Kippt das Cannabis-Gesetz?: Die möglichen Szenarien im Bundesrat

Die Ampel hat den Besitz von Cannabis freigegeben. Die Union will das über ein Vermittlungsverfahren verhindern. Was nun kommen kann – und was nicht.

kippt das cannabis-gesetz?: die möglichen szenarien im bundesrat

„Don’t bogart that joint“ im Bundesrat.

Das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis“ ist eines der Ampel-Projekte, das bisher recht unumstritten war zwischen SPD, Grünen und FDP. Zum 1. April schon sollte es in Kraft treten. Am kommenden Freitag steht es auf der Tagesordnung des Bundesrates.

Danach soll es nach dem Willen der Koalition erlaubt sein, dass Erwachsene bis zu 25 Gramm Cannabis zum öffentlichen Eigenkonsum besitzen dürfen. In der Wohnung sollen es 50 Gramm sein – und bis zu drei Cannabis-Pflanzen darf man daheim stehen haben. Im Umfeld von Schulen oder Sportanlagen soll der Cannabis-Konsum in der Öffentlichkeit untersagt sein.

Die Union will sich im Bundesrat dagegen sperren. Aber das Gesetz braucht die Zustimmung der Länderkammer nicht. Es geht nur darum, ob der Bundesrat den Vermittlungsausschuss anruft. Dafür bräuchte es die Zustimmung über die Union hinaus. Ein Vermittlungsverfahren wäre also nur möglich, wenn SPD und Grüne in den Ländern mittun.

Aufregung in der Ampel

Dennoch herrscht Aufregung in der Ampelkoalition. Der Grund ist, dass gleich drei Ausschüsse des Bundesrats ein Vermittlungsverfahren empfohlen haben – der Gesundheitsausschuss, der Innenausschuss, der Rechtsausschuss. Die Liste der sachlichen Einwände ist 16 Seiten lang, es geht um Mengenbegrenzungen, rückwirkende Amnestien, Straffreiheitsfristen sowie „Anbauvereinigungen“ und gipfelt in der Forderung, das Inkrafttreten des Gesetzes auf den 1. Oktober zu verschieben.

Vor allem die Frage der Amnestie treibt die Länder um. Verhängte Haft- und Geldstrafen, die nun nicht mehr strafbar wären, sollen erlassen sowie aus dem Strafregister getilgt werden. Strittig ist der Aufwand. Aus den Ländern heißt es, bis zu 210.000 Strafakten müssten gesichtet werden. Das Bundesgesundheitsministerium schätzt die Zahl auf nur 7500.

Das Cannabis-Gesetz stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft.

Karl Lauterbach, Gesundheitsminister

In der Koalition wird befürchtet, dass wegen einiger fachlicher Streitpunkte am Ende das ganze Gesetz tot sein könnte. Am Wochenende hat sich Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) mit einem kleinen Machtwort aus Berlin gemeldet. „Jedes von SPD und Grünen mitregierte Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz stirbt, wenn man den Vermittlungsausschuss anruft“, schrieb er im Kanal „X“. „Dann hätten wir einmalige Chance verpasst, gescheiterte Cannabispolitik zu beenden“, heißt es weiter im Telegrammstil. „Mit Tricks würde Gesetz gestoppt, für das 400 Bundestagsabgeordnete stimmten.“

Vor allem den Grünen liegt die Cannabis-Legalisierung sehr am Herzen. In den drei Ausschüssen sitzen nicht viele grüne Landesminister, dort dominieren Union und SPD – und es wird in den Bundesratsausschüssen meist nach der Parteilinie der Mitglieder abgestimmt, nicht zwingend nach der Koalitionslinie, die oft noch gar nicht abgestimmt ist.

Grüne Bedenken?

In den Landeskabinetten aber könnten die Grünen gegen das Vermittlungsverfahren votieren und damit die Enthaltung ihrer Regierung erwirken. Sie haben Einfluss auf 44 Bundesratsstimmen. „Wir stehen zu diesem Gesetz“, betonte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag in Berlin. Es sei richtig, dass die Bundesregierung mit einer verfehlten Drogenpolitik Schluss mache und stattdessen auf Vernunft und mehr Gesundheits- und Jugendschutz setze. „Das Gesetz ist durch den Bundestag durch und jetzt wird die letzte Hürde im Bundesrat noch genommen“, sagte Lang. Angesprochen auf Bedenken ihrer Parteifreunde in den Bundesländern sagte Lang: „Die Details bespreche ich direkt mit unseren Ländern.“

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat damit gedroht, das Cannabis-Gesetz im Vermittlungsausschuss zu blockieren. „Mein Ziel ist es, dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskommt“, sagte er und brachte damit die Linie der Union auf den Punkt.

Die sächsischen Grünen, Kretschmers Koalitionspartner, haben postwendend erklärt, da nicht mitzumachen. „Einen Vermittlungsausschuss mit dem Ziel, das Cannabis-Gesetz zu verhindern, wird es mit uns Bündnisgrünen nicht geben“, sagte deren Umweltminister Wolfram Günther. „Wenn wir uns dazu in der Staatsregierung nicht einigen, wird Sachsen sich im Bundesrat enthalten.“

Nicht kippen, aber ändern?

Eine generelle Ablehnung eines Vermittlungsverfahrens war das aber nicht. Aus anderen Ländern mit grüner Kabinettsbeteiligung ist zu hören, dass das Abstimmungsverhalten der Regierung erst kurz vor der Bundesratssitzung klar sein wird.

Gibt es also bei Länder-Grünen doch die Überlegung, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu bringen – nicht um es zu kippen, aber um es zu ändern? Der Vermittlungsausschuss kann entweder mit einem dezidierten Auftrag angerufen werden – oder aber ohne Nennung von einzelnen Punkten, um ein Gesetz grundlegend zu überarbeiten. Letzteres dürften die Grünen ablehnen. Beschränkt auf einige von den Bundesrats-Ausschüssen aufgeworfenen Punkten wäre ein Vermittlungsverfahren berechenbarer. Immerhin haben die Ampel-Parteien in dem Gremium eine Mehrheit.

Was geht in der Vermittlung?

Könnte die Union das Gesetz im Vermittlungsausschuss überhaupt durch Verfahrenstricks an die Wand fahren? Eine Anrufung zur generellen Überarbeitung ist unwahrscheinlich, die drei Ausschüsse nennen nur spezifische Gründe für eine Vermittlung. Das würde schon einschränkend wirken.

Zudem ist es nach der Geschäftsordnung so, dass in einer zweiten Sitzung zu einer Sache jedes Mitglied des Ausschusses den Abschluss des Verfahrens beantragen kann, wenn es keinen Einigungsvorschlag gibt. Kommt es auch in der dann folgenden dritten Sitzung zu keiner Einigung, ist das Verfahren automatisch abgeschlossen. Ewiges Blockieren ist also unmöglich.

Doch nach der Geschäftsordnung ist unklar, wer einen zweiten Termin bestimmt. Für das Cannabis-Gesetz bedeutet das, dass aus Ampel-Sicht eine Lösung schon in der ersten Sitzung gefunden werden müsste – die dann mit der aktuell bestehenden Mehrheit der Ampel-Parteien beschlossen würde. Der Bundestag würde diese bestätigen. Im Bundesrat müsste sich dann eine Mehrheit für einen förmlichen Einspruch finden, aber da wäre die Union dann allein.

Doch es gibt eine weitere Möglichkeit, quasi am Vermittlungsausschuss vorbei. Sie wird auch gar nicht so selten genutzt. Die Bundesregierung könnte in der Bundesrats-Sitzung über eine Protokollerklärung Einwände gegen das Gesetz aufnehmen und in Aussicht stellen, darauf in einem neuen Gesetzesverfahren zügig einzugehen. Das Cannabis-Gesetz würde damit zeitnah und in einem schnellen Verfahren ergänzt. Auch ein späterer Termin für das Inkrafttreten ließe sich so bestimmen. Der Vermittlungsausschuss wäre vermieden. Die Drohungen der Union liefen ins Leere.

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