Superreiche in Davos: "Bitte besteuert uns"

Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos fordern mehrere Superreiche in einem offenen Brief, höher besteuert zu werden, um soziale Ungleichheit zu bekämpfen. Der Appell ist nicht neu. Doch warum geschieht das nicht?

Die deutsch-österreichische Millionenerbin Marlene Engelhorn gehört zu den Unterzeichnern des offenen Briefes in Davos

“Wir sind überrascht, dass Sie es nicht schaffen, uns eine einfache Frage zu beantworten, die wir Ihnen schon seit drei Jahren stellen: Wann werden Sie extremen Reichtum besteuern?” Die Frage stammt von den Teilnehmern der Online-Kampagne “Proud to pay more” – und sie richtet sich an die führenden Staats- und Regierungschefs auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Am Mittwoch haben die Aktivisten dort einen offenen Brief übergeben – mit einer Forderung nach weltweit höheren Abgaben für Superreiche.

“Rückkehr zur Normalität”

Das Besondere: Die Teilnehmer der Kampagne gehören selbst zu den reichsten Menschen der Welt. 260 Milliardäre und Millionäre haben sich zusammengeschlossen, um dagegen zu protestieren, dass die weltweite soziale Ungleichheit immer weiter zunimmt. Sie habe einen “Kipppunkt erreicht”, schreiben die Initiatoren, “die Kosten für unsere wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Stabilität sind enorm – und sie wachsen täglich weiter. Kurz: Wir müssen jetzt handeln!”

Ihre Forderungen seien nicht radikal, sondern eine “Rückkehr zur Normalität.” “Extremer, unproduktiver Reichtum” könne so in eine “Investition in unsere demokratische Zukunft” verwandelt werden.

Zu den Unterzeichnern dieser Kampagne gehören etwa Valerie Rockefeller, Abigail Disney oder die Österreicherin Marlene Engelhorn, deren Familie einst den deutschen Chemiekonzern BASF gründete. Sie alle haben den größten Teil ihres millionenschweren Vermögens geerbt, ohne dafür gearbeitet zu haben. Und sie alle finden dies nicht in Ordnung.

Engelhorn, die kritisierte, dass es in Österreich keinerlei Erbschaftssteuer gibt, machte jüngst sogar Schlagzeilen damit, 25 Millionen Euro aus ihrem Erbe an die Gesellschaft “rückverteilen” lassen zu wollen. Auf ihre Initiative hin wird derzeit ein “Bürgerrat” zusammengestellt, der über die genaue Verwendung des Geldes “im Sinne der Allgemeinheit” entscheiden soll.

Reiche werden immer reicher

Tatsächlich geht die Schere zwischen Arm und Reich weltweit auseinander. Dem “World Inequality Report 2022” zufolge ging vom gesamten Privatvermögen, das seit Mitte der 1990er Jahre angehäuft wurde, über ein Drittel an diejenigen, die sowieso schon zum reichsten Prozent der Menschheit gehören. Demgegenüber bekam die Hälfte der Weltbevölkerung, nämlich die ärmsten vier Milliarden Menschen, zusammen nur zwei Prozent des zusätzlichen Wohlstandes ab. Im Jahr 2020, nach Ausbruch der COVID-Pandemie, war der Anteil der Milliardäre am Weltvermögen so stark gestiegen wie nie zuvor.

International hat es bereits mehrere Anläufe gegeben, solche extrem großen Vermögen höher zu besteuern. So hatte US-Senatorin Elizabeth Warren im US-Präsidentschaftswahlkampf 2019 die Einführung einer Reichensteuer für Vermögen ab 50 Millionen US-Dollar vorgeschlagen.

Hohe Hürden für höhere Steuern

Doch die politische Umsetzung ist gar nicht so einfach. “Die Unterzeichner der Petition in Davos sind vor allem Erben, die nicht aktiv ein Unternehmen führen und sich deshalb unwohl fühlen mit dem großen Reichtum, den sie sich nicht selbst aufgebaut haben”, erklärt Stefan Bach, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. “Das sind eher einzelne Stimmen.”

Die große Mehrheit der Superreichen halte sich da eher zurück. Im Gegenteil sei der politische Widerstand der Unternehmensverbände hoch, die durch ihre Lobbyarbeit bis in höchste politische Kreise gut vernetzt seien. In Deutschland ist das vor allem der Verband der Familienunternehmen.

“Die meisten sehr großen Vermögen sind unternehmerisch gebunden”, so Bach. Höhere Steuern, argumentieren die Verbände, könnten Investitionen und Arbeitsplätze gefährden oder sogar dazu führen, dass ein Erbe die Unternehmensnachfolge gar nicht erst antritt. “Damit werden die politischen Debatten zu Vermögens- oder Erbschaftssteuern weitgehend erstickt”, so Bach.

Nationale Initiativen chancenlos?

Überhaupt ist ein nationaler Alleingang bei der Besteuerung extrem hoher Vermögen schwierig. “Größere, international aufgestellte Unternehmen oder auch die Superreichen spielen alle auf der Klaviatur des internationalen Steuerrechts”, so Bach. Milliardäre könnten relativ problemlos ihre Wohnsitze ins steuergünstigere Ausland verlagern. “Und wenn am Ende nur der wackere deutsche Mittelständler geschröpft wird, der dem Standort die Treue hält, seinen Kopf hinhalten muss, dann ist ja auch nichts dabei gewonnen.”

Hat gut lachen: Elon Musk ist einer der reichsten Menschen der Welt, zahlte aber jahrelang als Privatperson kaum Steuern

Dabei, sagt Bach, sei es schon möglich, mit einem Mix aus Steuererhöhungen zusätzliche Gelder für die Staatskassen zu generieren, ohne dass größere wirtschaftliche Schäden entstehen. “Aber das sollte man am besten international abgestimmt machen”, so der Steuerexperte. Und tatsächlich hatte es im Jahr 2021 bereits erste Erfolge gegeben, um die Steuerflucht großer Konzerne einzudämmen. Über 130 Länder, die gemeinsam für 90 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung stehen, hatten sich auf einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent für Unternehmen verständigt. So wollen sie unterbinden, dass internationale Großkonzerne einfach in steuerlich günstigere Länder abwandern. Bereits im vergangenen Jahr haben mehrere EU-Parlamentarier einen ähnlichen Vorstoß für eine globale Mindeststeuer auf extrem hohe Privatvermögen gemacht.

Im Vordergrund Favela, im Hintergrund Wirtschaftsmetropole: Nicht nur in der brasilianischen Millionenstadt Sao Paulo hat die Vermögensungleichheit immer mehr zugenommen

Stefan Bach aber glaubt nicht, dass diese in naher Zukunft kommen wird – was auch am generellen Rechtsruck in Europa liegen dürfte. “Es gibt ja quasi keine linken Mehrheiten mehr”, sagt Bach. Bei steuerpolitischen Maßnahmen müsse man immer konservative oder liberale Parteien mitnehmen, die aber von Hause aus eher unternehmerfreundlich sind. In Deutschland, ist Bach überzeugt, werde daher “auf absehbare Zeit da nichts passieren. Und international ist es noch ungleich schwieriger, so etwas abzustimmen.”

Autor: Thomas Latschan

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