John Bolton: „Es gibt keine diplomatische Lösung“ im Israel-Konflikt

Der frühere nationale Sicherheitsberater unter Donald Trump über den Konflikt im Nahen Osten und wie Israel nach den iranischen Angriffen reagieren sollte.

Der ehemalige US-Sicherheitsberater John Bolton hat die amerikanische Außenpolitik jahrelang geprägt – immer mit einer konservativen Haltung. Unter Präsident George W. Bush war er Botschafter der Vereinten Nationen. Bolton gilt als „Falke“, das heißt, er steht im Gegensatz zu den „Tauben“ für eine aggressive, militärische Optionen nutzende Außenpolitik. Zuletzt war er Nationaler Sicherheitsberater unter dem 2020 abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. Er hatte sich mit ihm überworfen und wurde von Trump daraufhin entlassen.

Herr Bolton, die Welt schaut gebannt darauf, wie Israel auf die iranischen Angriffe vom Samstag reagieren wird. Könnte ein Gegenschlag erfolgen ohne, dass dabei die Lage in der Region eskaliert?Naja, die Situation ist ja schon seit dem 7. Oktober ziemlich weit eskaliert…

…das war der Tag an dem die Terrorgruppe Hamas Terrorangriffe auf Israel ausübte…Und die Ereignisse vom Samstag sind die paradigmatische Definition einer Kriegshandlung: ein Angriff von ihrem Territorium auf das Territorium Israels. Und Israel muss nun befürchten, dass die nächste ballistische Rakete aus dem Iran einen Atomsprengkopf haben könnte. Das werden sie vermutlich nicht riskieren.

US-Präsident Joe Biden drängt Israel, von Vergeltungsmaßnahmen abzusehen. Ich gehe davon aus, dass es eine israelische Antwort geben wird und es ist fast sicher, dass es Ziele auf iranischem Boden treffen wird. Und ehrlich gesagt finde ich es beschämend, wenn Präsident Biden und andere Staatschefs Israel sagen, dass sie sich über einen Sieg freuen und keine Vergeltung üben sollen.

Es gab immerhin nur wenige Tote und keine größeren Schäden.Aus strategischer Sicht ist das kein Trost. Das „Wall Street Journal“ hat am Sonntag berichtet, dass die Hälfte der ballistischen Raketen aus dem Iran beim Start oder kurz danach fehlgeschlagen sind. Das bedeutet, dass sie nie iden Himmel über Israel erreicht haben. Aber was wäre gewesen, wenn alle zur gleichen Zeit aufgetaucht wären? Vielleicht wären dann die Raketenabwehrsysteme nicht unüberwindbar gewesen. Es war eine sehr gefährliche Situation.

Wie weit sind wir von einer großen Eskalation entfernt?Das hängt davon ab, wie nah der Iran dran ist, Atomwaffen zu bekommen. Wir hätten nicht zulassen dürfen, dass Nordkorea so weit kommt. Und wir sollten die Lektion daraus lernen.

Wie stark sollte der israelische Gegenschlag sein?Meiner Ansicht nach sollte er sehr deutlich ausfallen. Ich halte es für falsch, nur in verhältnismäßigem Ausmaß Vergeltung zu üben, so wie es viele gerade fordern. So gelingt keine Abschreckung.

Sondern?Abschreckung gelingt, wenn man unverhältnismäßig reagiert. Nur so kann man dem Gegner zeigen, dass er bei einer Vergeltung viel mehr verlieren wird als das, was er durch einen Angriff zu gewinnen glaubt. Die Iraner sollten nie wieder erwägen, Israel anzugreifen.

Wie realistisch ist es, dass eine Abschreckung gelingt? Könnte es nicht eher zu einer weiteren Eskalation kommen?Nun, ein Risiko besteht natürlich immer, aber es besteht auch ein Risiko, wenn die Abschreckung nicht gelingt. Und für Israel ist das ein nukleares Risiko.

Wie sollte eine israelische Antwort dann aussehen?Meiner Ansicht nach wäre ein Angriff auf das Atomprogramm angemessen. Aber viele glauben, dass dies tatsächlich zu einer Eskalation führen wird. Daher wäre mein Kompromissvorschlag ein Cyber-Angriff auf das iranische Atomprogramm, und ich meine damit die Mutter aller Cyberangriffe.

Wie wichtig ist dabei die Unterstützung der USA? Präsident Biden sagte, er will Israels Verteidigungsmaßnahmen weiterhin unterstützen, das ist wichtig. Ich finde, dass wir auch die Vergeltungsmaßnahmen unterstützen sollten. Wer Frieden und Stabilität in den Nahen Osten bringen will, muss sich mit dem Regime im Iran auseinandersetzen. Es geht nicht nur um eine nukleare Bedrohung, es geht auch um die Unterstützung des Terrorismus. Dies ist ein gefährliches Regime und es wird nur noch gefährlicher.

Die Republikanische Partei hat angekündet, dass sie nun nach langer Blockade Hilfspakete für Israel, die Ukraine und Taiwan auf den Weg bringen will. Wie bewerten Sie das?Das ist ein gutes Zeichen. Eine vielleicht etwas ungewöhnliche Folge des iranischen Angriffs ist, dass einige Leute aus der Partei aufgewacht sind und erkannt haben, dass die Welt da draußen gefährlich ist. Wenn die Hilfspakete zur Abstimmung im Repräsentantenhaus zugelassen würden, dann würden sie die nötigen Mehrheiten finden, denke ich. Wir sind spät dran, aber gerade bei der Ukraine gilt: Besser spät als nie! Und wenn das Michael Johnson, den Sprecher des Repräsentantenhauses, den Job kostet, dann ist das eben so. Er würde den Job wenigstens mit Würde verlassen.

Gibt es eine diplomatische Lösung für den Konflikt zwischen Israel und dem Iran?Nein. Bei dem heutigen Nahostkonflikt geht es nicht um Palästinenser oder Araber gegen Israel. Wir haben es hier mit mittelalterlichen, religiösen Fanatikern zu tun, die versuchen, Atomwaffen zu bekommen. Wladimir Putin hat mir bei vielen Gelegenheiten gesagt: “Ihr habt eure Logik, wir haben unsere. Und wir werden sehen, welche von beiden sich durchsetzt.” Ich sage also nicht, dass die Ajatollahs unlogisch sind. Es ist nur nicht dieselbe Logik, die wir haben.

Herr Bolton, vielen Dank für das Gespräch.

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