Koalitionen: Union und FDP treffen sich in Geheimrunden

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Jens Spahn data-portal-copyright=

Öffentlich gehen sich Union und FDP hart an. Hinter den Kulissen schmieden führende Vertreter bei Fingerfood und Drinks ein schwarz-gelbes Bündnis.

Johannes Vogel und Jens Spahn schenken sich vor laufender Kamera nichts. Erst kürzlich wetterte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion in einer Talkshow gegen die unionsgeführten Regierungen der 16 Jahre ab 2005.

„Wenn man große Herausforderungen nicht rechtzeitig angeht, dann holen sie einen als Versäumnis ein“, schob Vogel die Verantwortung für die schlechte Wirtschaftslage zum früheren CDU-Minister. Spahn keilte zurück. Während „irgendwelche Geschichten erzählt werden von 16 Jahren“, streite die Ampelkoalition „seit zwei Jahren jeden Tag“.

Im Schatten der Scheinwerfer, rund sieben Kilometer von Berlins Mitte entfernt, arbeiten Spahn und Vogel längst am schwarz-gelben Schulterschluss. Auf ihre Initiative trafen sich kürzlich rund ein Dutzend Liberale und ein Dutzend Unionisten zu einer vertraulichen Abendrunde im „Berliner Salon“ des Unternehmers Harald Christ, wie mehrere Teilnehmer dem Handelsblatt bestätigten. Bei Fingerfood und kühlen Getränken plauderten die vorwiegend jüngeren Bundestagsabgeordneten bis in die Nacht.

Es war das zweite Mal, dass Spahn und Vogel persönlich eingeladen hatten. Zu der Runde zählen bewusst keine liberalen Minister, wohl aber wurde FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai gesichtet wie auch Fraktionsvize Konstantin Kuhle.

Aufseiten der CDU nahmen neben CDU-Präsidiumsmitglied Spahn Parteivizin Silvia Breher teil, der nordrhein-westfälische CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak und der ehemalige Chef der Jungen Union, Tillman Kuban. Auch Ex-Ministerin und CDU-Schatzmeisterin Julia Klöckner und CSU-Vizin Dorothee Bär waren dabei.

///Rein privat und streng vertraulich // .

Offiziell will sich niemand aus der Union oder der FDP äußern, selbst ihre Teilnahme bestätigen die wenigsten auf Nachfrage. Die Treffen der Runde seien rein privat und streng vertraulich. Einen Namen hat der Kreis nicht, es gibt auch keine feste Mitgliederliste.

Die Runde trifft in der FDP einen Nerv. Angesichts der Dauerstreite mit Sozialdemokraten und Grünen wächst bei vielen Liberalen die Sehnsucht nach Schwarz-Gelb. Ein Ausscheiden aus der Ampelkoalition vor der Bundestagswahl 2025 ist zwar unrealistisch. Doch gelte es bis dahin, Abstand von Rot-Grün zu halten und in den Umfragen wieder über die alles entscheidende Fünf-Prozent-Hürde zu kommen, so die Sicht eines FDP-Politikers. Schließlich wolle man nicht noch einmal das Jahr 2013 erleben.

In dem Jahr hatte die FDP den Wiedereinzug in den Bundestag verpasst und musste die Fraktion liquidieren – nach vier Jahren Koalition mit CDU und CSU. Dieses Bündnis musste wie die Ampel viele öffentliche Streitereien aushalten. Dies sei in den Köpfen der Liberalen noch präsent, heißt es in der Union. Umso wichtiger sei es, sich auszutauschen. „Es geht darum, gegenseitig Verständnis zu schaffen“, erklärte ein Teilnehmer.

Schließlich hat das Verhältnis von Liberalen und Union in den vergangenen zwei Jahren nochmals gelitten. Die Union fährt im Bund einen klaren wirtschaftspolitischen Kurs und brandmarkt die FDP bei jeder Gelegenheit, wenn diese grüne oder sozialdemokratische Projekte mitträgt. Zugleich wettern die Liberalen, zuvorderst Fraktionschef Christian Dürr, im Bundestag gegen die Union und Friedrich Merz.

///Pizza-Connection und Kartoffelküche // .

Geheime Runden von Politikern verschiedener Couleur sind nicht unüblich. Legendär ist etwa die Pizza-Connection von Politikern von CDU und Grünen, die einst ein schwarz-grünes Bündnis vorbereiten wollten. Die Runde schlief vor geraumer Zeit ein, bis sie Spahn reaktivierte und als Minister in die Hände von CDU-Politikerin Breher legte. Die Pizza-Connection trifft sich einmal im Quartal, diskutiert konkret über ein Thema und die unterschiedlichen Sichtweisen von Grünen und Union. „Kulturell stehen wir den Liberalen näher“, sagt ein Unionspolitiker.

Einen schwarz-gelben Zirkel gibt es bereits seit 2014. Damals gründete Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU), heute Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), zusammen mit dem FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke die „Kartoffelküche“. Das Ziel: Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag und in Zeiten der Großen Koalition den Kontakt zwischen Union und FDP pflegen.

Nach dieser Philosophie hat auch Tilman Kuban gemeinsam mit Konstantin Kuhle eine kleine schwarz-gelbe Runde ins Leben gerufen. Kuban und Kuhle kennen sich aus Niedersachsen und hielten dort auch Kontakt, als die FDP nicht im Landtag vertreten war. Heute sitzen beide zusammen im Bundestag und laden seit zwei Jahren regelmäßig etwa 16 Personen zum Plausch in ein israelisches Restaurant in Berlin-Prenzlauer Berg. Viele von ihnen waren auch in der Christ-Runde dabei.

Die „Kartoffelküche“ trifft sich weiterhin viermal im Jahr, das letzte Mal vor knapp zwei Wochen. Sie hat einen festen Mitgliederkreis, der mit rund 60 Personen recht groß ist. In der Christ-Runde hingegen sind eher die jüngeren Abgeordneten vertreten und im Israel-Kreis sogar noch etwas jüngere. Sie sehen sich als Führungsnachwuchs wie auch als mögliche Minister, sollte es 2025 für eine Mehrheit reichen. „Es ist gut, wenn es mehrere Formate gibt“, lautet das Credo.

Im Umfeld von CDU-Chef Friedrich Merz heißt es, derlei Netzwerke seien willkommen. Merz will sich bewusst alle Optionen offenhalten. Spahn verkörpert diese Flexibilität: Er gehört nicht nur der „Kartoffelküche“ an und lädt mit Vogel zum schwarz-gelben Treffen der Jungen, der CDU-Politiker ist auch Teil der Pizza-Connection mit den Grünen. Der Netzwerker Spahn sei überall dabei, wo es gehe, spöttelt ein Kollege.

In den Umfragen indes wäre Schwarz-Grün wahrscheinlicher als Schwarz-Gelb. Die Liberalen müssen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, die Union muss stabil über 30 Prozent liegen. Bei einer Umfrage von Allensbach findet sie sich derzeit recht konstant sogar bei 34 Prozent. „Angesichts von AfD, Werteunion und BSW wäre es sicher schon ein Erfolg, wenn wir die 35 Prozent schaffen“, sagte ein Unionist aus einer der Runden. Um aber mit der FDP allein regieren zu können, müsse noch die zündende Idee für den Wiederaufstieg der Liberalen gefunden werden.

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