Jan Josef Liefers zu #allesdichtmachen und Corona-Politik: „Die tun alle so, als wäre nichts gewesen“

jan josef liefers zu #allesdichtmachen und corona-politik: „die tun alle so, als wäre nichts gewesen“

Jan Josef Liefers’ Kritik an den Corona-Maßnahmen hatte einen Shitstorm ausgelöst.

Vor genau drei Jahren bin ich mit Jan Josef Liefers von Dresden nach Berlin gefahren. Ein Interview während einer Autofahrt, mitten in der Corona-Zeit. Anlass war der Shitstorm, in den Liefers wegen seiner Teilnahme an der Aktion #allesdichtmachen geraten war.

Der Schauspieler hatte die Corona-Maßnahmen kritisiert und sich über die unkritische Berichterstattung der Medien lustig gemacht. Ein Rundfunkrat hatte ihm mit Rausschmiss gedroht, in den sozialen Medien wurde ihm vorgeworfen, er mache mit Rechten, Querdenkern und Corona-Leugnern gemeinsame Sache.

Der „Tatort“-Star war plötzlich eine Unperson, ein Staatsfeind, der die Demokratie gefährden könnte. Und ich war Journalistin, eine Vertreterin der Medien, die selbst nicht so richtig wusste, auf welcher Seite sie stand. Ich vertraute der Bundesregierung und ihren Maßnahmen, verstand aber auch Leute, die die Maßnahmen kritisierten oder sich nicht impfen ließen, telefonierte mit meiner Freundin Tinna in Schweden, wo es so gut wie keine Maßnahmen gab, und mit Debbie in New York, wo alles noch viel strenger war als hier.

Die Videos der Aktion #allesdichtmachen fand ich lustig. Wie Heike Makatsch, Ulrich Tukur, Thorsten Merten oder Jan Josef Liefers Politiker auf die Schippe nahmen, aber auch sich selbst. Ich weiß noch, wie begeistert ich den Link an eine Kollegin schickte: „Hast du schon gesehen?“ Und sie zurückschrieb: „Die ersten ziehen ihre Videos bereits zurück. Geh mal auf Twitter!“

Da war die Hölle los, und das war erst der Anfang. In der „Aktuellen Stunde“ vom WDR warf ihm der Moderator vor, ein „wohlsituierter Schauspieler“ zu sein, Corona-Leugnern Rückenwind zu geben und Pfleger auf Intensivstationen zu verhöhnen. Liefers war per Video zugeschaltet, unvorteilhaft ausgeleuchtet, ihm standen die Haare zu Berge, aber er blieb bewundernswert ruhig. Als ihm auch noch Naivität vorgeworfen wurde, sagte er: „Wissen Sie, wann ich das das letzte Mal gehört habe? Von einem Kandidaten des ZK der SED in der Schauspielschule.“

Das WDR-Interview steht immer noch online, ich habe es mir noch einmal angesehen. Es zeigt, wie schnell das geht, das Ausgrenzen, in die Ecke stellen. Wie wichtig es ist, in unsicheren Zeiten einen kühlen Kopf zu bewahren.

Über all das habe ich damals mit Liefers auf der Fahrt von Dresden nach Berlin geredet. Er sagte, der Shitstorm habe ihn wie ein Knalltrauma getroffen, erzählte mir, wann sein Misstrauen gegenüber der Corona-Politik begann, warum ihn vieles an die DDR erinnere.

Das Interview erschien in der Wochenendausgabe mit der Titelzeile „Plötzlich Staatsfeind“. Und nun war es die Berliner Zeitung, die in einen Shitstorm geriet, in der rechten Ecke stand. Sogar einer unserer eigenen Autoren distanzierte sich mit den Worten, dies sei nicht mehr seine Zeitung.

Es ist drei Jahre her, der Lockdown ist lange vorbei, aber manchmal habe ich das Gefühl, wir sind nie so richtig rausgekommen. Jan Josef Liefers sieht das ähnlich. Der Rundfunkrat, der seinen Rausschmiss forderte, habe innerhalb des Gremiums erklärt, da sei wohl was mit ihm durchgegangen, berichtet der Schauspieler. Sonst aber herrsche immer noch der Tenor vor, es sei alles richtig gemacht worden, man habe es ja nicht besser wissen können.

Hat denn niemand mal zu ihm gesagt, es tue ihm leid, wie er damals attackiert wurde? „Nein“, antwortet Liefers. „Die tun alle so, als wäre nichts gewesen.“ Aber zum Glück, fügt er dann noch hinzu, sei der Spuk ja nun vorbei. Jetzt sei die Aufarbeitung wichtig. „Mit kühlem Kopf und ohne Groll.“

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World