Beim EU-Gipfeltreffen gibt es klare Worte in Richtung Israel. Aber Premier Netanyahu weist Aufrufe zur Zurückhaltung zurück. Und auch aus Iran gibt es neue Drohungen.
Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer treibt derzeit vor allem eine Sorge um: Wenn Israel mit einem harten Gegenschlag auf den iranischen Drohnen- und Raketenangriff vom Wochenende reagieren sollte, könnte sich der Konflikt im Nahen Osten zu einem großen Krieg entwickeln.
Bei einem EU-Gipfeltreffen, das eigentlich organisiert worden, um Strategien zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der EU zu diskutieren, gab es deshalb nun klare Worte in Richtung Israel: Man fordere alle Parteien nachdrücklich auf, äußerste Zurückhaltung zu üben und keine Maßnahmen zu ergreifen, die die Spannungen in der Region verstärken könnten, heißt es in einer Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Israel solle »eben nicht mit einem massiven Angriff antworten«, sondern den Erfolg des am Wochenende abgewehrten iranischen Angriffs nutzen, um seine eigene Position in der ganzen Region zu stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz. Wegen einer gut funktionierenden Flugabwehr Israels und seiner Partner hatten die mehr als 200 Drohnen und Raketen des Iran kaum Schäden in Israel angerichtet.
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Israels Regierungschef Netanyahu wies unterdessen allerdings Aufrufe zur Zurückhaltung zurück: Sein Land werde selbst entscheiden, ob und wie es auf den iranischen Luftangriff Anfang der Woche reagieren werde – trotz »aller möglichen Vorschläge und Ratschläge« von Verbündeten. »Ich möchte klar sagen: Wir werden unsere Entscheidungen selbst treffen. Der Staat Israel wird alles tun, was nötig ist, um sich zu verteidigen«, sagte Netanyahu am Mittwoch. Nach Angaben des israelischen Botschafters in Deutschland, Ron Prosor, plant Israel einen Angriff auf militärische Einrichtungen des Iran.
Trotz der harten Rhetorik scheint es aber unwahrscheinlich, dass Israel Iran direkt angreift, ohne zumindest die Unterstützung der USA zu haben, seines wichtigsten Verbündeten. US-Präsident Joe Biden soll Netanyahu mitgeteilt haben, dass Washington sich nicht an einer Offensive gegen den Iran beteiligen werde, berichten US-Nachrichtenagenturen. Die USA fordern, wie die EU, alle Seiten zur Deeskalation auf. Sowohl die EU als auch die USA haben neue Sanktionen gegen den Iran angekündigt.
Iran droht mit »massiver und harter« Antwort auf »kleinste Invasion«
Der iranische Präsident Ebrahim Raisi drohte am Mittwoch, dass die »kleinste Invasion« Israels eine »massive und harte« Antwort nach sich ziehen würde. Die Gewalt zwischen Israel und der vom Iran unterstützten militanten libanesischen Hisbollah nimmt bereits weiter zu: Die Hisbollah feuerte am Mittwoch eine Salve von Raketen und Drohnen auf den Norden Israels ab. Dabei wurden nach Angaben der israelischen Armee mindestens 14 israelische Soldaten verwundet, sechs davon schwer. Israels Militär erklärte, es habe daraufhin Ziele der Hisbollah tief im Libanon angegriffen.
Auslöser der iranischen Attacke vom Wochenende war ein mutmaßlich israelischer Angriff auf die iranische Botschaft in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Dabei waren zu Beginn des Monats unter anderem zwei Generäle der iranischen Revolutionswächter getötet worden. Die Revolutionswächter sind Irans Elitestreitkräfte, die die Staatsideologie schützen und vor allem einen Putsch verhindern sollen. Sie führten nach iranischen Angaben auch den Angriff auf Israel am Wochenende aus.
EU prüft Einstufung der iranischen Revolutionswächter als Terrororganisation
Israel fordert von der internationalen Gemeinschaft, die iranischen Revolutionswächter als Terrororganisation einzustufen. Bundeskanzler Olaf Scholz sieht dafür nun einen möglichen Ansatz. Eine juristische Prüfung in der EU zu dem Thema laufe schon, erklärte Scholz am Mittwochabend am Rande des EU-Gipfels. In der Vergangenheit hatte die EU immer betont, eine Terror-Listung der Revolutionswächter sei derzeit rechtlich nicht möglich, weil dafür eine nationale Gerichtsentscheidung oder Verbotsverfügung einer Verwaltungsbehörde vorliegen müsse.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verwies am Mittwochabend in den »Tagesthemen« auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wegen eines versuchten Anschlags auf eine Synagoge in Bochum. Im Dezember war deshalb ein Deutsch-Iraner wegen Verabredens einer schweren Brandstiftung und versuchter Brandstiftung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden (Aktenzeichen III-6 StS 1/23). Baerbock sagte, man habe in Brüssel noch einmal deutlich gemacht, dass man sich eine Prüfung wünsche, ob die Revolutionswächter auch unter dem Terrorismus-Sanktionsregime gelistet werden könnten.
Die Einstufung wäre aber ohnehin nur ein symbolischer Schritt, das machte Scholz klar: Sanktionen gegen die Revolutionswächter gibt es bereits, die Einstufung als Terrororganisation wäre deshalb laut Scholz »gewissermaßen dreifach genäht«.
Neben dem Appell an alle Konfliktparteien enthält die Erklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz und seinen Kolleginnen und Kollegen ein Bekenntnis zur uneingeschränkten Solidarität mit dem Volk Israels und eine erneute Verurteilung des iranischen Angriffs. Mit Blick auf die Lage im Gazastreifen wird in der Erklärung betont, dass man sich weiter für eine sofortige humanitäre Feuerpause und die bedingungslose Freilassung aller Geiseln und die Bereitstellung von humanitärer Hilfe für die Not leidende palästinensische Zivilbevölkerung einsetze. Die Europäische Union trete weiterhin für einen dauerhaften und tragfähigen Frieden auf der Grundlage der Zweistaatenlösung ein.
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