Westliche Soldaten in der Ukraine galten lange als No-Go – nun denkt Frankreichs Präsident Macron offen darüber nach. Wolfgang Ischinger lobt die Debatte – ein russischer Topdiplomat hingegen schlägt andere Töne an
Ukraine: Wolfgang Ischinger nennt Bodentruppen-Idee »ein bisschen kühn, aber nicht falsch«
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will den Einsatz von Bodentruppen in der Ukraine nicht mehr ausschließen. Der eigenwillige Vorstoß hat in Europa teils für entschiedene Kritik gesorgt – Wolfgang Ischinger hingegen, der frühere Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, hält die Idee für angebracht.
»Es ist natürlich in einer solchen Konfliktsituation, in der wir uns mit Russland befinden, im Prinzip richtig, nichts auszuschließen. Sobald man irgendwas ausschließt, macht man es natürlich im Prinzip für den Gegner leichter, sich auf das, was da vielleicht kommen könnte, einzurichten«, sagte der ehemalige Spitzendiplomat am Dienstagabend dem Sender Welt-TV. Er finde es »ein bisschen kühn, aber nicht falsch«, was der französische Präsident sagte. Ischinger betonte aber auch, es gebe auf der anderen Seite den richtigen Grundsatz, dass die Nato nicht militärisch in den Krieg zwischen Russland und der Ukraine hineingezogen werden wolle.
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Vonseiten Russlands fällt die Kritik an Macrons Vorstoß erwartungsgemäß schärfer aus. Dass die europäischen Verbündeten der USA eigene Streitkräfte in die Ukraine entsenden, sei lange Zeit undenkbar gewesen, werde nun aber laut diskutiert, beklagte der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, im Nachrichtennetzwerk Telegram. »Die amerikanischen Kuratoren (des Krieges) verstehen sehr wohl, wohin solche eine Entwicklung der Lage führen kann«, meinte er. Die US-Regierung sei gut beraten, sich an die Grundlagen der internationalen Politik zu erinnern, sagte Antonow, »besonders angesichts der besonderen Verantwortung Russlands und der USA für die strategische Stabilität« in der Welt.
Unverhohlene Atom-Drohungen
Russland hat seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine immer wieder mit Eskalationsszenarien begleitet – um westliches Engagement kleinzuhalten. Dabei drohen einzelne Kreml-Akteure zum Teil unverhohlen mit der Gefahr eines Dritten Weltkrieges. Die Atommacht Russland hatte mehrfach damit gedroht, im Fall eines Angriffs alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel für die Verteidigung ihrer Interessen einzusetzen.
Ein direktes Eingreifen in den Krieg hatten die Nato-Partner bislang ausgeschlossen. Schon vor zwei Jahren wurde der Wunsch aus Kiew, Flugverbotszonen einzurichten, entsrpechend abgelehnt. Auch die Entsendung von schwerem Kriegsgerät ist im Westen stets mit langen Debatten verbunden, wie jüngst die Taurus-Frage.
Macron will nach einer Ukraine-Hilfskonferenz nun jedoch erstmals über Bodentruppen nachdenken. Bei dem Treffen mit mehr als 20 Staats- und Regierungschefs, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), habe es zwar keine Einigkeit dazu gegeben, aber im künftigen Kriegsverlauf könne nichts ausgeschlossen werden, hatte Macron am Montagabend in Paris gesagt.
Scholz wies den Vorstoß Macrons für eine mögliche Entsendung von Bodentruppen aus Nato-Staaten in die Ukraine zurück. In Paris habe man sich auch für die Zukunft darauf verständigt, »dass es keine Bodentruppen, keine Soldaten auf ukrainischem Boden geben wird, die von europäischen Staaten oder von Nato-Staaten dort hingeschickt werden«, sagte der Kanzler am Dienstag.
Die Spannungen zwischen Berlin und Paris fallen auch Topdiplomaten auf. Ischinger bezeichnete es als »zutiefst bedauerlich, dass ausgerechnet in dieser schwersten strategischen, militärischen, politischen Krise, in der sich Europa sicherheitspolitisch seit vielen Jahren befindet, der deutsch-französische Segen schief hängt.« Es sei die Pflicht aller Beteiligten, alles zu tun, um ein »gemeinsames Vorgehen in dieser schweren Krise zu erreichen.« Ischinger sagte weiter: »Wenn sich Deutschland und Frankreich vor den Augen der Russen hier mit Kabbeleien und Uneinigkeit präsentieren, wo werden da wohl die Champagnerkorken knallen? Nicht in Washington und auch nicht in Italien, aber in Moskau.«
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