Geldanlage: „Anleihen schneiden besser ab als Aktien“

geldanlage: „anleihen schneiden besser ab als aktien“

Pimco-Chefinvestor: Andrew Balls ist einer der wichtigsten Menschen am globalen Anleihemarkt. Foto: PRdata-portal-copyright=

Andrew Balls ist Chef-Anleger der Fondsgesellschaft Pimco. Im Interview erklärt er, was die sinkenden Zinsen für Anleger bedeuten, warum man Cash besser umschichtet und wieso er den Euro nicht mehr für einen Fehler hält.

WirtschaftsWoche: Die Weltwirtschaft segelt nach dem starken Anstieg der Zinsen ins Ungewisse. Sie müssen den Zinsrückgang meistern. Wie machen Sie das?

Andrew Balls: Wir glauben, dass die Notenbanken die Wachstumsrisiken und auch die Inflationsgefahren in den Griff bekommen werden. Die Inflation erweist sich durchaus als hartnäckig, in den Industrieländern wird sie in diesem Jahr auf zwei bis drei Prozent fallen. Aber es ist noch zu früh, um einen Sieg über Inflations- und Rezessionsrisiken auszurufen. Wir müssen in dem Umfeld flexibel bleiben, um angemessen zu reagieren und können uns nicht nur auf ein Szenario festlegen.

Welche Szenarien spielen Sie denn durch?

Ob und wann die Zentralbanken die Zinsen senken, hängt von vielen Faktoren ab. Wenn beispielsweise die derzeitigen wirtschaftlichen Bedingungen anhalten, haben Anleihen das Potenzial, aktienähnliche Renditen zu erzielen. Wenn die Wirtschaft in eine Rezession gerät, werden Anleihen wahrscheinlich besser abschneiden als Aktien. Wenn die Inflation wieder ansteigt und die Zentralbanken die Zinsen wieder anheben müssen, würden sowohl Anleihen als auch Aktien wahrscheinlich in Bedrängnis kommen.

Warum sind Sie dann doch so optimistisch für Anleihen? Es gab auch 2023 bei Anleihen einige böse Überraschungen mit zwischenzeitlich starken Kursverlusten.

Die Chancen an den globalen Anleihemärkten sind attraktiv. Die Renditen sind so hoch wie seit einem Jahrzehnt nicht. Bei den hohen Anfangsrenditen der Anleihen bieten sie einen guten Puffer bei Turbulenzen und einen sicheren Ertrag. Das ist der Unterschied zu den Vorjahren, als die Renditen niedrig waren. Bei den aktuellen Bewertungen halten wir Anleihen im Vergleich zu Aktien weiterhin für attraktiv. Die Renditen von Anleihen sind in der Regel auch weniger abhängig von einem positiven Wirtschaftsverlauf. Deshalb halte ich eine stärkere Beimischung von Anleihen jetzt für sinnvoll – Mitte des Jahres könnten die niedrigen Einstiegskurse Geschichte sein. Wer viel Cash hält, bei dem die Zinsen täglich nach unten gehen können, sollte jetzt in Erwägung ziehen, auf längerfristige Zinsbindungen umzusteigen.

Im idealen Umfeld von Zinssenkungen müsste der Anleger einfach nur sehr lange laufende Anleihen kaufen und Kursgewinne einstecken. Aber so einfach ist es nicht?

Es gibt Risiken. Die Inflation könnte weniger sinken als erwartet. Das Risiko besteht vor allem in den USA, aber auch im Euroland. In dem Fall würden die Anleihekurse bei langlaufenden Anleihen stark fallen. Oder das Wachstum könnte schwächer ausfallen als erwartet. Nach der Rally im Markt für Risikoanlagen Ende 2023 erwartet der Markt jetzt eine sanfte Landung. Aber die Risiken können in beide Richtungen gehen – man muss sowohl eine steigende Inflation als auch eine starke Rezession befürchten. Man kann sich nicht zu sehr festlegen.

Sind denn die Renditen angemessen bei der Unsicherheit?

Ja, die reale und nominale Rendite ist gut. Anleihen sehen hier im Unterschied zu Aktien sehr attraktiv aus – wenn man die Risiken richtig managt. In dem Umfeld möchte man Qualitätsanleihen mit guten Ratings haben. Den erstklassigen Anleihen von Staaten und Unternehmen trauen wir zu, dass sie künftig bessere Renditen erzielen als Aktien. Bonds haben jetzt ihre beste Zeit. Bei Aktien spricht vieles dagegen, dass sie die hohen Bewertungen dauerhaft durchhalten. Die Wirtschaft wird in diesem Jahr nicht so sehr viele Impulse bekommen.

Aber der Renditeunterschied ist enorm – etwa fünf Prozentpunkte liegen zwischen den Anleihen der Top-Schuldner und den Hochzinszahlern. Erwarten sie viele Pleiten?

Wir sehen ein paar Risiken, die für die Hochzinsmärkte schwierig sind. Wenn die Inflation zunimmt und der Markt höhere Zinsen einpreist, geraten sie schnell unter Druck. Aber sie leiden auch, wenn das Wirtschaftswachstum schwächelt. Deshalb halten wir uns eher etwas zurück bei den Unternehmen, die wirtschaftlich exponiert sind und konzentrieren uns mehr auf diejenigen mit guten Bonitätsnoten.

Länder und Unternehmen sind hochverschuldet und müssen 2024 viele neue Anleihen auf den Markt bringen, um sich zu finanzieren. Wird das die Renditen wieder so in die Höhe treiben wie vergangenen Sommer?

Damals gab es eine Fülle an Emissionen, zusammen mit dem Bemühen der Zentralbanken, die Geldmenge zu verringern. Das ließ die Zinsen steigen. Das Problem des hohen Angebots an Anleihen ist nicht verschwunden. Aber solche Schwünge im Mark schaffen für uns aktive Manager Gelegenheiten.

Welche Bereiche des Anleihemarktes bevorzugen Sie jetzt?

Der Markt preist momentan eine Menge Zinssenkungen kurzfristig ein. Deshalb fühlen wir uns momentan im mittelfristigen Bereich von fünf bis zehn Jahren Laufzeit bei den Anleihen wohl: Wir haben einen Schwerpunkt in den Portfolios bei Unternehmen mit guter Bonität. Sie sind in guter Verfassung und können auch bei einer Rezession überzeugen. Langfristige Finanzierungen schützen sie vielfach vor den aktuell hohen Zinsen, die Bilanzen sind häufig gesund. Ich mische verschiedene Anleihen. Zum Beispiel durch gewerbliche Immobilien gesicherte Anleihen, aber auch Staatsanleihen mit Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren, die im Fall von turbulenten Märkten ein sicherer Hafen sind. Auch Schwellenländeranleihen können attraktiver werden, wenn die Zinsen sinken und der Dollar schwächer werden sollte. Futures und Zinsswaps sind wichtig, um präzise Positionen bei den Laufzeiten und Währungen zu machen. Inflationsgebundene Anleihen wie die amerikanischen TIPS sind eine Versicherung, die in einem Umfeld höherer Inflation einen gewissen Inflationsschutz bieten können. Eines der interessantesten Dinge wird dieses Jahr für Rentenfondsmanager wie mich, den richtigen Zeitpunkt für Zinssenkungen zu antizipieren. Also richtig zu beurteilen, wie die Zinssenkungen ausfallen und ob diese schon in den Preisen der Anleihen angemessen berücksichtigt werden.

Was wird eingepreist und wo sehen Sie jetzt schon Abweichungen zwischen der Meinung des Marktes zur Zinsentwicklung und dem, was kommen könnte?

Bei den langen Laufzeiten ist unsere Ansicht, dass sich dort nicht so viel verändern wird, wie momentan erwartet wird. Deshalb meiden wir sehr lange Laufzeiten von 30 Jahren. In den USA liegt die Rendite hier bei 4,18 Prozent, in Euroland bei 2,38 Prozent. Bei den kurzen Laufzeiten könnte der Rückgang der Zinsen im Euroland 1,5 Prozentpunkte von derzeit 4,5 Prozent betragen, ähnlich in Großbritannien und den USA, wo die Leitzinsen momentan bei 5,25 Prozent liegen.

Wann starten die Zinssenkungen Ihrer Meinung nach?

Die meisten westlichen Industrieländer dürften in der zweiten Hälfte des Jahres die Zinssenkungsrunden starten. In den USA könnte es schon etwas früher losgehen. Wir sind der Meinung, dass die Europäische Zentralbank in der zweiten Hälfte starten wird. Es ist uns aber nicht ganz klar, ob die EZB tatsächlich die Zinssenkungen so schnell umsetzen wird, wie es die Markterwartungen nahelegen. Dies liegt daran, dass diese Erwartungen bereits die Kurse beeinflusst haben. Außerdem darf man nicht vergessen, dass es Ende 2023 eine Trendwende bei der Inflation gab. Setzen aber die Zinssenkungen ein, dann könnten die Zinsen sogar stärker und tiefer fallen als erwartet. Wir haben uns die historischen Zinszyklen angesehen und die Notenbanken unterschritten öfter mal die anfänglichen Markterwartungen. Das ist auch in diesem Zyklus möglich.

Sie wurden vor einem Jahrzehnt damit zitiert, dass Sie den Euro für einen Fehler halten. Wie sehen Sie das heute?

Damals hatte die Eurozone eine schwierige Zeit. Inzwischen hat sie Stresstests wie die Pandemie, den Krieg und Inflationsschocks bestanden, und zwar ohne Stabilitätsprobleme wie vor einem Jahrzehnt. Soweit ist sie auf einem guten Weg und ich hoffe, dass es mit jeder Prüfung besser wird. Jetzt bin ich relativ optimistisch, dass die Herausforderungen, vor denen man stand, vorbei sind.

In welche Fonds fließt momentan viel Anlegergeld?

Wir sehen in den traditionellen Rentenfonds, die regelmäßig Erträge an Anleger ausschütten, hohe Zuflüsse. Aber viel Geld liegt auch relativ liquide in den Geldmarktfonds.

Und welche Renditen können Anleger bei einem traditionellen Rentenfonds, wie dem von Ihnen gemanagten Pimco GIS Global Bond erwarten?

Die in den Fonds-Factsheets angegebene durchschnittliche Rendite der Anleihen im Depot gibt schon einen guten Eindruck davon, was möglich ist. In meinem Pimco GIS Global Bond liegt sie derzeit bei 3,11 Prozent, im Pimco GIS Euro Bond Fund bei 3,24 und beim Pimco GIS Global Advantage Fund bei 3,64 Prozent.

Was wird Sie 2024 neben den Notenbanken und den Zinsen auf Trab halten?

Die Wahlen in vielen Ländern, die Geopolitik, volkswirtschaftliche Änderungen – leider überschatten viele Risiken die Märkte. Deshalb sind aber auch Anleihen im Depot jetzt besonders wichtig.

Jetzt sitzen Sie im Handelssaal in London bei Regen und Kälte. Wäre es nicht verlockender, in der Pimco-Zentrale in Kalifornien zu arbeiten?

London ist in einer guten Zeitzone. Wenn wir morgens anfangen, haben wir Überschneidungen mit Asien, nachmittags mit den USA. Newport Beach ist ein toller Ort und ich genieße es, dort Zeit mit dem Team zu verbringen, aber in London zu sein macht es für einen Portfoliomanager, der die Märkte weltweit im Auge behalten muss, ein bisschen einfacher.

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