„Ich würde Irans Atomanlagen bombardieren lassen“

Senator Joe Lieberman wäre fast US-Vizepräsident geworden. Heute warnt er vor der Gefahr einer iranischen Atombombe – und fordert Europa zum Handeln auf. Teheran besitze so viel angereichertes Uran, dass damit binnen einer Woche ein Nuklearsprengsatz herstellbar wäre.

„ich würde irans atomanlagen bombardieren lassen“

„Der Iran hat kein Interesse an friedlichen Beziehungen“, sagt Joe Lieberman The Washington Post/Getty Images

Während die Welt gebannt die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten verfolgt, gerät ein Thema aus dem Blick, das potenziell noch gefährlicher ist: das iranische Atomprogramm. Das kritisiert der frühere US-Senator und Vizepräsidentschaftskandidat Joseph Lieberman. Dabei hänge die Politik des Iran doch mit beiden großen Krisen zusammen.

„George W. Bush hat mal von der ‚Achse des Bösen‘ gesprochen. Heute existiert tatsächlich so etwas“, sagt Lieberman. Schließlich habe der Iran seine militärtechnischen Fähigkeiten derart weiterentwickelt, dass er heute Russland mit wirksamen Waffen für dessen Krieg in der Ukraine beliefern könne. „Das ist eine direkte Bedrohung für die Nato und die transatlantischen Verbündeten“, sagt Lieberman. Und im Fall von Gaza sei der Zusammenhang noch offensichtlicher.

Lieberman beschäftigt sich schon lange mit dieser Bedrohung. Der 82-Jährige saß von 1989 bis 2013 für den Bundesstaat Connecticut im Senat, 2002 war er maßgeblich für die Schaffung des neuen Heimatschutzministeriums verantwortlich, war Mitglied im Streitkräfteausschuss und vielen anderen. Im Jahr 2000 trat er als „running mate“ von Al Gore bei der Präsidentschaftswahl an, und er wäre beinahe der erste jüdische Vizepräsident der USA geworden, wenn Gore und ihm der Sieg nach einem Auszählungschaos vom Obersten Gerichtshof nicht aberkannt worden wäre – trotz landesweiter Stimmenmehrheit. Aber Lieberman ist bis heute hoch angesehen und gut vernetzt.

Das zeigt sich etwa, wenn man mit Lieberman während der Münchner Sicherheitskonferenz durch den Bayrischen Hos spaziert. Er begrüßt drei Senatoren, fragt einen Sonderberater von US-Präsident Joe Biden, wie es seiner Frau gehe. Ein General aus dem Pentagon, der ebenfalls nach Münchner angereist ist, ruft Lieberman noch zu: „Danke, Mann! Du hast mir neulich echt den Arsch gerettet!“

Im Gespräch zieht Lieberman eine Linie vom Krieg im Gaza-Streifen zur Bedrohung des Westens. „Letztlich ist die palästinensische Terrorgruppe Hamas ein inoffizieller Teil der iranischen Streitkräfte, ebenso wie die libanesische Hisbollah-Miliz oder die Huthi-Rebellen im Jemen“, sagt der Senator. „Gemeinsam bedrohen sie nicht nur Israel und die arabischen Staaten, sie fordern auch aggressiv die Rolle des Westens in der Region heraus. Wir alle werden den Preis für diese Strategie des Iran zahlen.“

Nach Einschätzung des Institute for Science and International Security in Washington besitzt Teheran schon so viel angereichertes Uran, dass damit binnen einer Woche ein funktionsfähiger Nuklearsprengsatz herstellbar wäre. Und nichts und niemand scheint die herrschenden Kleriker um Revolutionsführer Ali Khamenei aufhalten zu können. Der Westen müsse jetzt handeln, findet Lieberman.

„Israels Premierminister Jizchak Rabin hat mal gesagt: ‚Man kann nur Frieden mit seinen Feinden machen, nicht mit seinen Freunden‘“, sagt der Senator. „Das sehe ich genauso, und deshalb bin ich fast immer für Verhandlungen. Aber die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass Teheran kein echtes Interesse an vertrauenswürdigen Verhandlungen und friedlichen Beziehungen habe. Der Iran ist eine feindliche Macht gegenüber den Vereinigten Staaten und dem Westen.“

Als Demokrat gehört der Senator derselben Partei an wie Präsident Joe Biden und Barack Obama, der 2015 das Atomabkommen mit Teheran aushandelte. Dessen Prinzip lautete in Kurzform: Beschränkung und Kontrolle des iranischen Atomprogramms im Austausch für eine Aufhebung internationaler Sanktionen gegen die Islamische Republik.

„Ich war von Beginn an gegen das Abkommen, weil ich nicht geglaubt habe, dass der Iran sein Wort halten würde“, sagt Lieberman. Trotz der Vereinbarung baute der Iran seine Milizen im Nahen Osten weiter auf. 2018 kündigte Donald Trump die Vereinbarung, heute treibt Teheran sein Atomprogramm energisch voran.

Unter den großen alten Männern der US-Außenpolitik gibt es kaum einen unabhängigeren Kopf als Lieberman. Der Sohn jüdischer Eltern war der Erste in seiner Familie, der studierte, und er schaffte es gleich an die Elite-Universität Yale. Seine politische Karriere begann er Anfang der 1970er-Jahre im linken Flügel der Demokraten, wurde aber immer wieder auch von Republikanern unterstützt.

Eine Gefahr für den gesamten Westen

Im Jahr 2000 wäre Lieberman fast der erste jüdische Vizepräsident der USA geworden, wenn nicht er und der demokratische Präsidentschaftskandidat Al Gore nach einem Auszählungschaos trotz landesweiter Stimmenmehrheit ihren Sieg vor Gericht verloren hätten.

Dass sich Lieberman auch nach seinem Ausscheiden aus dem Senat 2013 noch in Sachen Iran engagiert, etwa als Präsident der Initiative United Against Nuclear Iran, liegt nicht nur an seiner Verbundenheit mit dem Staat Israel. Für ihn ist das iranische Atomprogramm eine Gefahr für den Westen, die in der Öffentlichkeit zu häufig unterschätzt wird.

Europa könnte noch mehr tun, um den Iran diplomatisch und wirtschaftlich zu isolieren, findet Lieberman. Und die USA könnten militärisch noch mehr leisten. Seit Jahren droht Israel mit Luftschlägen gegen die Atomanlagen des Iran. Vermutlich bräuchte Israel die Unterstützung der USA für eine solche Operation. Lieberman hält es nicht für ausgeschlossen, dass Washington im Ernstfall zu solchen Hilfsleistungen bereit wäre. Aber er würde es sogar befürworten, wenn die USA selbst eingriffen.

„Wenn ich über diese Frage zu entscheiden hätte, dann würde ich Irans nukleare Infrastruktur bombardieren lassen“, sagt der Senator. „Das Regime ist einfach schon zu nah an der Bombe. Wenn wir jetzt zuschlagen würden, hätten wir immerhin noch das Überraschungsmoment auf unserer Seite. Und das brauchen wir, wenn wir den Iran stoppen wollen.“

Er glaube aber nicht, dass die aktuelle oder die nächste US-Administration das Problem militärisch lösen werde. Darum setzt er sich für eine zusätzliche Strategie ein, die er langfristig wichtiger findet: Unterstützung für einen Regimewechsel in Teheran.

„Ronald Reagan hat in den 1980er-Jahren die oppositionelle Gewerkschaft Solidarnosc im kommunistischen Polen mit Millionen von Dollar unterstützt“, erinnert Lieberman. „Das war ein wichtiger Impuls für den Sieg über den Kommunismus. Im Iran sollten wir es genauso machen.“ Natürlich: Die Opposition im Iran sei tief gespalten. Aber das sei eben meistens der Fall beim Widerstand gegen Diktaturen.

„Wir sollten keine Favoriten wählen, sondern bereit sein, jeden legitimen Widerstand gegen das Regime zu unterstützen“, findet Lieberman. Die Proteste gegen den Kopftuchzwang und den Mord an Mahsa Amini, die im vergangenen Jahr zu einem breiten Volksaufstand ausweiteten, hätten doch gezeigt, wie unzufrieden die Menschen mit dem Regime seien.

„Ein Aufstand der Bevölkerung könnte die Führung derart unter Druck setzen, dass sie auf die Bombe verzichtet“, sagt Lieberman. „Und wenn das Regime wirklich stürzt, dann wäre das umso besser. Anders lässt sich die Gefahr, die derzeit vom Iran ausgeht, nicht mit Sicherheit beseitigen.“

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