Verfassungskonform oder nicht? Neue Kritik an Ampel-Gesetz zur Demokratieförderung

Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags befeuert den Streit über das Demokratiefördergesetz der Ampel. Die Grünen sehen keine verfassungsrechtlichen Hürden. FDP und Union hingegen zweifeln, dass es grundgesetzkonform ist – und warnen vor Förderung linksradikaler Gruppen.

Der Streit über das Demokratiefördergesetz nimmt an Fahrt auf. Diesmal kommt die Kritik vonseiten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, die an der Verfassungsmäßigkeit des Vorhabens zweifeln.

Der Bund will mit dem Gesetz zivilgesellschaftliche Projekte langfristig finanziell unterstützen. Ziel des Gesetzes sei die „Förderung von Projekten zur Förderung der Demokratie und zur Stärkung von gesellschaftlicher Vielfalt, zur Extremismusprävention und zur politischen Bildung“, heißt es seitens des Familienministeriums von Lisa Paus (Grüne). Dieses ist zusammen mit Nancy Faesers (SPD) Bundesinnenministerium federführend. Bisher sei diese Förderung immer nur für eine bestimmte Zeit möglich gewesen. So müssten derzeit Vereine oder Programme wie „Demokratie Leben!“ jährlich um ihre Finanzierung bangen und für jedes Projekt gesondert Anträge stellen.

verfassungskonform oder nicht? neue kritik an ampel-gesetz zur demokratieförderung

Familienministerin Lisa Paus (Grüne, l.), Innenministerin Nancy Faeser (SPD) picture alliance / photothek

Ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste, über das WELT berichtete, verweist aber darauf, dass für Demokratieförderung auch landesrechtliche Regelungen möglich seien, und stellt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes infrage. Zudem könne sich die Bundesregierung voraussichtlich nicht auf den Grund der „öffentlichen Fürsorge“ wie etwa bei der politischen Bildung Jugendlicher berufen – da es sich beim Demokratiefördergesetz vorrangig um Erwachsenenbildung handle. Und aus der „Staatsleitungskompetenz“, auf die sich die Bundesregierung stützt, könne ebenfalls nur schwer eine Gesetzgebungskompetenz abgeleitet werden.

Das Gutachten untermauert die Kritik der FDP am Demokratiefördergesetz. Obwohl das Vorhaben von der Ampel-Koalition kommt, der die Liberalen angehören, haben diese schon lange Vorbehalte. Bereits im Dezember 2022 wurde der Gesetzentwurf vom Kabinett verabschiedet und dann im März 2023 im Bundestag beraten – seitdem verhindert die FDP weitere Lesungen.

Die Juristin und FDP-Bundestagsabgeordnete Linda Teuteberg sagt WELT dazu: „Das Gutachten bestätigt meine von Anfang an vorgetragenen Bedenken, dass der Entwurf formell und materiell verfassungsrechtlich hochproblematisch ist.“ Der freiheitliche Rechtsstaat respektiere die Vielfalt, die er vorfindet, und wolle die Gesellschaft nicht „gestalten“. „Ich fordere die Befürworter des Gesetzes auf, fundierte Argumente ernst zu nehmen, statt sie als Kulturkampf abzutun“, so Teuteberg. Ihre Fraktion kritisiert zudem, dass in dem Entwurf die Prävention gegen Linksextremismus und Islamismus zu kurz kämen.

Familienministerin Paus pochte in den vergangenen Wochen immer wieder darauf, das Gesetz endlich einzuführen – und ruft die FDP dazu auf, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Auf dem Landesparteitag der brandenburgischen Grünen in Cottbus betonte Paus unlängst, dass sie mehr Unterstützung für die Menschen wolle, die sich für Demokratie, Toleranz und gegen Rechtsextremismus einsetzen.

Ergo heißt es dazu von Maria Klein-Schmeink, der stellvertretenden Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Grünen: „Die Zustimmung zu erwiesen rechtsextremen Positionen ist, regional unterschiedlich, auf hohem Niveau.“ Gerade deshalb sei es umso wichtiger, die Stärkung und Förderung von zivilgesellschaftlichem Engagement für unsere Demokratie, und gegen Diskriminierung, Rassismus und Menschenfeindlichkeit, zu verstetigen. Verfassungsrechtliche Probleme sehen die Grünen nicht: „Wir sind sicher, dass alle beteiligten Ressorts vor Kabinettsbeschluss die Frage der Gesetzgebungskompetenz gründlich geprüft haben.“

Eine WELT-Anfrage an die SPD-Bundestagsfraktion zu dem Gutachten bleibt unbeantwortet.

Wie sich die Opposition dazu positioniert

Die Union moniert, dass die Zusagen für eine Förderung zu stark parteipolitischem Einfluss unterliegen könnte. Allerdings sind die konkreten Förderrichtlinien nicht abschließend festgelegt. Die CDU/CSU sieht das „Gesetz zur Stärkung von Maßnahmen zur Demokratieförderung, Vielfaltgestaltung, Extremismusprävention und politischen Bildung“ vor dem Hintergrund des neuen Gutachtens jedenfalls endgültig begraben: „Die Ampel muss die Reißleine ziehen und das Demokratiefördergesetz stoppen. Ein Gesetz, das vorgibt, die Demokratie zu fördern, aber nicht zweifelsfrei mit unserem Grundgesetz im Einklang steht, wird viel mehr schaden als nutzen“, sagt Andrea Lindholz (CSU), stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Man könne Demokratie nicht „per Gesetz verordnen“.

Anders sieht das die parlamentarische Gruppe der Linken im Bundestag. Die Abgeordnete Gökay Akbulut weist darauf hin, dass das Gutachten keinesfalls die Verfassungswidrigkeit des Demokratiefördergesetzes bestätige: So schrieben die Wissenschaftlichen Dienste, „dass aus der Bundeskompetenz im Bereich der Staatsleitung, die für exekutives Handeln anerkannt ist, ein Rückschluss auf eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz ‚nicht zwingend‘ sei. Sie ist aber eben auch nicht ausgeschlossen.“

Neben rechtlichen Bedenken üben FDP und Union auch weitere inhaltliche Kritik an dem Vorhaben. Sie fürchten, dass linksradikale Projekte und Gruppierungen profitieren könnten. Die FDP fordert deswegen eine Extremismus-Klausel. Innenministerin Faeser deutete kürzlich gegenüber der Mediengruppe Bayern an, dass sie eventuell für solch eine Klausel offen wäre – in der Sache jedoch hält sie weiter an dem Gesetzentwurf fest.

Stephan Brandner, rechtspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, traut der Einschätzung der Wissenschaftlichen Dienste keine große Wirksamkeit zu: „Die Bundesregierung zeigt bisher wenig Interesse für gute Argumente, die gegen ihre Ideologieprojekte vorgebracht werden.“ Ihn würde es nicht wundern, wenn die Ampel-Koalition, „auf Gedeih und Verderb ihr Projekt zur Sicherstellung der Finanzierung ihrer linken Herzensprojekte durchziehen würde“.

Zur genauen Höhe der vorgesehenen Fördergelder steht im Gesetzentwurf derweil nichts; der Verwaltungsaufwand wird auf zehn Millionen Euro jährlich geschätzt. Das eingangs erwähnte Bundesprogramm „Demokratie leben!“, das bundesweit mehr als 700 Projekte umfasst, erhielt im vergangenen Jahr 182 Millionen Euro vom Bundesfamilienministerium. Sollte das Demokratiefördergesetz verabschiedet werden, dürften sich solche Programme auf eine mehrjährige Planungssicherheit freuen. Einen direkten Anspruch auf Fördergeld begründet das Gesetz jedoch nicht.

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