Komplizierter und unkalkulierbarer als anderes Backen: Linus Schäfer (links) und Eike Becher portionieren den Brotteig und formen Leibe daraus.
Wer bei „Ouwe“ Brot kauft, kann gar nicht übersehen, wie es entsteht. Denn Marius Hörle und Eike Becher haben, bevor sie ihre Bäckerei im Frankfurter Nordend eröffneten, die Wand zwischen Verkaufsraum und Backstube einreißen lassen. Nur ein Holzregal trennt Verkauf und Produktion. Und so können die Kunden zuschauen, wie die beiden den Teig formen, ihn in Backformen aus gepressten Holzfasern gießen und schließlich „in den Ofen schießen“, also auf einem langen Brett in den heißen Ofen schieben. „Es geht um Transparenz“, sagt Hörle. „Unsere Kunden sollen sehen, wie wir arbeiten, und mit uns ins Gespräch kommen.“
Auch ihre Zutaten verstecken die Bäcker nicht. An einer Wand des Verkaufsraums lagern die Säcke von der Mühle Kruskop aus der Nähe von Bingen. Einmal in der Woche liefert der Traditionsbetrieb frisches Mehl – in Bioland-Qualität, das ist Hörle und Becher wichtig.
Mit ihrer minimalistisch eingerichteten Bäckerei „Ouwe“, in der sie meist fünf oder sechs Brotsorten verkaufen, dazu Gemüse-Focaccia, Zimtschnecken und Schoko-Brioche (Brötchen gibt es nur am Samstag), sind die beiden von Anfang an erfolgreich. Die meisten Onlinebewertungen ihres Geschäfts klingen wie Hymnen, viele Nutzer schreiben, dass sie aus anderen Stadtteilen kommen, um bei „Ouwe“ einzukaufen. Der Großteil ihrer Kunden aber stamme aus der Nachbarschaft, sagt Hörle. Und tatsächlich passt die Bäckerei gut in das Viertel mit seinen vielen grün-liberalen Bewohnern aus der gehobenen urbanen Mittelschicht, die viel Wert auf gute Ernährung, Nachhaltigkeit und Design legen. Das spielt Becher und Hörle in die Hände.
Keine Hefe oder andere Triebmittel: Marius Hörle (links) und Eike Becher mit ihren Backwaren
„Gut statt viel“
Dass sie vieles anders machen als die meisten anderen Bäcker, darauf sind die beiden stolz. Gearbeitet wird bei „Ouwe“ nicht nur vor den Augen der Kundschaft, sondern auch deutlich später als bei der Konkurrenz. Erst um kurz vor sieben Uhr wird am Morgen mit dem Backen begonnen, der Verkauf öffnet in der Woche sogar erst um zwölf Uhr mittags. Die Auswahl der Brotsorten halten Hörle und Becher bewusst klein. „Gut statt viel“ ist ihre Devise. Und weil ihnen Regionalität sehr wichtig ist, kaufen sie zum Beispiel die Kürbiskerne für ihr Körnerbrot in Nordhessen und „nicht in China“, auch wenn das deutlich teurer ist.
Das eigentlich Besondere an ihrer Bäckerei aber ist, dass dort ausschließlich mit Sauerteig gearbeitet wird. Hefe oder andere Triebmittel kommen nicht zum Einsatz. Dadurch wird die Arbeit unkalkulierbarer und komplizierter. Immer wieder muss die Temperatur des Teigs gemessen und darauf geachtet werden, wie er sich entwickelt. Doch diese Mühe lohnt sich, davon sind die „Ouwe“-Gründer überzeugt. „Unser Brot schmeckt komplexer und intensiver“, sagt Becher.
Sauerteig liegt schon seit einigen Jahren im Trend. Ein regelrechter Boom wurde durch die Corona-Pandemie ausgelöst: Im Lockdown begannen viele Leute, ihren eigenen Sauerteig anzusetzen – man war ja zu Hause und hatte auf einmal Zeit. In der eigenen Küche mischten die Heimbäcker aus Mehl und Wasser in einem Schraubglas das sogenannte Anstellgut. Damit der Sauerteig „atmen“ kann, wird das Schraubglas nicht ganz verschlossen. Der Grundteig muss dann kontinuierlich mit Wasser und Mehl „gefüttert“ werden, bis er Luftbläschen bildet und seinen säuerlichen Geruch bekommt. Das Ansetzen des Teigs gelingt bei Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad am besten. Darum kann es hilfreich sein, ihn auf die Heizung zu stellen. Nach rund einem Monat kommt der Teig dann in den Kühlschrank und muss nun nur noch seltener, etwa einmal in der Woche, „gefüttert“ werden.
Brot aus Sauerteig hat einige Vorteile: Es schmeckt in der Regel nicht nur aromatischer, sondern ist auch bekömmlicher. Weil es viele prä- und probiotische Bakterien enthält, ist es gut für die Darmflora, es unterstützt die Verdauung. Auch für Diabetiker ist Sauerteigbrot deutlich besser geeignet. Zudem ist es länger haltbar und schimmelt seltener – und hält dabei auch seinen Geschmack. Hörle meint, die Brote schmeckten am zweiten oder dritten Tag nach dem Backen am besten.
Früher Tamagotchi, heute Sauerteig
Die beiden Bäcker aus dem Nordend sind Quereinsteiger. Eine klassische Ausbildung zum Bäckermeister haben sie nicht absolviert. Becher hat Physik studiert, Hörle Maschinenbau. Aber schon während seines Studiums hat sich Becher intensiv mit Sauerteigbrot („die Königsdisziplin beim Backen“) beschäftigt. Und er hat viel Zeit in die Pflege seiner Sauerteigkulturen investiert. „Früher haben die Leute ihre Tamagotchis gefüttert, heute kümmert man sich um Sauerteig“, sagt der Zweiunddreißigjährige.
Nach dem Masterabschluss in Mainz hat Becher drei Jahre in einem IT-Unternehmen gearbeitet. Doch bald schon träumte er von der Selbständigkeit. Und davon, mit den Händen zu arbeiten. „Das Büro liegt mir einfach nicht“, sagt er. In Hörle fand er einen Mitstreiter. Die beiden sind im Westerwald aufgewachsen, kennen sich seit der Schulzeit. Um die Bäckerei aufmachen zu können, brauchte Becher eine Ausnahmebewilligung der Handwerkskammer. Zwei Tage lang wurde er geprüft. „Das war anspruchsvoll.“
Günstig sind die Sauerteigbrote von „Ouwe“ nicht. Sie wiegen zwischen 650 und 750 Gramm und werden für sechs oder sieben Euro verkauft. Neben dem Klassiker Roggenbrot gibt es regelmäßig auch Weizen-, Dinkel-, Dinkel-Kartoffel- und Früchtebrot. Die Kunden hätten Verständnis für die Preise, sagt Hörle, sie würden erkennen, „wie viel Arbeit dahintersteckt“.
Inzwischen zählen aber auch einige Frankfurter Restaurants zu den Kunden der Bäckerei, darunter das „Blumen“, die Weinbar „atm Deli & Grape“ und das vegane Restaurant „Hohenheim & Söhne“, die ebenfalls im Viertel liegen. Auch das gerade sehr angesagte „KMH“ an der Kleinmarkthalle bezieht sein Brot von „Ouwe“ – was übrigens auf Westerwälder Platt das Wort für Ofen ist.
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