Deutschlands Generation Z rückt politisch deutlich weiter nach rechts

Die 14- bis 29-Jährigen treiben gewaltige Zukunftsängste um, stellt die Studie „Jugend in Deutschland“ fest. Neben Kriegen und Wirtschaftsproblemen zählt dazu auch wachsende Sorge wegen der Asyl-Migration. Und etwa doppelt so viele würden die AfD wählen wie noch vor zwei Jahren.

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Getty Images/Image Source/Ben Pipe Photography

Die Jugend und das junge Erwachsenenalter sind normalerweise eine Zeit, die von Aufbruchsstimmung und Zukunftsoptimismus bestimmt ist. Doch diese Gefühlswelt hat gewaltige Risse bekommen. Aktuell präsentiert sich die Generation Z sorgenvoll, pessimistisch und psychisch angeknackst. Zudem wirkt sich der Frust über ungelöste gesellschaftliche Probleme und Sorgen um die Sicherung des Wohlstandes in einem deutlichen Rechtsruck aus. Das sind einige der zentralen Ergebnisse der siebten Trendstudie „Jugend in Deutschland“, die von den Jugendforschern Simon Schnetzer, Klaus Hurrelmann und Kilian Hampel vorgelegt wurde.

Sie basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2042 jungen Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren und wird seit 2020 in regelmäßigen Abständen wiederholt. In den ersten Erhebungen war es vor allem die Corona-Krise, die zu schweren Beeinträchtigungen in der Lebensqualität und psychischen Verfasstheit der Jugendlichen geführt hat. Inzwischen haben sie die Pandemie-Zeit mehrheitlich abgehakt – jetzt stehen wirtschaftliche und politische Sorgen im Vordergrund.

Die persönliche Zufriedenheit der jungen Menschen mit ihrer finanziellen, gesundheitlichen, psychischen und beruflichen Lage ist zwar noch schwach positiv, im Vergleich zu den letzten beiden Erhebungen von 2023 und 2022 ist sie aber gesunken. Für die nähere Zukunft erwarten die jungen Menschen zwar eine Verbesserung ihrer persönlichen Lage. Für die wirtschaftliche Entwicklung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die politischen Verhältnisse aber sehen sie schwarz. Hier fällt die Bewertung schon jetzt negativ aus, in den nächsten zwei Jahren erwarten die Jugendlichen eine weitere Verschlechterung.

„Unsere Studie dokumentiert eine tief sitzende mentale Verunsicherung mit Verlust des Vertrauens in die Beeinflussbarkeit der persönlichen und gesellschaftlichen Lebensbedingungen“, so Schnetzer. „Die Aussicht auf ein gutes Leben schwindet. Die große Frage für alle Akteure in der Gesellschaft wird sein, wie sie junge Menschen für eine positive Vision im Land begeistern und sie an Veränderungsprozessen beteiligen können.“

Demnach die größten Sorgen der Jugendlichen: Inflation (65 Prozent), der Krieg in Europa und Nahost (60 Prozent), teurer und knapper Wohnraum (54 Prozent), der Klimawandel und die Spaltung der Gesellschaft mit je 49 Prozent sowie die Wirtschaftskrise und die Angst vor Altersarmut mit je 48 Prozent. Besonders stark zugenommen hat die Sorge vor einer „Zunahme der Flüchtlingsströme“, also der Migration von Asylbewerbern. Hier ist es seit dem vorvergangenen Jahr einer Verdopplung der Werte gekommen, von 22 auf 41 Prozent.

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Infografik WELT

Damit habe dieses Thema nun auch die junge Generation erreicht, obwohl sie es mehr noch als die ältere gewohnt sei, in international und multiethnisch geprägten Kreisen zu leben, so die Studienautoren. „Davon unabhängig scheint aber die Sorge zu wachsen, dass zu viele Flüchtlinge ins Land kommen und dies aufgrund des knappen Wohnraums, der sozialen Spaltung und finanziell strapazierter Sozialsysteme Gefahren mit sich bringt.“

Zuspruch zu Ampel-Parteien sinkt

Diese Sorge spiegelt sich auch in den politischen Präferenzen. In nur einem Jahr hat die AfD ihren Stimmenanteil bei jungen Menschen fast verdoppelt. Sie steht mit 22 Prozent aktuell an der Spitze der Wählergunst bei den unter 30-Jährigen. „Ganz eindeutig ist es der AfD gelungen, sich als Protestpartei für die Ampel und als Problemlöser für die aktuellen Sorgen anzubieten“, heißt es dazu in der Studie.

Etwas abgeschwächt gelte das auch für die CDU/CSU, die gegenüber der Befragung vor einem Jahr deutlich an Zustimmung gewonnen hat und nun mit 20 Prozent an zweiter Stelle steht. Die Ampel-Parteien, vor allem Grüne und FDP, haben bei den Jungwählern stark an Beliebtheit verloren.

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Infografik WELT

Im Vergleich zu der Shell-Jugendstudie von 2019 sei auch die Zustimmung zu politisch konservativen, zuwanderungs- und ausländerfeindlichen Aussagen gewachsen, wie die Forscher anhand gleichlautend gestellter Fragen herausfinden konnten. „Wir können von einem deutlichen Rechtsruck in der jungen Bevölkerung sprechen“, resümierte Forscher Hurrelmann. Ein Grund dafür sei unter anderem, dass die AfD seit ihrer Gründung vor gut zehn Jahren sehr stark in TikTok und Instagram investiere, heißt es in der Studie.

Auch Israel-Kritik ist in der jungen Generation weit verbreitet. Nur 26 Prozent stimmten der Aussage zu, dass Deutschland eine historische Verantwortung für Israel und die Juden in Deutschland trage. 36 Prozent lehnen sie ab, und etwa ein Viertel ist unentschieden.

Schlecht steht es auch um die psychische Verfasstheit der Gen Z. Die Selbstangaben zur Belastung durch Stress, Einsamkeit und Angstzustände sind gegenüber den vorangegangenen Jahren noch häufiger geworden. Die Belastung junger Menschen durch Erschöpfung, Selbstzweifel, Antriebslosigkeit und Gereiztheit befindet sich auf etwa dem gleichen Niveau wie im Vorjahr. Besonders alarmierend: Elf Prozent der Befragten gaben an, aufgrund von psychischen Belastungen aktuell in Behandlung zu sein – 13 Prozent der jungen Frauen und acht Prozent der jungen Männer.

Das gestiegene Ausmaß von psychischen Belastungen wirkt sich der Umfrage zufolge auch auf Schule und Job aus. Viele Schulen, Ausbildungsbetriebe und Unternehmen berichteten über einen steigenden Krankheitsstand und vermittelten den Eindruck, die jungen Leute seien weniger belastbar, heißt es in der Studie. Ein Eindruck, der den Umfrageergebnissen zufolge nicht ganz von der Hand zu weisen ist.

Zwar gibt mehr als die Hälfte der Befragten an, im letzten Jahr maximal sechs Tage wegen Krankheit gefehlt zu haben. Mehr als ein Fünftel hatte aber 13 und mehr Krankheitstage, meist wegen körperlicher Krankheiten. Mehr als ein Viertel der Befragten gab aber auch an, wegen mangelnder Lust und Motivation oder dem Gefühl von Überforderung oder Ausgebranntseins nicht zur Schule oder zur Arbeit gegangen zu sein.

Neue Statussymbole lösen Auto und Co. ab

Dem oft vermittelten Eindruck, die Gen Z sei nicht mehr so leistungsfähig wie die Generationen zuvor, traten die Forscher dennoch entgegen. Junge Menschen in Deutschland seien grundsätzlich bereit, Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft zu übernehmen, so die Forscher.

Der Aussage „Ich bin mir bewusst, dass meine Generation für den künftigen Wohlstand in Deutschland verantwortlich ist“ stimmten 63 Prozent voll und ganz oder eher zu. 64 Prozent bewerten ihre Chancen gut, um auf dem Arbeitsmarkt mit ihrer Qualifikation und Erfahrung einen Job zu finden.

Das Wichtigste ist ihnen dabei eine gute Arbeitsatmosphäre (64 Prozent), eine gute Balance von Arbeit und Freizeit (56 Prozent) sowie der Sicherheit des Arbeitsplatzes (54 Prozent). Als wichtigste Leistungsmotivatoren werden Geld (51 Prozent), Spaß (41 Prozent) und „Ziele erreichen“ (31 Prozent) genannt.

Doch obwohl das Gehalt im Job der größte Motivator ist, haben materielle Werte als Statussymbol bei der Gen Z ausgedient. Mit „Mein Haus, mein Auto, mein Boot“-Sprüche können die heutige Jugend nichts mehr anfangen, haben die Forscher festgestellt. Stattdessen sind die fünf wichtigsten Statussymbole demnach: Intelligenz (37 Prozent), beruflicher Erfolg (27 Prozent), Fitness und ein athletischer Körper (24 Prozent), Reisen (21 Prozent) und schönes Aussehen (20 Prozent).

Das abschließende Fazit der Forscher: „Wir sollten uns davor hüten, die Jugend in eine Schublade zu stecken und als faul oder respektlos abzustempeln. Erstens sind junge Menschen nicht faul und zweitens riskieren wir damit, dass die einzige Jugend, die wir haben, am Ende den Glauben an sich selbst und die Zukunft verliert.“

Die Studie basiert auf einer repräsentativen Online-Befragung vom 8. Januar bis zum 12. Februar. In die Befragung gingen insgesamt Aussagen von 2042 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren ein. Die Quoten für die Repräsentativität der Studie wurden vom Institut für Demoskopie Allensbach erstellt.

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