Habecks geheime AKW-Akten: Beamte manipulierten Dokumente, um Atomausstieg durchzusetzen

habecks geheime akw-akten: beamte manipulierten dokumente, um atomausstieg durchzusetzen

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht bei einer Pressekonferenz seines Ministeriums.

Im Frühjahr 2022 war für Fachleute klar: Mit dem russischen Großangriff auf die Ukraine ist der Atomausstieg Geschichte. Nach dem Ausfall russischer Gaslieferungen schien das Risiko flächendeckender Stromausfälle und explodierender Strompreise zu hoch, als dass man sich ein Atom-Aus noch hätte leisten können. Doch es kam anders. Nach einem kurzen Streckbetrieb über den Winter gingen am 15. April 2023 die letzten deutschen AKW vom Netz.

Wie konnte es dazu kommen? Cicero-Redakteur Daniel Gräber hat Dokumente freigeklagt, die nun einen Einblick in die Entscheidungen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erlauben. Der Bericht legt nahe, dass grüne Spitzenbeamte aus dem Wirtschafts- und dem Umweltministerium Fachgutachten gezielt verfälschten. Sie wollten offenbar den Atomausstieg um jeden Preis durchsetzen, notfalls gegen jede wirtschaftliche und wissenschaftliche Vernunft.

Da ist etwa ein interner Vermerk aus dem von Steffi Lemke (Grüne) geführten Umweltministerium vom 1. März 2022. Experten legen darin dar, warum ein jahrelanger Weiterbetrieb der verbliebenen deutschen Atomkraftwerke sicherheitstechnisch möglich wäre. Gerrit Niehaus, Leiter der Abteilung Strahlenschutz im Umweltministerium, schrieb ihn offenbar sinnverfälschend um. Zwei Tage später war in einer neuen Version des Vermerks zu lesen: Eine Laufzeitverlängerung, auch nur für mehrere Monate, sei „aus Gründen der nuklearen Sicherheit abzulehnen“. Wirtschaftsminister Habeck, schreibt Cicero, bekam die ursprüngliche Version des Experten-Vermerks nie auf den Tisch.

In einem anderen internen Vermerk vom 28. Februar 2022 erklären Experten, dass eine Laufzeitverlängerung die Strompreise senken und das Netz stabilisieren würde. Die Autoren sind Fachleute aus dem Referat für Versorgungssicherheit und Stromgroßhandel, das wiederum zur Stromabteilung des Wirtschaftsministeriums gehört. Der Spitzenbeamte Volker Oschmann leitet diese Abteilung. Beauftragt wurde Oschmann von Robert Heinrich, seines Zeichens Chef des Leitungs- und Koordinierungsstabs im Wirtschaftsministerium.

Diesen Vermerk, erklärte ein Ministeriumssprecher gegenüber dem Cicero, habe Habeck ebenfalls nicht zu Gesicht bekommen. Er habe auf der Leitungsebene nur Staatssekretär Patrick Graichen vorgelegen. Also dem Mann, der die Energiewende-Lobbyorganisation „Agora Energiewende“ gegründet hatte, der wie kein anderer für Atomausstieg und Heizungsgesetz trommelte und den Habeck schließlich aufgrund der sogenannten Trauzeugen-Affäre entlassen musste.

Für Graichen und seine Mitstreiter war dessen Entlassung ein schwerer Schlag. Doch letzten Endes hatten sie Erfolg: Die Atomkraftwerke musste man zwar wegen der Energiekrise bis Mitte April 2023 weiterbetreiben – doch danach konnte man sie kontrolliert vom Netz nehmen. Kurz darauf, im Mai 2023, räumte Graichen seinen Posten.

Die von Cicero eingesehenen Akten zeigen indes auch, wie unsauber Graichen gearbeitet hat und wie ihm Habeck vertraute – ob blind oder im Wissen um die brisanten Inhalte der Akten ist unbekannt. An einem Vermerk vom 4. März 2022 lässt sich das besonders gut illustrieren. Er trägt den sperrigen Titel „Prüfung des Weiterbetriebs von Atomkraftwerken aufgrund des Ukraine-Kriegs“. Graichen rät darin – wenig überraschend – von einer Laufzeitverlängerung ab. Ohne eine Antwort seines Co-Autors abzuwarten, schickte er den Vermerk direkt an Robert Habeck.

Und Habeck war außer sich vor Freude. Der Minister schrieb an Graichen und dessen Co-Autor, Staatssekretär Stefan Tidow, er habe „aufbauend auf Eurem famosen Papier“ einen Frage-Antwort-Text für die Ministeriums-Webseite verfasst. Und zwar, weil er glaube, „das“ müsse man „ERZÄHLEN“ (Großbuchstaben im Original).

Der Haken: Graichens Vermerk vom 4. März 2022 war mit Falschinformationen über das Atom-Aus gespickt. Selbst der überzeugte Atomkraft-Gegner Gerrit Niehaus bemerkte bei der Durchsicht des Papiers, es sei „insbesondere in der Einleitung grob falsch“. Bevor der Vermerk und die FAQ online gingen, mussten sie noch einmal gründlich überarbeitet werden.

Bemerkenswert ist auch: Als Cicero-Redakteur Daniel Gräber vor Gericht auf Freigabe der Atom-Akten klagte, konnten Habecks Fachleute nicht angeben, ob sich die abgeschalteten Atomkraftwerke noch reaktivieren lassen. Jetzt ist im Cicero-Magazin unter Berufung auf Fachkreise zu lesen, fünf der sechs letzten deutschen Atomkraftwerke könnten mit vertretbarem Aufwand reaktiviert werden.

Der Streit um Habecks Entscheidung, die letzten verbliebenen Atommeiler ausgerechnet in der schlimmsten Energiekrise seit Jahrzehnten stillzulegen, dürfte damit alles andere als abgeschlossen sein. Und die Debatte darüber, wie viel Habeck wirklich wusste, beginnt gerade erst.

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