Handballer Juri Knorr: Die Löwen verlieren ihr Herz

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Handballer Juri Knorr: Die Löwen verlieren ihr Herz

Juri Knorr verlässt die Bundesliga und wechselt im Sommer 2025 vermutlich ins Ausland, vieles spricht für Dänemark. Sportlich ist es der stimmige nächste Karriere-Schritt – aber er hat auch mit der deutschen Medienlandschaft zu tun.

Die Löwen verlieren ihr Herz

Es war nicht viel Zeit vergangen zwischen diesen Aussagen von Juri Knorr: Vor der Handball-Europameisterschaft in Deutschland im Januar gab er im SZ -Interview noch amüsiert zu Protokoll, ob er sich denn Sorgen machen müsse. Es war die spontane Reaktion auf die Frage, wie er denn mit der ihm zugeschanzten Rolle als Heilsbringer des deutschen Handballs zurechtkomme.

Seinerzeit offenbar noch recht gut, doch das hat sich grundlegend geändert. Wie sein Verein nun mitteilt, wird Juri Knorr die Rhein-Neckar Löwen im Sommer 2025 verlassen. Der Spielmacher selbst sagt nur: “Was in den Medien geschrieben, gesagt und spekuliert wird, kann ich nicht beeinflussen.” Darin liegt ein Teil seiner Entscheidung begründet, Knorr stand stets im Zentrum der Berichterstattung, wurde vom Boulevard zu einem Handball-Popstar hochgejazzt.

Die Fallhöhe stieg mit jedem herausragenden Auftritt, wie die gnadenlose Kritik, als diese Leistungen ausblieben. Bundestrainer Alfred Gislason hatte es zuletzt in keinem Interview versäumt, daran zu erinnern, wie viel Druck auf den Schultern seines Regisseurs laste, auch im Verein bei den Rhein-Neckar Löwen – man möge “Juri doch ein bisschen in Ruhe lassen”. Es blieb beim Wunsch, die Löwen fangen nun mit der frühen Bekanntgabe des Wechsels die wilden Spekulationen ein.

Wer nah genug dran war, konnte schon während der EM beim Spiritus Rector der deutschen Auswahl einen Stimmungswandel feststellen, als er von einigen Medien und ehemaligen Profis immer heftiger kritisiert wurde. In den Beurteilungen seiner Leistungen jener vom Boulevard gern bemühten Experten, wie etwa Stefan Kretzschmar, fielen Worte wie “Selbstmordkommando” und “Harakiri”. Knorr gab zu, dass ihm derlei zusetze: “Das trifft mich sehr”, sagte er, emotional wie menschlich.

Knorr ist ein reflektierter Profi, der sich immer hinterfragt, er hatte sich gar nach der Vorrundenniederlage gegen die Kroaten in der Halle beim Publikum für seine Vorstellung entschuldigt. Die Nation hatte eine Medaille erwartet, von einer sehr jungen Mannschaft, angeführt von einem sehr jungen Spielmacher – Knorr ist gerade mal 23 Jahre alt. Es hat nicht geklappt, die drei Topnationen Frankreich, Dänemark und Schweden sind noch zu weit weg. Deutschland wurde Vierter, eigentlich ein gutes Ergebnis für die junge Truppe. Dass der Abstand verkürzt und Topnationen wie Spanien, Norwegen, Island oder Kroatien abgehängt wurden? Kaum thematisiert, dafür umso mehr die Leistungen von Juri Knorr.

Für seine Topleistungen benötigt Knorr ein Umfeld, in dem er sich wohlfühlt

Die ließen nach der EM auch im Verein nach, Knorr fiel in ein Loch, nicht ungewöhnlich nach den Belastungen bei Großturnieren, wie Beispiele vieler Kollegen belegen. Die Löwen schlitterten in eine Niederlagenserie, Abstiegskampf statt Titelkampf, auch das nagte am Spielmacher. Der Handballprofi Knorr ist mit herausragenden Fähigkeiten gesegnet, er kann ein Spiel leiten, die Nebenspieler einsetzen, ist torgefährlich – einer, der den Unterschied machen kann. Für diese außergewöhnlichen Leistungen benötigt er aber offenbar ein Umfeld, in dem er sich wohlfühlt. Und das findet er in Deutschland nicht mehr vor, weshalb er sich dem Vernehmen nach dem dänischen Spitzenklub Aalborg Handbold anschließen könnte.

In dem handballverrückten Land ist das Umfeld entspannter, die Medienlandschaft gemütlicher. Er wäre nicht der einzige Weltklassespieler im Team und seiner Heimat Flensburg näher. Alles Argumente für den vorzeitigen Wechsel, denn eigentlich läuft der Vertrag des 23-Jährigen noch bis 2026. Der indes eine Ausstiegsklausel beinhaltet – und Knorr dürfte sie ziehen, um Deutschland im Sommer 2025 verlassen.

Die Liga verliert damit ihren prominentesten Akteur, kein Spieler muss mehr Autogramme schreiben, mehr Selfies machen. Der deutsche Handball verliert ein Vorbild, wegen eines Spielers wie Knorr gehen Kinder in einen Handballverein, lassen sich die Haare lang wachsen, eifern ihm nach. Und die Rhein-Neckar Löwen verlieren ihr Herz. Knorr wurde vom Schweizer Spielmacher Andy Schmid angeleitet, entwickelte sich zu einem versierten Spielmacher, um Knorr herum bauten die Mannheimer eine Mannschaft, die 2023 immerhin deutscher Pokalsieger wurde. Nun müssen die Löwen entweder einen Nachfolger mit ähnlichen Qualitäten finden, oder sich neu orientieren.

Sportlich allerdings fügt sich der Wechsel in den bisher so stimmigen Karriereplan des Spielers. Aalborg ist finanzstark, spielt in der Champions League und ist nahezu ausschließlich mit Topleuten bestückt. Zudem wird kommende Saison in Maik Machulla ein deutscher Trainer übernehmen, der sogar als Gislason-Nachfolger im Gespräch war. Es ist der nächste Schritt in einer bisher stetig aufstrebenden Kariere. Die Löwen immerhin werden eine Ablösesumme kassieren, die im mittleren sechsstelligen Bereich liegen dürfte.

Im SZ-Interview hatte Juri Knorr erzählt, dass der Spaß am Handball für ihn immer das Wichtigste sei, wenn er das Spielfeld betritt. Der ist ihm offenbar abhandengekommen.

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