Harte Sparmaßnahmen: Immer mehr Argentinier protestieren gegen Milei

harte sparmaßnahmen: immer mehr argentinier protestieren gegen milei

Tausende Studenten demonstrieren am Dienstag in Buenos Aires gegen Kürzungen an staatlichen Universitäten.

Seit seinem Amtsantritt prägt Präsident Javier Milei den öffentlichen Diskurs. Täglich gibt sein Sprecher Pressekonferenzen. Eine Ankündigung jagt die andere. Und gibt es nichts anzukündigen, liefert Milei trotzdem Schlagzeilen und Stoff für die sozialen Medien. Doch am Dienstag war alles anders, da sprach ganz Argentinien über die Hunderttausenden, die auf die Straße gingen, um sich gegen Kürzungen im öffentlichen Bildungswesen und die Sparpolitik Mileis aufzulehnen. Landesweit waren bis zu zwei Millionen Argentinier dem Aufruf des Hochschulrats gefolgt. Es war die größte Kundgebung gegen die Regierung seit der Amtsübernahme im Dezember des vergangenen Jahres.

Am Abend zuvor hatte Milei in einer Fernsehansprache noch seine Erfolge präsentiert. Im März verzeichnete seine Regierung abermals einen Haushaltsüberschuss, während die Inflation sich verlangsamt. Ein ganzes Quartal bewegt sich der Haushalt bereits im grünen Bereich. Das ist in Argentinien beinahe eine historische Marke. Die Einsparungen sind das Ergebnis von Kürzungen im öffentlichen Bereich und der Streichung von Subventionen.

Ein Großteil ist jedoch dem zu verdanken, was die Argentinier den „Mixer“ nennen: Ausgaben, Gehälter und Renten werden seit Dezember nicht mehr oder nur teilweise der Inflation angepasst, die sich monatlich im zweistelligen Bereich bewegt. Der Staatshaushalt des vergangenen Jahres wurde nicht angepasst, was bei einer Jahresinflation von mehr als 250 Prozent massiven Kürzungen gleichkommt. Das trifft auch die Universitäten des Landes. Einigen reichen die Mittel kaum noch aus, um die Stromrechnungen zu bezahlen. Beschäftigte haben in den vergangenen vier Monaten mehr als 30 Prozent ihres Einkommens verloren, wodurch nicht wenige unter die Armutsgrenze abgerutscht sind.

„Wie der Furz eines Tauchers“

Hatten zuvor die Gewerkschaften und linke Parteien zu Demonstrationen gerufen, die von Milei als ein Aufschrei derer abgetan werden konnte, die um ihre Privilegien fürchten, so zog die Kundgebung der Studenten ein weitaus breiteres Publikum an. Für viele Argentinier ist mit der Schröpfung des Bildungswesens das erträgliche Maß der Sparmaßnahmen überschritten. Die öffentliche Bildung und die kostenlosen Universitäten sind für viele Argentinier eine Errungenschaft, die zur Chancengleichheit und zur Stärkung einer Mittelschicht beiträgt. Unter den Demonstranten dürften auch Argentinier gewesen sein, die Milei ihre Stimme gaben. Ein Hinweis darauf war auch die Kündigung zweier Regierungsbeamter des Bildungssekretariats aus Protest gegen die Kürzungen.

Für Milei, der kaum politische Macht hat, sondern vom weiterhin großen Rückhalt in der Bevölkerung lebt, dürfte die Kundgebung ein erstes ernsthaftes Warnsignal gewesen sein. Nächste Woche wird sich die Regierung mit dem Hochschulrat treffen. Ob Milei zu Konzessionen bereit ist, ist fraglich. Er fährt weiterhin einen Konfrontationskurs, der selbst einstige und aktuelle Verbündete trifft. Am Mittwoch nutzte Milei einen Auftritt am jährlichen Forum der „Fundación Libertad“, um gegen mehrere Ökonomen zu schießen und sich über sie lächerlich zu machen, indem er ihre Stimmen zu imitieren versuchte. Zudem bemühte er eine kuriose Metapher und versprach, die argentinische Wirtschaft werde „wie der Furz eines Tauchers“ erst nach unten und dann nach oben gehen. Zu seinen Gesetzesreformen, die weiterhin auf sich warten lassen, sagte Milei, dass er diese „trotz der Politik“ durchbringen werde.

Auch Kirchner meldet sich wieder zu Wort

Der politische Widerstand gegen Milei dürfte indes zunehmen. Fast alle Oppositionspolitiker, die Rang und Namen haben, wollten sich solidarisch mit den Dozenten und Studenten zeigen und nahmen an der Demonstration teil. Dahinter steckte auch ein beträchtliches Maß an politischem Kalkül. Wie oft nach Niederlagen und Regierungswechseln ist in der Peronistischen Partei ein Führungsvakuum entstanden, das nun diverse Anwärter zu füllen versuchen. Der interne Konflikt tobt bereits.

Nun hat auch die frühere Präsidentin Cristina Kirchner nach Wochen des Schweigens wieder ein Lebenszeichen von sich gegeben. Kirchner, die sich eigentlich aus der Politik zurückziehen wollte, jedoch weiterhin eine der natürlichen Führungsfiguren der Linksperonisten ist, wird an diesem Samstag an einem politischen Akt in der Vorstadt Quilmes teilnehmen. Sie denke, das sei eine gute Gelegenheit um „das Experiment des Anarchokapitalismus und die nutzlosen Opfer, die es für die Argentinier mit sich bringt“ nachzudenken, sagte sie.

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