Geert Wilders in den Niederlanden gewählt: »Der Monstersieg« – die Pressestimmen

Kann Geert Wilders nach seinem Wahlerfolg eine Regierung bilden? Niederländische und internationale Medien sind sich uneins, was dem Land bevorsteht. Klar scheint: Den Wahlsieger zu ignorieren, wird schwer.

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Geert Wilders in den Niederlanden gewählt: »Der Monstersieg« – die Pressestimmen

Überraschend ist nicht nur der Sieg – sondern auch, wie deutlich er ausfiel: Rechtspopulist Geert Wilders hat die Parlamentswahl in den Niederlanden mit klarem Abstand gewonnen. Was bedeutet das für den künftigen Kurs des Landes? Die Presse erwartet einige Veränderungen – unabhängig davon, ob Wilders tatsächlich Regierungschef wird:

Niederlande:

»De Volkskrant«: »In den vergangenen vier Jahrzehnten hat die größte Partei auch stets den Premierminister gestellt. Diese Selbstverständlichkeit wird nun in Zweifel gezogen. Dilan Yesilgöz, die Vorsitzende der (rechtsliberalen bisherigen Regierungspartei) VVD, sagte noch am Montag, dass ihre Partei unter ihrer Führung niemals einem Kabinett mit Geert Wilders als Premierminister angehören werde. Der PVV-Vorsitzende sei nicht fähig, zusammenzuführen und nicht geeignet, die Niederlande auf der Weltbühne zu vertreten. Die VVD wird jedoch unter immensen Druck geraten, doch mit Wilders zusammenzuarbeiten. Sie hat ein Zusammengehen Wilders vor den Wahlen nicht ausgeschlossen, warum also danach? (…)

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Der Monstersieg von Wilders hat also das gesamte Haager System unter großen Druck gesetzt. Auch der PVV-Vorsitzende selbst wird nun die Last seines eigenen Erfolgs zu spüren bekommen. Er hat sich nie um den Aufbau einer gefestigten Partei oder um ein Netzwerk von potenziellen Ministern gekümmert. All die Jahre konnte er mit einfachen Lösungen auftrumpfen, wie zum Beispiel Grenzen schließen, kein Asyl und raus aus der EU. Jetzt kann er den Wählern zeigen, wie das gehen soll.«

»De Telegraaf«: »Die Niederlande erleben eine große Krise. Die Asylpolitik ist bankrott, der Wohnungsmarkt ist zum Erliegen gekommen und immer mehr Menschen kommen unter anderem wegen der hohen Energiekosten nicht mehr über die Runden. Gleichzeitig steht die Wirtschaft unter Druck, die Gesundheitskosten steigen und es stehen Entscheidungen zu den Klimazielen an. (…)

Die neue Vorsitzende der (rechtsliberalen Regierungspartei) VVD hatte mit ihrem Vorgänger gebrochen, indem sie die Tür zum Regieren mit der (rechtspopulistischen) PVV öffnete, was für deren Vorsitzenden Geert Wilders von Vorteil war. Parteien stritten, ob man die PVV ausschließen muss oder nicht.

Inzwischen haben die Wähler gesprochen: Alle Parteien der Regierungskoalition wurden abgestraft und die (rechtspopulistische) Partei für die Freiheit (PVV) wurde stärkste Kraft. Nun steht die Bildung einer neuen Regierung an. Das übliche Haager Theater wird dabei nicht helfen. Umfragen des ›Telegraaf‹ haben gezeigt, dass die Niederländer davon die Nase voll haben. Es geht nicht anders, als dass Parteien Erklärungen zu möglichen Koalitionspartnern korrigieren. Nur dann wird es in absehbarer Zeit gelingen, ein Kabinett zu bilden. Und das ist angesichts der erwähnten Krisen dringend nötig.«

Belgien:

»De Standaard«:»Natürlich spielte die Migration eine wichtige Rolle. Ministerpräsident Mark Rutte hatte im Streit darüber die Regierungskoalition zerbrechen lassen. Rutte trat mit seiner Partei VVD für eine viel härtere Politik ein. Aber es war Geert Wilders, der darauf schon seit Jahren pochte. Für jene, die der Meinung sind, dass es in den Niederlanden zu viele Migranten gibt, ist er daher der glaubwürdigste Politiker geblieben.

Der enorme Erfolg seiner Partei für die Freiheit (PVV) macht es unmöglich, sie bei der Regierungsbildung zu ignorieren. Wilders bekommt die Initiative. Aber wer will mit ihm eine Koalition eingehen? Bevor das Ergebnis bekannt war, hielten die meisten Parteien wenig von einem Kabinett mit Wilders, geschweige denn mit ihm als Premierminister. Aber mit diesem Ergebnis führt kaum ein Weg an einem Premier Wilders vorbei. Er selbst lässt keinen Zweifel daran, dass er regieren will und dass er dafür auch zu Zugeständnissen bereit wäre.«

Italien:

»Corriere della Sera«: »Wilders führt nun die Partei an, die auf dem ersten Platz liegt. Aber alle anderen haben ausgeschlossen, mit ihm zu regieren. Selbst die Liberalen, die ihn als Verbündeten in einer von ihnen geführten Regierung akzeptiert hätten, wollen ihn als Ministerpräsidenten nicht unterstützen. Aber ohne ihn reicht es nicht.

(Der Spitzenkandidat des rot-grünen Bündnisses, Frans) Timmermans hat jede Allianz ausgeschlossen. Auf eine Mehrheit von 76 Sitzen zu kommen, wäre für eine Koalition einfacher, in der ihn die anderen beiden größten Parteien unterstützen, die Liberalen und NSC. Deren Unterstützung ist aber nicht garantiert. Die Bildung der vorherigen Regierung dauerte neun Monate. Dieses Mal muss es schneller gehen: um bis Juni bereit für die Europawahlen zu sein.«

USA:

»Politico«: Selbst wenn Wilders bereit ist, seine Forderung nach einem EU-Referendum im Tausch gegen die Macht aufzugeben, wird sein Sieg die EU-Institutionen dennoch erschüttern. Und wenn sich die Parteien der Mitte zusammentun, um Wilders – wieder einmal – aus dem Rennen zu werfen, könnten die verärgerten niederländischen Wähler später einen Preis dafür verlangen.

Der Brexit-Befürworter Nigel Farage hat in Großbritannien gezeigt, dass man nicht an der Macht sein muss, um einflussreich zu sein.

Großbritannien:

»The Guardian«: »Den Islam hat er als ›Ideologie einer zurückgebliebenen Kultur‹ dargestellt, und Marokkaner als ›Abschaum‹ beschimpft. Geert Wilders, der wegen seiner aufrührerischen Rhetorik und der Art, wie er soziale Medien bespielt, oft mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump verglichen wird, ist seit Langem eine feste Größe in der europäischen Rechtsaußen-Landschaft. (…)

Im Vorfeld der Wahlen hatte Wilders versucht, einige seiner besonders kontroversen antiislamischen Äußerungen abzuschwächen und angedeutet, dass er seine Forderung nach einem Verbot von Moscheen und des Koran fallen lassen könnte – ein Schritt, den seine Kritiker als opportunistisch brandmarkten.

Stattdessen hat er sich auf die wachsenden wirtschaftlichen Sorgen konzentriert und versprochen, die Wohnungsnot zu beheben und die Inflation zu bekämpfen, während er den Klimaschutz als eine neue Form von Tyrannei seitens der Regierenden in Den Haag darstellte.

Klar ist jedoch, dass einige der extremeren Maßnahmen, die er vorgeschlagen hat – darunter die Wiedereinführung der niederländischen Grenzkontrollen, die Inhaftierung und Abschiebung illegaler Einwanderer und die Wiedereinführung von Arbeitserlaubnissen für Arbeitnehmer innerhalb der EU –, die DNA der Niederlande grundlegend verändern würden.«

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hatten wir die Zeitung »de Standaard« unter den niederländischen Medien eingeordnet. Es handelt sich aber um eine belgische Tageszeitung. Wir haben den Fehler korrigiert.

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