Forsa-Chef: „Das Siechtum der NRW-SPD ist am Höhepunkt“

forsa-chef: „das siechtum der nrw-spd ist am höhepunkt“

Manfred Güllner ist Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsinstituts Forsa, das im Auftrag von 38 NRW-Medientiteln den NRW-Check durchführt.

Knapp zwei Jahre nach der NRW-Landtagswahl wächst die Popularität von NRW-Regierungschef Hendrik Wüst (CDU): Mehr als jeder Zweite in NRW ist laut dem aktuellen NRW-Check mit der Arbeit des Christdemokraten zufrieden. Manfred Güllner, Gründer und Geschäftsführer des Meinungsforschungsistituts Forsa, das den NRW-Check im Auftrag von 38 NRW-Zeitungstiteln erstellt hat, spricht über die Gründe dieses Zuspruchs, die geplatzten Hoffnungen des BSW und das schlechte Zeugnis der NRW-SPD.

Herr Güllner, Sie beobachten seit vielen Jahren, wie sich politische Einstellungen und Wahlabsichten entwickeln. Hat es Sie überrascht, wie beliebt Hendrik Wüst in NRW zu sein scheint?

Es ist bemerkenswert, auf welche hohen Zufriedenheitswerte er nach einer relativ kurzen Zeit kommt. Er kam relativ überraschend ins Amt, hat dann die Wahl klar gewonnen und seitdem offenbar vieles richtig gemacht.

Was denn?

Er regiert relativ geräuschlos und hält die Koalition zusammen. Anders als in der Ampelregierung werden Kontroversen nicht nach außen getragen. Dieses Prinzip, das auch Daniel Günther in Schleswig-Holstein verfolgt, kommt an.

Konflikt und Debatte sind doch nicht Schlechtes. Sie zeigen, dass eine Regierung um Lösungen ringt.

Die Sorgen der Menschen sind riesig. Sie erwarten, dass sich die Regierenden zusammenraufen und nicht streiten.

Wieso profitieren die Grünen und die Grüne-Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur nicht von der hohen Zustimmung?

Die Grünen bedienen wieder ihr altes Wählerklientel. Ihnen ist es nicht gelungen, sich zu einer Volkspartei zu entwickeln. Darunter leidet Mona Neubaur sicherlich.

Ist der Zwist in Berlin dann der Grund, warum nur noch sechs Prozent der Menschen im Land der NRW-SPD zutrauen, unsere Probleme zu lösen?

Die Geschichte der NRW-SPD ist ein langes Siechtum, das jetzt seinen Höhepunkt erreicht hat. Der Machtverlust hat schon mit Jürgen Rüttgers (Anm. d. Red.: CDU-Ministerpräsident von 2005 bis 2010) begonnen. Jetzt ist es wirklich dramatisch, dass nicht einmal mehr den Anhängern das Spitzenpersonal bekannt ist. Es ist für die Gesamt-SPD eine Katastrophe, wenn sie in dem Bundesland mit ihrem größten Landesverband in dieser Höhe an Rückhalt verliert.

Wie viel Berlin-Frust steckt in der Entwicklung?

Sicherlich auch etwas, aber die Ergebnisse sind auch ein Urteil über die Landes-SPD. Sie hat an lokaler Verankerung und Bodenhaftung verloren. Das muss man der NRW-Partei ankreiden.

Die neue Führungsspitze ist in wahlkampffreien Zeiten aufgerückt. Ist es da nicht auch besonders schwer, einen gewissen Bekanntheitsgrad zu gewinnen?

Diese Entschuldigung wird gern genannt. Aber wer sich profilieren will, der hat auch in wahlkampffreien Zeiten dazu die Möglichkeit.

Wie ist es passiert, dass die AfD inzwischen als Sprachrohr vieler Menschen im Land wahrgenommen wird?

Bei der AfD beobachten wir eine Entwicklung, die atypisch für rechtsradikale Bewegungen ist. Die NDP, DVU oder die Republikaner haben sich nach einer Zeit der Hochphase selbst zerlegt. Bei der AfD erleben wir im Gegenteil. Sie hat einerseits das gesamte rechtsradikale Potenzial ausgeschöpft. Anderseits erleben wir seit dem vergangenen Frühjahr einen Zulauf von jenen, die unzufrieden vor allem mit der Ampel sind und ihre Bedenken zur AfD zur Seite schieben.

Die Spitze des NRW-Landesverbandes will sich als Anti-Höcke positionieren. Wird der Unterschied erkannt?

Nein, den Unterschied machen die Menschen nicht. Am Ende wählen sie die AfD.

Erstmals liegt nun eine Einschätzung zum Rückhalt des neuen „Bündnis Sahra Wagenknecht“ in NRW vor. Nur vier Prozent der Menschen im Land würden das BSW bei einer Landtagswahl wählen. Platzt die Blase um Wagenknecht?

Nach den großen Vorschusslorbeeren sehen wir jetzt in der Tat, dass die Partei im Wesentlichen ihr Potenzial bei älteren Wählern im Osten hat und im Westen nur eine geringe Resonanz hat. Selbst mit dem NRW-Personal in erster Reihe gelingt das nicht. Wagenknecht versetzt der Linkspartei den Todesstoß, aber mehr auch nicht.

Wie sichern Sie Objektivität bei einer Umfrage wie dem NRW-Check?

Wir verwenden erprobte Fragen, und wenn neue hinzukommen, testen wir die Fragen. Natürlich achten wir auch auf die Reihenfolge, damit die Fragen beziehungsweise die Antworten sich nicht gegenseitig beeinflussen. Am Ende ist Meinungsforschung eine Profession, in der Erfahrung, Wissen und Kenntnisse entscheidend sind.

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