, hatten die Veranstalter angekündigt. Im gleichen Atemzug sprechen sie von „Palästina-Solidarität“. Bei der Berliner Polizei gibt es deshalb die Befürchtung, dass es auf der Neuköllner Sonnenallee erneut zu Ausschreitungen kommen könnte.

Der Anmelder ist polizeibekannt und hatte bereits in den vergangenen Jahren Mai-Demonstrationen angemeldet. Zuletzt hatte er Anfang März eine Solidaritätskundgebung für die verhaftete mutmaßliche RAF-Terroristin Daniela Klette organisiert. Titel: „Stoppt den Staatsterrorismus. Solidarität mit den Untergetauchten und Gefangenen“.

Zur 18-Uhr-Demonstration rufen mehrere linke bis linksextreme Bündnisse auf. Themenschwerpunkte sieht die Polizei beim Nahost-Konflikt, dem Verbot des palästinensischen Gefangenennetzwerkes Samidoun, steigenden Mieten, der Festnahme der ehemaligen mutmaßlichen RAF-Terroristin Daniela Klette und Klima- und Umweltpolitik.

Der Aufzug beim 1. Mai folgt immer Choreografie mit festgelegten Marschrouten und Blöcken. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden wird es mehrere Blöcke geben: einen Antikriegsblock der „Migrantifa“, einen antifaschistischen Block, einen klassenkämpferischen Block und einen feministischen Block. Die Polizei rechnet mit Stein- und Flaschenwürfen und einer Frontblockbildung von palästinensischen Gruppen.

In einer Mitteilung zur Demonstration mit dem Titel „Konzerne enteignen! Kriegstreiber entwaffnen! Kapitalismus zerschlagen!“ heißt es von den Veranstaltern, 40.000 ermordete Palästinenser „stellen nicht zuletzt auch die Bundesregierung an den Pranger, welche die Waffenlieferungen an Israel erhöht“. Auf dem Plakat zur Demonstration trägt die Frau im Vordergrund ein Palästinenser-Tuch. Die Terrororganisation Hamas wird nicht erwähnt.

Laut Szenebeobachtern gibt es in der linksextremen Szene aber Uneinigkeit über die Ausrichtung der Demonstration. In den sozialen Medien kritisierten reichweitenstarke linksextreme Accounts die Abkehr von der ehemals autonomen Ausrichtung des 1. Mai.

Polizei rechnet mit Teilnehmerzahl im fünfstelligen Bereich

Denn bereits den vergangenen Jahren wurde die Nahost-Frage immer präsenter beim 1. Mai. Immer wieder kam es zu antisemitischen Sprechchören. Gruppen wie die „Migrantifa“ stellte eigene Blöcke auf den Demonstrationszügen. In diesem Jahr ist unter den Veranstaltern auch „Young Struggle“, die sich in den letzten Monaten klar antiisraelisch positioniert hat und auf entsprechenden Veranstaltungen präsent war.

Auch im vergangenen Jahr war es beim 1. Mai zu antisemitischen Zwischenfällen gekommen. So skandierten Anhänger des inzwischen verbotenen palästinensischen Gefangenennetzwerkes Samidoun antisemitische Sprechchöre, darunter „From the river to the sea“. Der Slogan spricht Israel das Existenzrecht ab. Bei dem Aufzug im vergangenen Jahr stellten die Palästinenser einen eigenen Block. Laut Polizei nahmen zunächst 4000 Personen an der Demonstration teil, in der Spitze waren bis zu 12.000.

In Vorbereitungstreffen für die diesjährige Demonstration des ebenfalls linksextremen Zusammenschlusses „Der Preis ist heiß“ wurde neben Inflation und Gentrifizierung auch darüber diskutiert, ob Klimathemen eine größere Rolle spielen sollten.

Im vergangenen Jahr wurde Pyrotechnik abgebrannt und Farbbeutel, Eier und Flaschen auf Polizisten, eine Bankfiliale und die Polizeiwache am Kottbusser Tor geworfen. Am Ende der Demonstration kam es zudem zu Beleidigungen, Körperverletzungen, tätlichen Angriffen und Versuchen der Gefangenenbefreiung.

Auch in diesem Jahr rechnet die Polizei wieder mit lokal begrenzten Ausschreitungen. Zudem führt der Protestzug – sollte die Strecke nicht geändert werden – wieder an mehreren Reizobjekten der linksextremen Szene vorbei. Darunter etwa das Bezirksamt und Amtsgericht Neukölln, mehrere Polizeigebäude, Banken und Neubauprojekte.

Die Polizei rechnet laut internen Einschätzungen mit einer „regen“ Teilnahme der linken und linksextremen Szene, mindestens im fünfstelligen Bereich.

Dynamik könnte die Lage auch noch auf einem anderen Feld gewinnen. Vor einer Woche war es zu einer Attacke von mehreren Linksextremen auf einen rechtsextremen Aktivisten der Kleinstpartei III. Weg gekommen. Die Ermittlungen der Sicherheitsbehörden führen auch in die linksextreme Szene nach Leipzig und der Gruppierung um Lina E. In Berlin hat es nach der Attacke mehrere Hausdurchsuchungen gegeben. Die Befürchtung ist, dass die Lage sich weiter hochschaukeln und es zu erneuten Attacken kommen könnte.

Szenebeobachter rechnen damit, dass die Demonstration vorzeitig aufgelöst werden wird. Das war bereits in den Vorjahren der Fall. Die linksextreme Szene will so vermeiden, in Kontrollen der Polizei zu geraten, wo Personalien festgestellt werden könnten. Entlang der Strecke werden auf den Häuserdächern vermutlich auch vermummte Personen Pyrotechnik abbrennen. Die Polizei rechnet zudem damit, dass das propalästinensische Klientel negativ auf die Presse reagieren könnte.

Die Polizei wird wohl mit mindestens ebenso vielen Leuten auf den Straßen in ganz Berlin präsent sein wie vor einem Jahr, also mit 5500 Polizisten oder mehr. Voraussichtlich wird die Demonstration genaue Ansagen erhalten, welche palästinensischen Transparente und Parolen verboten sind, Dolmetscher werden das überwachen.

Bei der Planung des Einsatzes wird die Polizei auf die Erfahrungen aus den letzten aggressiven Groß-Veranstaltungen zurückgreifen: den letzten Silvesternächten in Neukölln, dem vergangenen 1. Mai und den propalästinensischen Krawallen nach dem 7. Oktober.

Wir sind das WELT-Investigativteam: Sie haben Hinweise für uns? Dann melden Sie sich gerne, auch vertraulich – per E-Mail oder über den verschlüsselten Messenger Threema (BNJMCK4S).

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World