Größte Wahl der Welt startet in Indien: „Eine Wahlmaschine wird auf 4.100 Meter Höhe gebracht, um 35 Wähler zu erreichen“

Vom 19. April bis zum 1. Juni sind eine Milliarde Inder aufgerufen, für die Parlamentswahl ihre Stimme abzugeben. Wie wird die längste und größte Wahl der Welt organisiert?

größte wahl der welt startet in indien: „eine wahlmaschine wird auf 4.100 meter höhe gebracht, um 35 wähler zu erreichen“

Vom 19. April bis zum 1. Juni finden in Indien die Parlamentswahlen statt. Das Archivbild zeigt Wählerinnen bei der Regionalwahl 2023.

Herr Haack, Indien, die größte Demokratie der Welt, wählt – wann genau eigentlich?

Einen festen Wahltag gibt es in dem Sinne nicht. Dadurch fehlt dem Ereignis irgendwie der Punkt, auf den es zulaufen könnte. Insgesamt dauern die Wahlen 44 Tage. In manchen Bundesstaaten gibt es einen Termin, in anderen sieben. Uttar Pradesh beispielsweise hat über 200 Millionen Einwohner, weshalb nicht alle Distrikte gleichzeitig wählen. Wegen der Hitze gilt es, lange Wartezeiten zu vermeiden.

Was nehmen die Wähler auf sich, um ihre Stimmen abzugeben?

Die 15 Millionen Wahlhelfer nehmen sehr viel mehr auf sich als die rund eine Milliarde Wähler. Man muss zwei Kilometer um seinen Wohnsitz herum ein Angebot haben, um seine Stimme anzugeben. Im Bundesstaat Arunachal Pradesh muss eine Wahlmaschine auf 4.100 Meter Höhe gebracht werden, um 35 Wähler zu erreichen.

Darf und kann jeder Inder wählen? Ein Viertel der Menschen sind Analphabeten.

Man muss sich als Wähler registrieren lassen, aber es gibt ansonsten lediglich eine Altersgrenze, wie bei uns auch. Seit der Einführung von Wahlmaschinen erfolgt die Stimmabgabe durch Drücken einer Taste auf dem elektronischen Wahlgerät neben dem Parteisymbol der bevorzugten Partei. Man muss in Indien also nicht lesen können, um die eigene Stimme abzugeben. Jede Partei hat ein Symbol, welches in den Werbelinien dominiert. Die BJP hat eine Lotusblume und der INC eine Handfläche. Andere Parteien nutzen andere Symbole vom Besen, über Mango bis zum Elefant.

Wie hoch war die Wahlbeteiligung dieser Gruppe bei der letzten Wahl?

Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei der letzten Wahl bei 67,3 Prozent. Analphabeten sind nicht amtlich registriert, aber tendenziell kann man sagen, dass ärmere Menschen und weniger Gebildete durchaus eine rege Wahlbeteiligung zeigen. Modi selbst gehört einer eher unteren Hindu-Kaste an. Diesen Faktor sollte man nicht unterschätzen, gerade da Rahul Gandhi der Urenkel, Enkel und Sohn eines Premierministers ist.

Modi scheint das Land fest im Griff zu haben. Rechnen Sie dennoch mit einem Machtwechsel?

‘Im Griff haben‘ hat einen Unterton. Der Regierungschef ist hier schlicht sehr beliebt – vielleicht können wir uns das in Deutschland nicht mehr so gut vorstellen. Wir haben einerseits einen Politiker auf dem Zenit seiner Karriere und eine Opposition ohne Strategie. Es fühlt sich ein wenig wie die Bundestagswahl 2013 an. Modis Partei, die BJP, regiert momentan mit absoluter Mehrheit und wahrscheinlich kann sie die behaupten.

Wann steht das Wahlergebnis fest?

Am 4. Juni soll es verkündet werden.

Modi fährt einen zunehmend nationalistischen Kurs. Rechnen Sie mit Protesten oder Anschlägen?

Schwer zu sagen. Proteste gibt es in diesem riesigen Land immer irgendwo, aber auf so eine Art ‚Sturm auf das Kapitol‘ wie in den USA deutet aktuell nichts hin.

Ist die größte Demokratie angesichts dieser Politik in Gefahr?

Da sollte man differenzieren. Das Wahlsystem selbst halte ich als Politologe für repräsentativer und direkter als die Wahlrechtsreform der Ampel. Die Regierungspartei verliert auch wichtige Landtagswahlen wie beispielswiese in Karnataka, was zeigt, dass die Willensbildung durch die Bevölkerung im Rahmen von Wahlen gegeben ist. Demokratie ist natürlich mehr als nur Wahlen. Der gesellschaftliche Frieden beziehungsweise das Zusammenleben der Religionen ist nochmal ein Thema für sich.

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