Amprion baut lange Leitungen in kürzerer Zeit

amprion baut lange leitungen in kürzerer zeit

Für die Energiewende sind riesige Investitionen in Stromleitungen nötig.

Der Ausbau der Stromnetze ist für die Energiewende zentral, aber teuer und vor allem langwierig. Umso erfreuter zeigte sich Hans-Jürgen Brick, als er am Donnerstag in der Bilanzpressekonferenz von Amprion mal überraschend gute Nachrichten verkünden konnte: Der Übertragungsnetzbetreiber kann „zahlreiche zentrale Projekte“ durchschnittlich ein bis drei Jahre früher in Betrieb nehmen. Der Pakt zur Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren, den der Bund im vergangenen Jahr gemeinsam mit den Ländern beschlossen hat, wirkt offenbar. Das zeigt sich auch an A-Nord, dem ersten Windstrom-Korridor, der große Mengen grünen Stroms aus der Nordsee in die industriellen Zentren Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg transportieren soll. Amprion konnte ein Jahr früher als geplant mit dem Bau beginnen und will die Leitungen Mitte 2027 in Betrieb nehmen.

„Wir kommen mit vielen Projekten nun von der Genehmigung in die Bauphase“, sagte Brick. Das Unternehmen hat im vergangenen Jahr mit mehr als drei Milliarden Euro schon mehr als je zuvor investiert und 100 Kilometer Leitungen fertiggestellt. Doch auch das reicht längst nicht. Bis 2028 sollen sich die Investitionen auf rund 27,5 Milliarden Euro belaufen. Ein großer Teil des Geldes dürfte dafür draufgehen, die in der Nordsee geplanten Offshore-Windparks an die Netze anzubinden. Dafür gibt es bislang nicht genug Kabel, Transformatoren und Konverter. Brick forderte, die Kapazitäten für Produktion und Installation in Deutschland und Europa auszubauen.

Bund soll Kosten für Engpassmanagement übernehmen

Bezahlen müssen die Investitionen die Haushalts- und Industriekunden über die Netzentgelte. Und diese steigen immer weiter. Amprion musste für dieses Jahr eine Verdopplung seiner Entgelte ankündigen – auch, weil der angekündigte Zuschuss des Bundes von 5,5 Milliarden Euro in Folge der Haushaltskrise wegfiel. Doch Brick weiß auch, wie sehr die hohen Energiekosten die Verbraucher beuteln. „Die Balance zwischen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit ist verloren gegangen“, mahnte er. Strom sei weiterhin zu teuer, was Investitionen in Elektrifizierung und Dekarbonisierung erschwere. Bislang immerhin ist von diesen Erschwernissen in den Zahlen wenig zu spüren: Sein Konzernergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (Ebitda) konnte Amprion im vergangenen Jahr um 27 Prozent auf 980 Millionen Euro steigern.

Mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft nahm der Vorstandsvorsitzende den Bund in die Pflicht. Er forderte, die Kosten für das Engpassmanagement aus den Netzentgelten herauszulösen und aus dem Klima- und Transformationsfonds zu finanzieren. Schließlich seien diese „keine originären Netzkosten, sondern Transformationskosten“, die durch das politische Ziel der Klimaneutralität verursacht würden. Damit würden die Kosten nicht von den Verbrauchern, sondern über den Bundeshaushalt finanziert. „Das würde die Netzentgelte fast halbieren sowie Wirtschaft und Verbraucher schnell und unbürokratisch entlasten“, so Brick. Laut Bundesnetzagentur wurden im vergangenen Jahr 3,1 Milliarden Euro für den sogenannten Redispatch fällig, also für Kosten, im Zusammenhang mit der Abregelung von Erneuerbaren Energien aufgrund eines überlasteten Netzes. Eine Trendumkehr in Bezug auf die Kosten erwartet Brick erst ab dem Jahr 2027, wenn zentrale Projekte wie A-Nord realisiert seien.

„Kein Kohleausstieg ohne Gaseinstieg“

Doch nicht nur in Bezug auf die Bezahlbarkeit sorgt sich Amprion. „Wir stehen vor der Mammutaufgabe, bis 2030 einen unserer bisherigen Grundpfeiler der Versorgungssicherheit – die Kohlekraftwerke – komplett zu ersetzen“, sagte Brick. Ende März waren 8 Gigawatt Kohlekraftwerke endgültig vom Markt genommen worden. Es bleibe unklar, wann die Gaskraftwerke, welche die Bundesregierung auszuschreiben plant, einsatzbereit seien. Aber die Zeit dränge, denn: „Es gibt keinen Kohleausstieg ohne Gaseinstieg.“ Die konkreten Ausschreibungen müssten schnellstmöglich erfolgen, damit ein Bau bis 2030 überhaupt noch realistisch erscheine. Aber auch wenn die Kraftwerksstrategie wie geplant realisiert werde, sei klar, dass im Jahr 2030 weiterhin 10 Gigawatt Steinkohlekraftwerke in der Kapazitätsreserve verbleiben würden. In jedem Fall müsse Deutschland in den kommenden Jahren mehr Strom importieren.

Außerdem forderte Brick, neben der Erzeugung auch die Systemstabilität stärker in den Blick zu nehmen. Damit sind Leistungen gemeint, die für stabile Netze nötig sind und bislang von konventionellen Kraftwerken erbracht werden: Die sogenannte Momentanreserve hält die Frequenz, die sogenannte Blindleistung sorgt dafür, dass die Spannung nicht abfällt. Sie ist notwendig, um Strom über große Entfernungen zu transportieren. Amprion fordert, diese in der Diskussion oft vernachlässigten, aber für das Netz höchst bedeutsamen Systemdienstleistungen in der Diskussion um den Kapazitätsmechanismus stärker zu bedenken.

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