Nach schweren Luftangriffen auf den Süden des Gazastreifens ist es der israelischen Armee gelungen, zwei Geiseln aus der Gewalt der Hamas zu befreien. Nun wurden erste Details über die Rettungsaktion bekannt.
Gaza: Wie Israel die Befreiung der zwei Geiseln aus Rafah gelang
Israels Militär ist es erst zum zweiten Mal gelungen, Geiseln der Hamas aus dem Gazastreifen zu befreien. Dafür griff die Armee die Stadt Rafah im Süden des Gebiets an, die Hamas meldete zahlreiche Tote. Über die Rettungsaktion wurden nun erste Details bekannt.
Die Operation begann um kurz vor zwei Uhr in der Nacht zum Montag mit schweren Luftangriffen auf mehrere Ziele im Süden des Gazastreifens. In der Folge gelang es Polizei, Inlandsgeheimdienst und Armee, bei ihrem gemeinsamen Vorgehen den 70-jährigen Louis Norberto Har und den 60-jährigen Fernando Marman zu befreien. Sie befinden sich bereits in Israel und werden derzeit im Sheba Medical Center bei Tel Aviv untersucht. Laut Ärzten sind sie gesundheitlich in guter Verfassung. Zudem konnten sie bereits ihre Familien treffen.
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Der Schwiegersohn einer der Befreiten sagte israelischen Medien, die Familie habe die Mitteilung in der Nacht bekommen und die vier erwachsenen Kinder seien direkt ins Krankenhaus gefahren. Trotz der mehr als viermonatigen Geiselhaft sei der 70-jährige Har in vergleichsweise gutem Zustand, er sehe nur etwas dünn und blass aus. »Er ist etwas schockiert von dem ganzen Trubel«, sagte der Schwiegersohn dem israelischen Sender Kan vor dem Schiba-Krankenhaus nahe Tel Aviv. Dorthin wurden die Männer nach ihrer Befreiung mit einem Hubschrauber gebracht. »Er hat weniger erzählt, was ihm passiert ist, und wollte eher wissen, wie es uns geht, den Kindern und den Enkelkindern.« Er habe sich auch an die Geburtstage aller Angehörigen erinnert.
Der Militärkorrespondent der »Times of Israel«, Emanuel Fabian, postete ein Foto der beiden befreiten Geiseln mit Angehörigen auf X (ehemals Twitter).
Vor Har und Marman, beide israelisch-argentinische Staatsbürger, hatte Israel erst eine Geisel befreien können – gleich zu Anfang des Krieges vor vier Monaten. Weitere Befreiungsversuche waren misslungen. Der Sprecher von Israels Armee (IDF), Daniel Hagari, sagte am frühen Morgen, die Einheiten hätten nun »eine professionelle und akkurate Operation« durchgeführt. Soldaten hätten die beiden Geiseln beim Zugriff mit ihren eigenen Körpern physisch abgeschirmt. Im Anschluss hätten sie die Männer unter Beschuss aus dem Apartment evakuiert. »Es war eine Operation, auf die wir uns vorbereitet haben und bei der wir auf die richtigen Umstände dafür gewartet haben«, so Hagari.
Rettungsaktion im Flüchtlingslager
Har und Marman waren zuletzt im zweiten Stock in einem Haus im Flüchtlingslager Shaboura in Rafah gefangen gehalten worden. Laut Angaben der israelischen Armee töteten die Soldaten beim Zugriff mindestens drei ihrer Bewacher. Sie hatten die Tür zum Versteck der Geiseln aufgesprengt. Aus palästinensischen Quellen hatte es zuvor geheißen, es habe in der Nacht Dutzende Tote bei Luftangriffen und Feuergefechten in der Gegend gegeben. In Shaboura stehen die Häuser oft nur wenige Meter voneinander entfernt. Das dürfte den Einsatz zusätzlich verkompliziert haben.
Die Hamas erklärte am Montag, bei den israelischen Luftangriffen auf Rafah seien rund 100 Menschen getötet worden. Die Angriffe haben 14 Häuser und drei Moscheen in verschiedenen Teilen der Stadt getroffen, erklärte das Gesundheitsministerium der islamistischen Palästinenserorganisation. In einer vorhergegangenen Bilanz war die Zahl der Toten mit 50 angegeben worden.
Laut IDF-Sprecher Hagari waren es am Ende Kämpfer der Jamam-Eliteeinheit der Grenzpolizei, die um kurz vor zwei Uhr in die Wohnung in Shaboura eindrangen. Deren Angehörige sind auf Terrorbekämpfung und Geiselbefreiungen spezialisiert.
IDF-Generalstabschef Herzl Halevi, Schin-Bet-Chef Ronen Bar und Polizeidirektor Kobi Shabtai hätten den Einsatz in Echtzeit verfolgt und befehligt, so Hagari. Auch Premierminister Benjamin Netanyahu und Verteidigungsminister Yoav Gallant seien im Kommandoraum anwesend gewesen. Gallant feierte im Anschluss die »beeindruckende« Rettungsaktion in einem Beitrag auf X und rechtfertigte den Vorgang: »Volle Anerkennung für die IDF, den Schin Bet und die Antiterroreinheit für eine wichtige Operation und eine qualitativ hochwertige Ausführung. Wir werden weiterhin unsere Verpflichtung erfüllen, die Geiseln zurückzubringen, egal auf welche Weise.« Argentiniens Präsident Javier Milei, der erst vor wenigen Tagen Israel besucht hatte, bedankte sich bei den israelischen Streitkräften.
In Rafah halten sich nach Schätzungen der Vereinten Nationen aktuell knapp eineinhalb Millionen Menschen auf. Vor dem Krieg hatte die Stadt im äußersten Süden des Gazastreifens nur 280.000 Bewohner. Binnenflüchtlinge haben überall Zelte errichtet. Ihre Versorgung ist katastrophal. Die Menschen leiden unter Hunger und Seuchen. Helfer warnen für den Fall einer israelischen Offensive in Rafah vor einem humanitären Desaster.
Israels Premier Netanyahu hatte in einem am Sonntag ausgestrahlten Interview noch einmal betont, dass man nun auch ganz in den Süden einrücken wolle: »Wir werden die verbliebenen Hamas-Terrorbataillone und die letzte Bastion Rafah einnehmen.« Gleichzeitig sicherte er im US-Sender ABC News zu, dass die israelische Armee der Zivilbevölkerung »einen sicheren Weg aus der Stadt« ermöglichen wolle. Laut dem Weißen Haus hatte zuletzt US-Präsident Joe Biden die Israelis gewarnt, keine Offensive in Rafah ohne »glaubhaften und durchführbaren« Plan durchzuführen. Viele israelische Analysten und internationale Beobachter halten ein behutsames Vorgehen für unmöglich. Es fehle an Freiräumen und Infrastruktur für die bereits gebeutelten Menschen.
Beim Überfall der von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuften Hamas auf Israel am 7. Oktober waren israelischen Angaben zufolge rund 1160 Menschen brutal getötet und 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Vor der Befreiung der beiden Geiseln am Montag schätzte Israel, dass noch 132 Geiseln in Gaza festgehalten wurden, 29 sollen demnach tot sein.
Israel hat als Reaktion auf den brutalen Angriff der Hamas deren Vernichtung angekündigt. Bei dem massiven Militäreinsatz im Gazastreifen sind nach jüngsten Angaben der Hamas mehr als 28.000 Menschen getötet worden. Die Zahlen lassen sich nicht unabhängig überprüfen, werden aber von internationalen Organisationen als glaubwürdig angesehen.
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