News: Ultrarechte Burschenschaft, SPD in der Krise, Beckenbauers Trauerfeier

In einer ultrarechten Burschenschaft treffen AfD- auf CDU-Politiker. In der SPD wachsen Panik und Unzufriedenheit. In München findet eine gigantische Trauerfeier statt. Das ist die Lage am Freitagmorgen.

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News: Ultrarechte Burschenschaft, SPD in der Krise, Beckenbauers Trauerfeier

Salon der Demokratiefeinde

Der ehemalige Finanzsenator Peter Kurth galt in der Berliner CDU viele Jahre lang als Modernisierer, als einer, der früh eine Zusammenarbeit mit den Grünen ins Spiel brachte. Er lebt offen schwul, nahm 2015 einen syrischen Flüchtling bei sich auf und hat, so berichten es Vertraute, zuletzt eine kranke Ukrainerin unterstützt. Ein liberaler Geist, allem Anschein nach.

Da gibt es aber noch ein anderes Leben des Peter Kurth. In diesem Leben lädt er in seine Dachgeschosswohnung zu einer Buchvorstellung des einflussreichen AfD-Politikers Maximilian Krah und des neurechten Vordenkers Benedikt Kaiser ein. Unter den rund 100 Gästen sind die Berliner AfD-Vorsitzende, der rechtsextreme Verleger Götz Kubitschek und Martin Sellner, Leitfigur der rechtsextremen »Identitären Bewegung«. Sellner hat zuletzt Berühmtheit erlangt, nachdem das Recherchezentrum Correctiv ein Geheimtreffen von AfD- und CDU-Politikern mit Rechtsextremisten wie Sellner in einem Brandenburger Landhotel aufgedeckt hatte.

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Die Verstrickungen Kurths in die braune Szene gehen aber offenbar noch tiefer, wie meine Kolleginnen und Kollegen recherchiert haben. So soll der beliebte Politiker nicht nur in die Finanzierung einer Immobilie für die »Identitäre Bewegung« eingebunden gewesen sein, er ist offenbar auch einer der führenden Köpfe der ultrarechten Berliner Burschenschaft Gothia.

Kurth, der sich zu den neuen Vorwürfen nicht geäußert hat, könnte zu seiner Verteidigung allerdings auch auf andere zeigen: Mehrere Politiker der CDU sind ebenfalls Mitglieder der Burschenschaft oder bewegen sich in ihrem Umfeld, wie etwa Robbin Juhnke, CDU-Innenexperte im Berliner Abgeordnetenhaus. Er selbst sagt, sein letzter Besuch im »Gothenhaus« liege »etliche Jahre« zurück.

Die neuen Enthüllungen, so schreiben meine Kollegen, würden die Frage aufwerfen, »wie löchrig die von CDU-Chef Friedrich Merz behauptete ›Brandmauer‹ nach Rechtsaußen in Teilen der Partei tatsächlich ist«.

Im Moment jedenfalls scheinen die Löcher immer größer zu werden.

Kanzlerdämmerung oder Neustart?

Wer sich zuletzt nicht maßlos über die Ampel, ihre unendlichen Querelen und manch politische Entscheidung geärgert hat, hat sich vermutlich mindestens Sorgen gemacht: Das Bündnis wirkte nach dem einschneidenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt so desolat, dass sein vorzeitiges Ende plötzlich denkbar war. Nun, nach der gestrigen Bereinigungssitzung für den Haushalt 2024 mit erstaunlich wenig Streit scheint ein Bruch abgewendet, vorerst.

Trotzdem ist die Stimmung in der Ampel mindestens so düster wie nach einer 0:5-Niederlage des Heimclubs. Selbst in der sonst so loyalen Kanzlerpartei SPD gibt es erste Anzeichen des Aufbegehrens. »Bei den Menschen vor Ort erntet die Ampel nur noch Kopfschütteln«, sagte zum Beispiel Steffen Krach, sozialdemokratischer Präsident der Region Hannover, meinen Kolleginnen und Kollegen, die für eine Geschichte über den Zustand der SPD recherchiert haben. Von einer »gefährlichen Abwärtsdynamik« spricht Juso-Chef Philipp Türmer.

Gerüchte machen die Runde, Szenarien, könnte nicht der Beliebteste im Kabinett, Verteidigungsminister Boris Pistorius, den Kanzler ablösen? Großer Quatsch, heißt es im Kanzleramt. Warum nicht das Kabinett kräftig umbilden? Das sei Fassadenmalerei und löse kein einziges Problem, heißt es in der Partei.

In der Regierung weiß man aber, dass etwas geschehen muss. Von einer Wende ist die Rede, von einer Art Restart. Ein offensiveres, aber gemeinsames Auftreten soll dazu gehören, ein Ende der gegenseitigen Tiefschläge, mehr Konzentration auf eine Politik, deren positive Folgen die Bürgerinnen und Bürger sofort spürten.

Gestern wurde bekannt, dass Finanzminister Christian Lindner die Steuerfreibeträge für Kinder anheben will, nicht aber das Kindergeld, wovon vor allem Spitzenverdiener profitieren würden. Abgeordnete von Grünen und SPD reagierten irritiert. Der Neuanfang lässt offenbar noch auf sich warten.

Kaiserliches Gedenken

Die Gedenkfeier für Franz Beckenbauer in der Münchner Allianz Arena heute um 15 Uhr kommt schon nahe an einen Staatsakt heran. Zumindest dürfte es die größte Trauerfeier in der deutschen Sportgeschichte werden, 75.000 Menschen fasst das Stadion.

Der Salzburger Tenor Jonas Kaufmann, gebürtiger Münchner, wird singen, unter anderem »Con te partirò«, dessen Melodie man eher unter dem Henry-Maske-Song »Time to Say Goodbye« kennt. Einstige Fußballgrößen werden dabei sein, ehemalige Trainer, Mannschaftsdelegationen aus dem Ausland, Größen aus Kultur und Politik. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder wird sprechen, Bayern-Präsident Herbert Hainer und Ehrenpräsident Uli Hoeneß ebenfalls.

Der Kanzler wird auch zugegen sein, aber nicht reden, protokollarisch obliegt diese Aufgabe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der, so hört man im Vorfeld, vor allem die Menschenfreundlichkeit Franz Beckenbauers betonen wird. Drei Fernsehsender übertragen live. Was für ein Akt!

»Leiwand«, würde der Wahlsalzburger Beckenbauer wohl dazu sagen.

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Kampf gegen Rechtsextremismus: Schützt das Verfassungssystem vor der AfD! Viele Regelungen, die den Rechtsstaat garantieren, lassen sich leicht außer Kraft setzen. Es ist höchste Zeit, die Demokratie gegen die Umsturzpläne von Rechtsaußen zu sichern.

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Die Startfrage heute: Vor Angela Merkel regierte schon einmal ein Bundeskanzler an der Spitze einer Großen Koalition. Wer?

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… sind die Menschen, die zu Zehntausenden auch heute wieder für die Demokratie auf die Straße gehen.

Die Zahl der Städte, in denen Demos gegen Rechtsextremismus angekündigt sind, wächst und wächst: 15.30 Uhr Hamburg, 16 Uhr Erlangen, 16 Uhr Jena, 17 Uhr Bielefeld, 17 Uhr, Kiel, 17 Uhr Stralsund, 18 Uhr Rosenheim, 19 Uhr Bochum, und so weiter.

Die Mitte, sie schweigt nicht mehr.

Die jüngsten Meldungen aus der Nacht

    US-Kongress wendet Shutdown ab: Der US-Regierung droht vorerst keine Haushaltssperre. Beide Kongresskammern haben sich kurz vor Fristende auf eine Überbrückungsmaßnahme in ihrem Streit geeinigt – viel mehr als ein Aufschub des Problems ist das nicht.

    Schutz von Delfinen – Frankreich verhängt einmonatiges Fischereiverbot: Tausende Delfine sterben jährlich in Frankreich, weil sie vor der Atlantikküste versehentlich gefangen werden. Im Golf von Biskaya gilt nun ein mehrwöchiges Fischereiverbot. Betroffene Fischer sind empört.

    Ex-Stabhochsprungweltmeister Shawnacy Barber ist tot: Bei der WM 2015 holte Shawnacy Barber vor dem Deutschen Raphael Holzdeppe die Goldmedaille. Jetzt ist der Kanadier im Alter von 29 Jahren gestorben.

Die SPIEGEL+-Empfehlungen für heute

    Wie faire Preise für Landwirte Realität werden können: Ausgerechnet der bislang so verschriene Weltmarkt könnte Landwirten zu höheren Einnahmen verhelfen. Und auch im Handel gibt es innovative Überlegungen. Wenn die Politik mitmacht, sieht die Zukunft auf den Höfen gar nicht so schlecht aus.

    »Ohne Fachkräfte aus dem Ausland wäre das Gesundheitssystem am Ende«: Kinderärztinnen und -ärzte positionieren sich gegen zunehmenden Rassismus in ihrem Bereich. Mediziner Burkhard Rodeck betont, wie sehr die Versorgung junger Patienten von Menschen mit Migrationshintergrund abhängt.

    Es gibt keine schlechten Gefühle: Angst zu haben oder unsicher zu sein, ist unangenehm. Oft flüchten wir vor solchen Gefühlen in Aktionismus und Arbeit. Dabei haben alle Emotionen eine wichtige Botschaft, die wir hören sollten.

    Warum wurde ein schlechter Film so erfolgreich?: Der Horrorfilm »Der Exorzist« war im Winter 1973/74 ein fulminanter Kassenschlager. Das Publikum kreischte und kotzte, und trotzdem wollten alle den Psychoschocker sehen. Warum bloß?

Ich wünsche Ihnen einen optimistischen Start in den Tag.

Ihr Martin Knobbe, Leiter des SPIEGEL-Hauptstadtbüros

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