Lokalpolitiker zerlegen die Ampel: „Werden allein gelassen“

lokalpolitiker zerlegen die ampel: „werden allein gelassen“

Bei Markus Lanz sorgen mehrere Lokalpolitiker für eine erfrischende Analyse der Lage in Deutschland.

Wer verstehen will, warum in Deutschland gerade politisch und wirtschaftlich so vieles so schief läuft, der sollte sich den neuesten TV Talk von Markus Lanz ansehen. Der Moderator hatte in dieser Woche Kommunalpolitiker eingeladen, um mit ihnen über die Praxis der Politik zu reden – wo es hakt, warum es hakt.

Das war erfrischend, denn die Analyse jener Menschen, die sich an der Basis mit den Alltagsproblemen herumschlagen, die fällt quer durch die Regionen und über die Parteigrenzen hinweg relativ frei von ideologischem Ballast und vielfach einmütig aus: Die Ampel regiert abgehoben, sie hat die Mitte aus dem Blick verloren – und entscheidet auf der Basis von Wunschdenken und nicht entlang der Realität. Wobei man auch anmerken sollte, dass dies kein Alleinstellungsmerkmal der Ampel ist, sondern bereits bei den Vorgängerregierungen nicht anders war.

Markus Lanz: Lokalpolitiker werden deutlich

Wir müssen uns also ehrlich machen, wie das Neudeutsch so schön heißt. Und das macht die Runde bei Lanz wacker – und vom Start weg zählten die vier im Chor Beispiele auf, die deutlich machten: In Berlin werden Dinge beschlossen, von denen man eigentlich wissen müsste, dass sie nicht umsetzbar sind: Landrätin Bettina Dickes (CDU) aus Bad Kreuznach führt das neue Ganztagsfördergesetz an, mit dem jedem Grundschulkind das Recht auf Ganztagsbetreuung zugesprochen wird.

Dazu schreibt das Bundesministerium: „Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung, der ab 2026 stufenweise eingeführt wird, umfasst einen Betreuungsumfang von acht Stunden an allen fünf Werktagen inklusive der Unterrichtszeit und der Ferien.“ Dazu sagt Landrätin Dickes: „Die Kommunen wissen nicht, wie sie das schaffen sollen.“ Und wer die Situation beim Thema Ganztagsbetreuung derzeit als Eltern erlebt, der ahnt: Nein, das wird ganz sicher nicht klappen. Es klappt ja heute schon nicht.

Die Verkehrwende existiert nur in Reden

Das Beispiel ist eines von vielen: In Berlin wird die Verkehrswende, höhere Taktzahlen im ÖPNV und die Elektrifizierung von Bussen versprochen. Die Kommunen wissen nicht, wovon sie das alles bezahlen sollen, ohne dass Tickets 10 Euro für die einfache Fahrt kosten. Felix Schwenke (SPD), OB von Offenbach führt die Ausweitung der Wohngeldzahlung an, die so kurzfristig gekommen sei, dass die Kommunen hoffnungslos überfordert gewesen seien mit der Umsetzung. Vielleicht hätte es geklappt, wenn die Kommunen digital auf der Höhe wären. „Wir sind aber digitale Neandertaler in Deutschland“, so Schwenke.

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Katja Wolf (früher Linke, heute BSW), OB in Eisenach verweist auf die eingebrochenen Baugenehmigungen. Vergangenes Jahr habe ihre Stadt sagenhafte 11 Genehmigungen erteilt, nach 180 in den Vorjahren. Sicher sei ein Teil der Rückgänge auf die Inflation zurückzuführen, aber der Einbruch am Bau sei vor allem auf überbordende Klimaschutzauflagen zurückzuführen.

Die Dinge lassen sich fortführen. Die Runde war sich einig: Alles, was die Ampel, beschlossen hat, das klingt erstmal gut. Zur Ausführung kommen dann regelmäßig wohlfeile Worte, so die parteilose Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier, aber sonst nicht viel. „Die Kommunen werden allein gelassen“. Und es geht weiter mit Kita-Pflicht, Wärmeplanung, Integration, Flüchtlingsunterbringung. In Berlin, so der Tenor der Runde, wird „Wünsch-Dir-was-Politik“ betrieben. Gerne auf Kosten anderer: Das Wachstumschancengesetz verspricht Steuererleichterungen für Unternehmen – bezahlt werden solle das über die Gewerbesteuer der Kommunen. „Die geben unser Geld aus“, moniert Schwenke.

Kritik bei Lanz: Es wird das Blaue vom Himmel versprochen – und endet in Enttäuschung

Und das sei letztlich gefährlich, sagt der Offenbacher Schwenke: „Es wird das Blaue vom Himmel versprochen“ – und eine Erwartungshaltung beim Bürger geschürt, die dann enttäuscht wird. Der Bürger erlebt jeden Tag das Gegenteil des Angekündigten: Der ÖPNV soll ausgebaut werden – aber der Bus fährt nicht, weil Fahrer fehlen, das Bildungssystem soll besser werden – aber die Klassen platzen aber aus allen Nähten und die Schulen sind in erbärmlichen Zustand. Wir brauchen Zuwanderung – schaffen aber die Integration der Zugewanderten nicht, weil an allen Ecken und Enden nur der „Mangel verwaltet wird“ (Dickes).

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Und gleichzeitig ersticken wir an Bürokratie, wie Landrätin Dickes am Beispiel des Bundesteilhabegesetzes deutlich macht: Es soll dafür sorgen, dass Menschen mit Beeinträchtigungen besser integriert werden, zum Beispiel im Berufsleben. Dickes‘ Erfahrung: Es ist unendlich mehr Papierkrieg entstanden – ohne dass dem einzelnen tatsächlich geholfen werde.

Der Wunsch: Mehr Bodenhaftung – und auf die Mitte schauen

Und hat die Runde auch eine Lösung fürs Problem. Ja, ganz eindeutig. Katja Wolf analysiert den Grund für die wuchernde Bürokratie: „Wir wollen alles immer perfekter machen, jeden Einzelfall berücksichtigen“ – das führe aber letztlich zu einer Unbeweglichkeit im Handeln.

Die Regierung möge Politik bitteschön auf der Basis der gegebenen Realitäten betreiben und den Blick wieder auf die gesellschaftliche Mitte lenken, auf die Mehrheit der Menschen, die arbeitet, verheiratet ist, Kinder großzieht, den Staat trägt. Die habe, so spiegeln es alle vier in der Runde wieder, vielfach den Eindruck, dass man sich in Berlin um jede Randgruppe und deren Interessen kümmert, nur um sie nicht. Und wenn das so ist, könnte das den wachsenden Unmut erklären.

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