Produktion von Coca-Cola in Spanien data-portal-copyright=
Die Rohstoff- und Energiepreise erhöhen den Druck auf die Nahrungsmittelfirmen. Deutsche Konzerne wie Siemens wollen dabei helfen, die Produktion besser zu automatisieren. Wie geht das?
In der Produktionshalle von Coca-Cola Europacific Partners in Sevilla laufen die Maschinen auf Hochtouren. Mehrere Hundert Millionen Liter Limonade und Energydrinks können hier auf 94.000 Quadratmetern im Jahr in atemberaubender Geschwindigkeit in Flaschen und Dosen abgefüllt, automatisch etikettiert und auf Paletten verschweißt werden.
Die Effizienz ist enorm: Um die CO2-Neutralität bis 2040 zu erreichen, hat Direktorin Belén Barreiro ein neues Energiemanagement-System eingerichtet. An 225 Datenpunkten ließ sie Sensoren installieren. Die Effizienz der zwölf Produktionslinien kann nun permanent überwacht und miteinander verglichen werden.
Energiefresser und Leckagen werden schneller entdeckt. „Das zahlt in erster Linie auf unsere Nachhaltigkeitsstrategie ein“, sagt Barreiro. Dass auch die Energiekosten sinken, sei ein positiver Nebeneffekt.
Ob wegen des Klimawandels, des Fachkräftemangels oder der hohen Energiekosten: Die Lebensmittelhersteller stehen unter enormem Druck, ihre Prozesse effizienter zu gestalten. „Automatisierung ist derzeit das Megathema in der Lebensmittelindustrie“, sagt Ivica Kolaric, der das Geschäftsfeld Prozessindustrie am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung leitet. Die Branche sei sehr energieintensiv, zum Beispiel weil die Rohstoffe oft permanent gekühlt werden müssen.
Hinzu kämen Tätigkeiten wie Rühren, Heizen und Lagern. „Dadurch wird es bei den gestiegenen Energiepreisen sehr teuer.“ Daher sei Effizienz besonders wichtig. Für die Entnahme von Proben zum Beispiel für die Qualitätskontrolle müsse die Produktion oft noch unterbrochen werden. Mithilfe von Inline-Sensorik und Künstlicher Intelligenz solle dies künftig verstärkt im laufenden Prozess erfolgen. „Das Ziel ist es, die Tot- und Umrüstzeiten zu minimieren.“
///Millionenschwere Investitionen notwendig // .
Doch all das kostet erst einmal Geld. Man sehe derzeit – wie im Fall von Coca-Cola – bereits die ersten „großen richtungsweisenden Investitionen in der europäischen Getränkeindustrie“, sagte Christoph Klenk, Chef des weltgrößten Abfüllanlagen-Herstellers Krones, dem Handelsblatt. Noch seien manche Unternehmen wegen des unsicheren Umfelds zurückhaltend. „Andere Regionen sind da mutiger.“ Auch in Europa werde es bald zu einer Modernisierungswelle kommen.
Das glaubt auch Siemens-Industrievorstand Cedrik Neike. Die Münchener sind bei der Automatisierung der Industrie Weltmarktführer. In der diskreten Fertigung ist die Position besonders stark, im Geschäft mit der Prozessindustrie gibt es noch Nachholbedarf.
Siemens könne digitale Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette bereitstellen, sagte Neike dem Handelsblatt. Durch die Optimierung des Prozesses – von der Rezeptur über die Produktion bis hin zur Verpackung und dem Versand – könnten die Hersteller Ökostandards schneller, kostengünstiger und umweltschonender erreichen – und gleichzeitig ihre Effizienz steigern. „Der Bedarf an solchen Lösungen in der Industrie wird in Zukunft weiter zunehmen.“ Siemens wolle das Marktwachstum „aktiv mitgestalten“.
Gerade bei bestehenden Fabriken mittelständischer Unternehmen könne die Produktivität und Energieeffizienz noch deutlich verbessert werden, sagt Fraunhofer-Experte Kolaric. „Das Einsparpotenzial liegt sicher im Schnitt bei 20 bis 30 Prozent.“ Fernziel sei eine vollautomatisierte Produktion, die Verschwendung vermeide und die Rohstoffe möglichst effizient nutze.
///Beispiel Olivenöl: Nachverfolgbarkeit wird immer wichtiger // .
Ein Konzern, der schon viel investiert hat, ist Deoleo. Dem weltgrößten Produzenten von Olivenöl gehören Marken wie Bertolli und Koipe. Zuletzt verkaufte der Konzern 176 Millionen Liter im Jahr. Hauptherausforderung ist es, bei einem sensiblen Produkt wie Olivenöl eine gleichbleibende Qualität hinzubekommen – erst recht, wenn wie im vergangenen Jahr Öl aus aller Welt zugekauft werden muss, weil bewährte Lieferanten aus Spanien wegen der Trockenheit teilweise ausfielen.
In der Fabrik in Córdoba nutzt Deoleo auf Basis der Siemens-Software Opcenter einen digitalen Zwilling, also ein virtuelles Abbild der kompletten Fertigung. Jede Probe, jeder Prozessschritt kann so verfolgt und optimiert werden. Die CO2-Emissionen konnten so zuletzt um 2350 Tonnen reduziert werden.
„Mit dem digitalen Zwilling lassen sich Betriebsszenarien simulieren und Sicherheit und Effizienz genau bewerten“, sagte Felix Seibl vom ZVEI. Der Branchenverband der Elektronikindustrie schätzt, dass in der Prozessautomation noch 40 Prozent mehr Rohstoff- und Energieeffizienz möglich ist.
Auch die Kunden der Deoleo-Marken können neuerdings einen QR-Code scannen und herausfinden, von welcher Plantage die Oliven für ihr Öl stammen. Eine engere Vernetzung über die Werksgrenzen hinaus zum Beispiel mit den Zulieferern werde in der gesamten Lebensmittelindustrie immer wichtiger, sagt Fraunhofer-Experte Kolaric. Andere Sektoren seien da teilweise schon weiter.
Wenn in einer hochautomatisierten Autofabrik eine mechatronische Komponente benötigt werde, werde sie auf Zuruf gefertigt und sei binnen Stunden verfügbar. Auch die Lebensmittelindustrie wolle ihre Zulieferketten synchronisieren. Fraunhofer entwickelt dazu gerade ein KI-basiertes Auftragsbuch. Ein digitaler Zwilling von Weide oder Plantage könnte so einmal über die Verfügbarkeit der Rohstoffe informieren, wenn die Großbestellung eines Kunden eingehe.
///Beispiel Hopfenanbau: Automatisierung ermöglicht Indoorfarming // .
Die Branche hofft zudem, mithilfe von Automatisierung neue Felder zu erschließen. In einer kleinen, aber hohen Halle bei Madrid wächst in einem Labor Hopfen in die Höhe. LED-Lampen beleuchten in Blau und Lila die Szenerie, Dampf liegt in der Luft. Sensoren analysieren rund um die Uhr CO2-Gehalt, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und andere Parameter. Wasser, Licht und Nährstoffe werden automatisiert gegeben.
Hopfen gedeiht bislang nur in wenigen Regionen der Welt. 80 Prozent der weltweiten Ernte kommen darum aus den USA und Deutschland. Denn die Pflanze braucht viel Wasser, eine hohe Dosierung von Kalium, Phosphat und Stickstoff sowie viel Licht.
In der Hopfenfabrik des Start-ups Ekonoke bei Madrid sind nun bis zu vier Ernten im Jahr möglich. „Man kann zum Mittagessen gehen, kommt wieder, und der Hopfen ist ein Stück gewachsen“, sagt Laborantin Marta Ruiz. Menschliches Eingreifen sei im Grunde erst bei der Ernte notwendig. Noch findet eine automatische Bilderkennung die Hopfendolden nicht, es fehlt die notwendige Datenbasis.
Vertical Farming als Vision gibt es schon lange. Dahinter steckt die Idee von mehrstöckigen Gebäuden, in denen kultivierte Landwirtschaft betrieben wird. In den Klimakammern der TU München zum Beispiel reift Getreide sechsmal so schnell wie auf dem Feld und verbraucht einen Bruchteil des Wassers.
Allerdings hat sich die Euphorie etwas gelegt. Die Berliner Firma Infarm, die als erstes deutsches Lebensmittel-Start-up mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet worden war, geriet in Schwierigkeiten und musste ihre Wachstumsziele kappen. Das Unternehmen verwies unter anderem auf die hohen Energiepreise. Indoorfarming braucht oft viel künstliches Licht und Wärme.
Die Probleme bei Infarm hätten dem ganzen Sektor geschadet, sagt Ekonoke-Chefin Sagrario. Das Geschäftsmodell habe nicht funktioniert, daher habe man umgedacht: Man wolle nicht Hopfen produzieren und dann am Markt verkaufen. Man suche sich einen Partner wie eine Brauerei, der sich an den Investitionen von etwa fünf Millionen Euro pro Fabrik beteilige und fester Abnehmer sei. „Das reduziert das Risiko.“ Als Investor ist daher die Hijos-de-Rivera-Brauerei (Estrella Galicia) mit dabei. Auf den Einsatz von Pestiziden könne Ekonoke ganz verzichten.
Nach ersten Pilotanlagen soll die erste Fabrik mit 10.000 Quadratmetern im spanischen Arteixo gebaut werden. Ob sich das Geschäftsmodell durchsetzt, wird sich dann erst zeigen. Indoor-Hopfen dürfte aktuell etwa doppelt so teuer sein wie konventioneller, und liegt damit etwa auf dem Niveau von Biohopfen.
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