Halbmarathon in Peking: Faire Geste oder Betrug? Sieg von Chinas Champion He Jie auf dem Prüfstand

Lange war He Jie beim Halbmarathon in Peking einer Gruppe von Läufern aus Kenia und Äthiopien hinterhergerannt. Bis er plötzlich offenbar ein Signal bekam und am Ende gewann. Was steckt dahinter?

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Halbmarathon in Peking: Faire Geste oder Betrug? Sieg von Chinas Champion He Jie auf dem Prüfstand

Beim Halbmarathon in Peking ist es zu einem skurrilen Vorfall gekommen. Lange lief der chinesische Leichtathlet He Jie am Sonntag hinter einer Dreiergruppe mit den Kenianern Willy Mnangat und Robert Keter sowie dem Äthiopier Dejene Hailu, dem Anschein nach ohne Chancen auf den Sieg. Dann winkte Mnangat den Chinesen auf einmal mit seiner rechten Hand vor, He überholte das Trio und gewann den Lauf nach offiziellen Angaben mit einer Zeit von 1:03:44 Stunden – eine Sekunde schneller als die drei Läufer aus Afrika, die zeitgleich auf Rang zwei einliefen.

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Ist es ein weiterer Betrugsskandal im chinesischen Laufsport, oder handelt es sich um eine kuriose, aber regelkonforme Angelegenheit?

Diese Frage untersuchen nun die Behörden.

»Die Verantwortlichen sind bereits involviert«, gab das Sportamt in Peking laut der Zeitung »Xinhuanghe« (Neuer Gelber Fluss) am Montag bekannt. Die Veranstalter teilten mit, dass »derzeit die Umstände noch verifiziert und von mehreren Seiten untersucht und geprüft werden«. Der Vorfall soll mehrfach bei der Bürgerhotline 12345 gemeldet worden sein. Auch im Internet wurde das Video des Vorfalls viel diskutiert, ein Nutzer schrieb auf der Plattform »Weibo« von einem »Gesichtsverlust für Peking«.

Der internationale Leichtathletikverband World Athletics reagierte ebenfalls auf den Vorfall in China. »Wir sind uns des online kursierenden Filmmaterials vom Halbmarathon in Peking bewusst und wissen, dass die zuständigen lokalen Behörden derzeit eine Untersuchung durchführen. Die Integrität unseres Sports hat bei World Athletics höchste Priorität«, teilte der Verband mit. Solange die Untersuchung noch laufe, könne kein weiterer Kommentar abgegeben werden.

Langstreckenläufe werden in China immer beliebter, die Rennen blicken aber auch auf eine lange Geschichte von Betrug und mangelhafter Organisation zurück:

    Beim Marathon in Xiamen wurden 2010 30 Läufer nachträglich disqualifiziert. Manche hatten schnellere Läufer engagiert, andere hatten von besseren Mitläufern ihre Startchips ins Ziel tragen lassen, und einige hatten Teile der Strecke in öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, wie es damals hieß.

    Der Siegerin des Halbmarathons in Shandong wurde der Titel aberkannt, nachdem bekannt worden war, dass sie eine andere Person als Läuferin eingesetzt hatte.

    Beim Halbmarathon in Shenzhen 2018 wurden 258 Teilnehmer beim Betrug erwischt. Laut »Guardian« sollen sie den Weg um fast einen Kilometer verkürzt haben – wurden dabei aber von Verkehrsüberwachungskameras gefilmt. Andere liefen mit gefälschten Trikotnummern.

Als Motiv für den Schwindel gilt nicht nur der Wunsch nach Ruhm und Ehre: Einige der Teilnehmer des Marathons hätten mit guten Laufzeiten ihre Chancen auf einen Studienplatz erhöhen wollen.

He selbst gab sich im Anschluss an das Rennen, als wäre nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Er sei zufrieden mit dem Lauf gewesen, sagte er der staatlichen Zeitung »Global Times«. Es sei eine gute Vorbereitung für die Olympischen Spiele in Paris gewesen. »Ich habe noch nie an einem Halbmarathon teilgenommen, deshalb wollte ich dieses Mal eine persönliche Bestleistung setzen«, sagte er.

He zählt zu den besten Marathonläufern in China. Er hält den chinesischen Rekord über die Marathondistanz, im vergangenen Jahr gewann der 25-Jährige den Titel bei den Asien-Spielen. Mit seiner Zeit im Halbmarathon kommt er allerdings nicht an die internationalen Spitzenläufer heran, die deutlich unter einer Stunde für die 21,0975 Kilometer benötigen. Der chinesische Bestwert liegt über eine Minute unter Hes Marke.

Ein Freundschaftsdienst der anderen Art

Auch der kenianische Läufer Mnangat ist sich keiner Schuld bewusst. Er gab gegenüber der BBC zwar zu, dass er sich kurz vor der Ziellinie überholen ließ. Er sei aber als Tempomacher gebucht worden und habe deswegen gar nicht offiziell am Wettkampf teilgenommen. Mnangat sagte außerdem der »South China Morning Post«, dass He ein Freund von ihm sei. Seine Startnummer wies ihn aber nicht als Pacemaker aus, wie es sonst üblich ist. Der Kenianer sagte weiter, er wisse nicht, warum ihm eine Nummer zugeteilt worden sei. Er habe He helfen sollen, den nationalen Rekord zu brechen, was ein bekanntes Ziel von He vor dem Wettkampf war.

Meist laufen Tempomacher vorneweg, um die Geschwindigkeit vorzugeben und Windschatten zu bieten. Dadurch sollen die Spitzenläufer Kraft sparen, um an ihre Höchstleistung kommen zu können. Tempomacher scheiden jedoch meist früher aus dem Rennen aus, weil sie das hohe Tempo selten über die volle Distanz halten können.

Es ist schon vorgekommen, dass ein Pacemaker den Sieg geholt hat. Beim Marathon in Istanbul siegte 2019 Daniel Kibet, nachdem ihm kein Konkurrent folgen konnte. Er überquerte die Ziellinie nach weniger als zwei Stunden und zehn Minuten.

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