Krankenhausreform: Lauterbach will „drastischen Umbau“ der Klinik-Landschaft

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Prof. Karl Lauterbach SPD, Bundesminister fuer Gesundheit, aufgenommen bei Gespraechen mit Vertreter data-portal-copyright=

Der Minister will die Krankenhausreform Ende April beschließen – und rechnet mit spürbaren Konsequenzen schon in diesem Jahr. Viele Kliniken wollen derweil Personal abbauen und Stationen schließen.

Die Krankenhausreform befindet sich laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf der „Zielgeraden“. Der Minister zeigte sich am Donnerstag nach einem Spitzentreffen optimistisch, dass der Zeitplan gehalten werden könne, das Gesetz Ende April im Kabinett zu beschließen. An den Gesprächen nahmen Vertreter von Bund, Ländern und der Gesundheitsverbände teil.

Im Kern geht es bei der Reform um die Frage, wie die medizinische Versorgung für Menschen in Deutschland mit weniger Krankenhäusern und bestenfalls auch weniger Kosten funktionieren kann. Während Lauterbach die Reform als „Revolution“ sieht, üben einige Bundesländer und Krankenhäuser scharfe Kritik und warnen vor massenhaften Klinikinsolvenzen.

Den Häusern fehle Planungssicherheit und ein Kostenausgleich für die Inflation der vergangenen Jahre, kritisierte ihr Spitzenverband ebenfalls am Donnerstag. Gerald Gaß, Vorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), warnte vor erheblichen Einschränkungen in der Versorgung. Mehr als die Hälfte der Kliniken plane, in den nächsten zwölf Monaten Personal abzubauen, Stationen oder sogar ganze Standorte zu schließen. „So versuchen die Krankenhäuser mit aller Macht, Insolvenzen zu verhindern“, sagte Gaß – mit Folgen für die Patienten.

Lauterbach rechnet nicht mit „Insolvenzwelle“ bei Krankenhäusern

Lauterbach hingegen sagte, es werde „keine Insolvenzwelle geben“. Die Zahl der Insolvenzen halte sich in Grenzen, zudem erhielten die Kliniken durch die Reform Finanzhilfen. „Und es ist unstrittig, dass wir deutlich zu viele Krankenhäuser haben“, sagte der Minister. 1150 der rund 1700 Kliniken würden beispielsweise eine Knie-Endoprothetik anbieten, rund 1000 Einrichtungen eine Wirbelsäulenchirurgie – das sei schlicht zu viel. „Das System muss effizienter werden.“

Die Bundesländer hätten durch die Reform künftig die Möglichkeit, die Krankenhauslandschaft besser zu planen, etwa indem sie die Wirbelsäulenchirurgie an wenigen Standorten zentralisieren. Vereinfacht gesagt können die Länder den Einrichtungen sogenannte Leistungsgruppen für bestimmte Behandlungen zuweisen, die sie anbieten sollen. Für diese erhalten sie dann Geld. „Wir werden einen drastischen Umbau sehen“, sagte Lauterbach.

Dieser werde schon im Herbst 2024 beginnen. Dann werde Ländern und Kommunen ein Modell zur Abschätzung der Folgen zur Verfügung gestellt, das die Krankenhauskommission entwickelt hat. „Wir haben das Krankenhaussystem bislang im Blindflug geflogen und keine Daten über die Verteilung der Leistungen gehabt“, sagte Lauterbach. Das ändere sich nun. Deutschland sei in diesem Modell in 84.000 Zellen eingeteilt. „Die Länder können für jede dieser Zellen sehen, welcher Standort welche Bedeutung für die Versorgung hat.“

DKG-Chef Gaß sieht ebenfalls einen „Blindflug“ – allerdings gerade durch die Reformpläne. Die erste umfassende Evaluierung der Reform sei erst für Ende 2029 geplant. „Das ist viel zu spät“, sagte er. Die Krankenhäuser bräuchten für ihre Arbeit von Anfang an klare Strukturen, doch Lauterbach höre nicht auf die Expertise der Branche. „Es gibt null Resonanz“, monierte Gaß.

Nach aktuellsten Zahlen des Statistischen Bundesamts gab es 2022 in Deutschland knapp 480.000 Klinikbetten, mit denen die Kliniken knapp 17 Millionen Behandlungen pro Jahr meldeten. Die Zahl der Standorte sinkt seit Jahren, 1991 gab es noch mehr als 2400 Kliniken.

Krankenhausreform: Das steht in Lauterbachs Entwurf

Bund, Länder und Branche sind sich bei der Krankenhausreform noch nicht einig. Worum geht es genau? Das steht in Lauterbachs Gesetzentwurf:

– Vorhaltepauschale statt Fallpauschale: Bisher bekommen die Krankenhäuser Geld für Behandlungen von den Krankenkassen. Lauterbach sieht sie deshalb in einem Hamsterrad, bei dem mehr Behandlungen mehr Einnahmen bringen. Deshalb sollen sie in Zukunft 60 Prozent ihrer Einnahmen dafür bekommen, dass sie Betten, Personal und Geräte für die medizinische Versorgung vorhalten. Die Fallpauschale würde dann nur noch 40 Prozent der Einnahmen ausmachen. Die Krankenhäuser verweisen aber auf Berechnungen, die zeigten, dass diese Änderungen sich letztlich kaum auf die Finanzierung der Kliniken auswirkten.

– Neue Qualitätskriterien: Die Reform soll klar festlegen, für welche vorgehaltenen Leistungen eine Klinik wie viel Geld bekommt. Welches Krankenhaus was anbietet, entscheiden die Länder – sie sind für die Planung zuständig. Offen ist allerdings noch, wie genau die Leistungen klassifiziert werden sollen. Vorbild könnte eine parallel laufende Reform in Nordrhein-Westfalen sein.

– 50 Milliarden für Transformation: Mit einem milliardenschweren Fonds will Lauterbach den Wandel der Kliniklandschaft finanzieren, etwa die „Umstrukturierung“ und „Schließung“ einzelner Standorte. Kleinere Kliniken sollen mit dem Geld zu sogenannten Level-1i-Krankenhäusern werden, die ambulante und pflegerische Leistungen anbieten, für die nicht zwingend Ärzte nötig sind. Bis zu 700 Kliniken könnten betroffen sein. Das Geld sollen die Länder und die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) aufbringen.

– Ausnahmen für ländliche Regionen: Das Gesetz will verhindern, dass der Weg zum nächsten Krankenhaus auf dem Land zu weit wird, wenn einzelne Kliniken bestimmte Leistungen nicht mehr anbieten oder schließen. Als Richtwert gilt eine Auto-Anfahrt von 30 Minuten für die allgemeine Chirurgie, 40 Minuten für alle anderen Behandlungen.

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