Öl: Welche Folgen eine Eskalation im Iran-Israel-Konflikt für den Ölpreis hätte

Die Spannungen im Nahen Osten haben den Ölpreis zuletzt wieder massiv in die Höhe getrieben. Die Anspannung an den Märkten ist groß. In welchen Szenarien ein Anstieg auf 100 Dollar und darüber hinaus wahrscheinlich ist – eine Analyse.

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Öl: Welche Folgen eine Eskalation im Iran-Israel-Konflikt für den Ölpreis hätte

Seit dem Wochenende ist sie wieder da, die Sorge eines Ölpreissprungs über die 100-Dollar-Marke. An den Ölmärkten herrscht Alarmstimmung, seit der Konflikt im Nahen Osten eine neue Dimension erreicht hat und Israel jetzt offenbar den Iran angegriffen hat. Die Explosionen nahe der Stadt Isfahan sehen nach dem erwarteten Gegenangriff aus.

Rohöl von Europas wichtigster Sorte Brent kostet in diesen Tagen rund 88 Dollar pro Barrel (159 Liter), so viel wie seit Oktober 2023 nicht mehr. Kurz vor dem iranischen Angriff, die Antwort auf den mutmaßlich israelischen Anschlag auf eine iranische Botschaft, war der Ölpreis zeitweise über 92 Dollar pro Fass gestiegen. Als der Iran in der Nacht zum 14. April schließlich tatsächlich Israel angriff, passierte an den Ölmärkten erst einmal – nichts. Der Ölpreis verharrte zunächst, statt Preissprung kam es zum Preisrückgang. Der Grund: Die Märkte hatten den Angriff kommen sehen und entsprechend eingepreist.

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Seit Freitagmorgen ist die Anspannung am Ölmarkt zurück – zumal eine offizielle Bestätigung für den Angriff noch aussteht und noch nicht klar ist, wie eine mögliche Antwort Irans aussieht. Hinzu kommt, dass inzwischen die USA als auch die Europäische Union (EU) angekündigt haben, ihre Sanktionen gegen den Iran zu verschärfen. Beide Faktoren könnten sich auch am Ölmarkt bemerkbar machen. Denn das Land ist der viertgrößte Ölproduzent im Förderländer-Kartell Opec und liegt an einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten im Ölhandel, ein enormes Druckmittel.

Wie groß ist also die Gefahr, dass die Spannungen im Nahen Osten den Ölpreis wieder in Richtung 100 Dollar treiben könnten? Möglich ist das, auch wenn derzeit noch einiges dagegen spricht. Grundsätzlich gilt: Jede Störung in der weltweiten Ölversorgung kann die Preise in Höhe treiben.

Mögliche Blockade von Straße von Hormus

Befürchtet wird, dass der Iran die Straße von Hormus blockiert. Die Meerenge zwischen Iran und Oman, die den Persischen Golf mit dem Indischen Ozean verbindet, ist eine der wichtigsten Handelsrouten. 30 Prozent des weltweiten Ölhandels fließt über die Wasserstraße. Im ersten Quartal wurden 15,5 Millionen Barrel Rohöl und Kondensat aus Saudi-Arabien, dem Irak, Kuwait, den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) und dem Iran durch die Straße von Hormus verschifft. Noch wichtiger ist die Route für Flüssigerdgas (LNG). Mehr als ein Fünftel der weltweiten Lieferungen durchqueren die Meerenge, vor allem LNG aus Katar.

Dadurch, dass die Transportroute im Norden an den Iran grenzt (siehe Karte), sind die Schiffe besonders anfällig für Angriffe mit landgestützten Raketen, Patrouillenbooten und Hubschraubern. Zudem gibt es das Risiko von Minen aufgrund der geringen Wassertiefe.

Der Iran nutzte dies in den vergangenen Jahrzehnten in geopolitischen Konflikten immer wieder aus, um sich beispielsweise gegen Sanktionen zu wehren. Erst kürzlich am 14. April beschlagnahmte die iranische Revolutionsgarde ein Handelsschiff mit Verbindungen nach Israel, mutmaßlich aus einem Vorwand.

Sollte Teheran diesen Seeweg blockieren, dürften die Ölpreise angesichts des verknappten Angebots mindestens kurzfristig in die Höhe schnellen. „Die Schließung der Straße von Hormus würde zu Preisen im Bereich von 120 bis 130 Dollar führen“, schätzt Ölexperte Andy Lipow.

Ölhändler halten es indes für unwahrscheinlich, dass der Iran die Meerenge jemals komplett schließen würde. Denn ohne die Handelsstraße hätte auch der Iran selbst Schwierigkeiten, sein Öl zu exportieren. Saudi-Arabien und die VAE könnten zur Not auf Pipelines ausweichen, Kuwait, Katar und Bahrain hingegen sind vom Wasserweg abhängig.

Attacken auf Ölexportanlagen im Iran drohen

Ein weiteres Risiko ist, dass bei einer Ausweitung des Konflikts Anlagen im Persischen Golf attackiert und womöglich zerstört werden. So könnte es in der Folge zu einem physischen Engpass auf dem Ölmarkt kommen. „Jeder Angriff auf die Ölproduktion oder die Exportanlagen im Iran würde den Preis für Brent-Rohöl auf 100 Dollar treiben“, prognostiziert Lipow. Der Iran produzierte 2023 laut US-amerikanischer Energiebehörde (EIA) pro Tag 3,6 Millionen Barrel Rohöl und Kondensat pro Fass, gut ein Viertel der Menge von Topproduzent USA.

Trotz Sanktionen konnte der Iran seine lukrativen Ölgeschäfte zuletzt sogar deutlich ausweiten. Das Land exportierte im ersten Quartal 2024 so viel Öl wie seit sechs Jahren nicht mehr, wie die „Financial Times“ berichtet. „Die Iraner beherrschen die Kunst der Umgehung von Sanktionen“, sagt Fernando Ferreira vom US-Analysehaus Rapidan Energy Group. Auf hoher See verschleiert der Iran die Routen seiner Öltanker, ähnlich wie Russland im Ukraine-Krieg.

Dass der Iran überhaupt dazu in der Lage ist, liegt Experten zufolge auch daran, dass US-Präsident Joe Biden (81) seit seinem Amtsantritt 2021 die höhere Ölproduktion des Iran duldet und die Sanktionen lockerte. Ziel war es offenbar, den Ölpreis zu drücken und die heimische Inflation nicht weiter anzuheizen. Das größte Risiko für die Ölversorgung im Nahost-Konflikt sei darum politischer Natur, sagt Ölexperte Javier Blas. „Sollte Biden die Sanktionen wieder in Kraft setzen, könnte dies den Markt erheblich verengen.” Das aber sei unwahrscheinlich, meint Blas, schließlich stehen in wenigen Monaten die Präsidentschaftswahlen an.

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