Unter Verdacht: Influencerin Chiara Ferragni
Die italienische Regierung verschärft die Vorschriften für Influencer. Nach den aufsehenerregenden Ermittlungen der Mailänder Staatsanwaltschaft gegen die bekannteste Vertreterin der italienischen Branche, Chiara Ferragni, hat das Kabinett von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni Bußgelder von bis zu 50.000 Euro beschlossen. Ferragni wird vorgeworfen, dass sie Spenden für gemeinnützige Zwecke weitgehend nur vortäuschte. Sie erweckte bei Werbeaktionen den Eindruck, dass jeder Verkauf die Spenden erhöhe. In Wirklichkeit kam es im Fall von Ferragni wahrscheinlich allenfalls nur zu einzelnen kleinen Zuwendungen, lange vor den Verkaufskampagnen für Produkte wie Weihnachtskuchen, Ostereier und Puppen.
Künftig müssen die Influencer die getroffenen Arrangements mit Herstellern und Wohltätigkeitsorganisationen genauer beschreiben. Die Hersteller sind gehalten, detaillierte Informationen auf den Verpackungen der Waren anzubringen, darunter den Empfänger der Erlöse, den prozentualen Anteil am Verkaufspreis oder den absoluten Betrag einer Spende. Auch in Werbeaktionen müssen die Influencer diese Informationen mitteilen. Bevor die Produkte zum Verkauf angeboten werden, haben die Unternehmen diese Angaben zudem der italienischen Wettbewerbsbehörde mitzuteilen. Dabei soll die Behörde auch erfahren, innerhalb welcher Frist die Zahlung einer Spende erfolgen wird.
Ferragni begrüßt die Vorschriften
Laut dem Gesetzesentwurf, der in der parlamentarischen Beratung noch abgeändert werden kann, soll der Staat die Hälfte der eingenommenen Geldbußen guten Zwecken zukommen lassen.
Die 36-jährige Ferragni, die sich für „Kommunikationsfehler“ entschuldigt hat und einem Turiner Krankenhaus im Nachhinein eine Million Euro gespendet hat, begrüßte die neuen Regeln. „Ich bin froh, dass die Regierung eine Gesetzeslücke schnell geschlossen hat”, teilte sie mit. Ihr sei inzwischen „bewusst, wie wichtig es ist, gemeinnützige Aktivitäten in Verbindung mit kommerziellen Initiativen klar zu regeln“. So könne verhindert werden, dass die Kunden falschen Informationen aufsitzen und gleichzeitig die Anbieter aufgrund von Rechtsunsicherheit von sinnvollen Werbeaktionen zurückschrecken, sagte Ferragni.
Italienische Verbraucherschützer kritisierten indes die geringe Höhe der Geldbußen angesichts der Millioneneinnahmen von einigen Influencern. Die Bußen sollten im Verhältnis zu den Gewinnen verhängt werden, sagen sie. Im ursprünglichen Entwurf war bei mehrfachen Verstößen auch ein Verbot der Internetauftritte vorgesehen, doch dies ließ die Regierung fallen. Ein solches Verbot kann jedoch weiter beim Nachweis von unlauteren Geschäftspraktiken verhängt werden. Wegen solcher unlauteren Praktiken hatte Ferragni schon im vergangenen Jahr eine Buße von knapp 1,1 Millionen Euro zahlen müssen. Diese basiert auf dem italienischen Verbraucherschutzgesetz, nach dem Geldbußen von bis zu 5 Millionen Euro erlassen werden können.
160 Millionen Follower
In Italien gibt es eine rege Internetszene, die immer stärker die Werbewirtschaft erobert. Manche Stars weisen noch mehr Follower aus als Ferragni, die bei derzeit abnehmender Tendenz auf rund 29 Millionen Anhänger kommt. Der 23jährige Khaby Lame – ein aus Senegal stammender Italiener, der während der Pandemie seinen Job bei einem Autozulieferer verlor – zählt als Komiker beispielsweise mehr als 160 Millionen Follower auf Tiktok und trat mit Stars wie Matt Damon, Robert Downey Jr. und Tom Cruise auf. Arnaldo Mangini, ein Doppelgänger von Mr. Bean, kommt auf gut 32 Millionen Follower. Der in Marokko geborene Khalim El Mahi, der mit Kochvideos Erfolg hat, weist 24 Millionen Anhänger aus.
Auch Vertreter der Werbebranche, die mit Internet-Influencern arbeiten, begrüßten einen klareren Rechtsrahmen. Besonders die Markenhersteller seien gefragt, denn sie entschieden über die Werbestrategie und die Frage, ob sie Influencer einsetzen oder nicht, heißt es. Insofern seien nicht nur die Influencer, sondern auch die Unternehmen aufgefordert, für maximale Transparenz zu sorgen. 90 Prozent der italienischen Unternehmen arbeiten heute im Marketing mit Influencern zusammen, berichtet der Verband der Werbetreibenden Firmen.
Nach Angaben der EU-Kommission hat das Marketing durch Influencer im vergangenen Jahr weltweit einen Wert von knapp 20 Milliarden Euro erreicht. Die Kommission prüft derzeit, ob sie eine Mindestregulierung erlassen soll. Frankreich hat bereits einen Rechtsrahmen beschlossen, der allerdings den Aspekt von Wohltätigkeit nicht ausdrücklich behandelt. Verbraucherschützer fordern etwa, dass Influencer ausweisen müssen, ob sie von einem Hersteller bezahlt werden, wenn sie dessen Produkt anpreisen.
Nach einer Auswertung der italienischen Beobachtungsstelle für Internet-Werbung Onim gab es im vergangenen Jahr auf Instagram in Italien 400 Verkaufsaktionen mit wohltätigem Aspekt, die 90.000 Reaktionen der Nutzer generierten. Damit handelt es sich um ein Nischengeschäft, denn andere Aktionen erzeugen mehr Aktivität, teilt Onim mit.
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