Der Bauleiter des neuen F-35-Campus am Fliegerhorst Büchel in der Eifel bezieht Stellung zu dem neuen Flugplatz. Ein Gespräch mit Thomas Langhammer über Schnelligkeit und Hindernisse.
Die Bundesregierung hat Ende 2022 35 F-35-Tarnkappenbomber in den USA bestellt. Ein hastiger Einkauf nach dem Angriff auf die Ukraine. Aber in Berlin gilt die Beschaffung von der Stange beim US-Hersteller Lockheed Martin als alternativlos. Zehn Milliarden Euro lässt sie sich die F-35 kosten. Auch weil die Amerikaner sofort liefern können.
Der Bomber ist eine zentrale Waffe der Zeitenwende. Aber er braucht ein sehr spezielles Zuhause. In Windeseile entsteht in der Eifel am Fliegerhorst Büchel ein neuer Campus für den Kampfjet. 2027 sollen die ersten F-35 starten. Der Zeitplan ist so ehrgeizig, dass die Amerikaner die Baupläne der Deutschen unverblümt als „crazy“ bezeichneten. Ein Gespräch mit Bauleiter Oberst Thomas Langhammer darüber, ob das überhaupt schaffbar ist.
WirtschaftsWoche: Herr Langhammer, um den strengen Zeitplan der F-35-Bestellung einzuhalten, arbeiten Sie im Fast-Track-Verfahren für den Flughafen. Können Sie es damit in Zeit schaffen?
Thomas Langhammer: Ja, wir liegen exakt im Zeitplan. Mit einer guten Strategie, einem überaus zielführenden Konzept für die Vergabe und einem extrem engagierten Team haben wir es geschafft, alle anstehenden Aufgaben zu erfüllen. Das wäre bei einer Umsetzung im Standardverfahren nicht möglich gewesen.
Warum nicht?
Da wäre die gesamte Bauleistung erst bis ins Detail beschrieben worden, bevor wir hätten anfangen können zu bauen. So ein sequentielles Vorgehen bringt zwar mehr Kostensicherheit, kostet aber viel Zeit – und die haben wir hier nicht. Deswegen haben wir ein Vorgehen gewählt, das die Vorteile mehrerer in der Industrie bekannter Beschaffungsmodelle kombiniert: das Generalunternehmermodell, das Partneringmodell, also kooperatives Miteinander anstatt reiner Auftraggeber-Auftragnehmer Beziehung und das Fast-Track-Engineering, grob umrissen, die Einbindung des Generalunternehmers in die Planung ab etwa der Hälfte der Planungsleistung. Damit werden wir die Zeit zwischen Projektstart und Gesamtfertigstellung entscheidend verkürzen, insbesondere indem wir Planung und Bauausführung möglichst früh und intensiv miteinander verzahnen.
Sie müssen dazu ganz schön viele Stakeholder an einen Tisch bringen…
Es ist eine weitere Anforderung, dass die Verantwortlichkeit eindeutig bei einem privaten Baupartner liegt – und das Projektmanagement beim Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr. Hier sorgt ein kleines interdisziplinäres Team dafür, dass alle nötigen Entscheidungen schnell getroffen werden können. Wir haben am 6. März 2024 – kein halbes Jahr nach Veröffentlichung der Ausschreibung – einen Generalunternehmer gefunden, der auf Grundlage der Entwurfsplanung und einer funktionalen Leistungsbeschreibung die weiteren Planungsschritte mit unserem Generalplaner begleitet und maximal beschleunigen kann. Wie geplant haben zum 2. April die Tiefbauarbeiten begonnen. Dieses Umsetzungstempo ist beispiellos hoch für ein Projekt dieser Größenordnung.
Die Sicherheitsanforderungen waren zu Beginn der Bauplanungen noch nicht bekannt. Das muss ganz eigene Herausforderungen für Sie mit sich gebracht haben?
Die zu Recht hohen Sicherheitsanforderungen haben sich vielfältig ausgewirkt: auf Personal, Material, Technik und Logistik. Sie wirken sich damit auch substanziell auf die Kosten aus und müssen für den Generalunternehmer kalkulierbar sein, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts sicherzustellen. Richtig ist, dass auch die Sicherheitsanforderungen auf amerikanischer Seite verständlicherweise nicht statisch sind, sondern sich über die Zeit weiterentwickeln, dies ebenso für die F-35-Projekte anderer Nationen.
Sie stimmten sich mit den Alliierten in Dänemark und den Niederlanden ab bezüglich der nötigen Sicherheitsmaßnahmen und begannen den Umbau von Büchel auf dieser Grundlage – dann schraubten die Amerikaner ihre Sicherheitsanforderungen hoch. Hat Sie das überrumpelt?
Die Informationen aus den Besuchen bei den belgischen, niederländischen und dänischen Kameraden haben einen rascheren und tieferen Erkenntnisgewinn zugelassen, als das aus dem reinen Studium der Unterlagen möglich gewesen wäre. Dafür sind wir unseren Partnern dankbar. Da in diesem Projekt die Zeit die höchste Priorität hat, waren die Reisen eine sehr gute Investition. Die US-Vorschriften, auch und insbesondere für die Sicherheitsmaßnahmen, stehen im natürlichen Regelprozess der Überarbeitung beziehungsweise Anpassung an neue Herausforderungen. Das hatte zur Folge, dass die benannten Nationen aufgrund der unterschiedlichen Zeiträume der Planung und der Bauausführung auch nach unterschiedlichen Vorgaben gebaut haben.
Man konnte es also kommen sehen?
Dementsprechend haben wir mit einer Aktualisierung der Anforderung gerechnet, ja. Der Grad der Plananpassungen ergibt sich jedoch erst mit dem Sicherheitsplan, der für das Projekt individuell aufgestellt wurde. Diese Maßnahmen sind umfassender als ursprünglich geplant.
Was genau muss nun mehr geleistet werden als bei den Partnern und welche Probleme bringt das beim Bau mit sich?
Zur Sicherheit gehört Verschwiegenheit, gerade wenn es um Daten geht, die für die Landes- und Bündnisverteidigung relevant sind. Deshalb kann ich dazu nicht mehr sagen.
Welche Auswirkungen hatten die höheren Sicherheitsanforderungen auf die Kosten- und Zeitfrage für den Flughafen?
Die Zeit, in der die F-35A-Infrastruktur fertig sein muss, ist auf 48 Monate begrenzt. Auch höhere Sicherheitsanforderungen an Deutschland lassen eine Verlängerung nicht zu. Die Maßnahmen schlagen sich folglich durch einen höheren Personalaufwand nieder, aber auch in den Kosten. Wie wir bereits gegenüber dem Bundesministerium der Finanzen und dem Haushaltsausschuss des Bundestages berichtet haben, geht ein substanzieller prozentualer Kostenanteil mit den Sicherheitsanforderungen einher. Darüber hinaus sind umfangreiche Überprüfungen von Personal und Material für die Zulassung auf der Baustelle notwendig. Diese Zeit muss bei der Terminplanung berücksichtigt werden.
Sie führen die politischen Entscheidungen aus Berlin aus beim Bau. Hätten Sie grundsätzliche Verbesserungsvorschläge für den gesamten Auftrag gehabt?
Nach der Entscheidung im März 2022 für die Beschaffung der F-35A hatten wir kaum mehr als die Hälfte der Zeit, die anderen Nutzernationen für den Planungs- und Prüfprozesses mit der US-Administration zur Verfügung steht. Eine echte Herausforderung. Bei einem Paketdienst würde man von einer Expresszustellung sprechen. Und eine Expresszustellung kostet mehr als eine Standardzustellung. Aufgrund der Dringlichkeit und der Wichtigkeit des Projektes für die Landes- und Bündnisverteidigung haben die Entscheidungsträger das bei der Bewilligung der finanziellen Mittel erkannt. Durch den bisher einmaligen Vorgang einer Worst-Case-berechneten Kostenobergrenze wurde dem Projekt die zusätzlich erforderliche Finanzierung zugesprochen.
Sie nannten einen privaten Generaldienstleister anstatt des Landesbauamts. Kein gewöhnlicher Vorgang für so eine Ausschreibung…
Zusätzliche externe Fähigkeiten zu nutzen war erforderlich, um den ambitionierten Zeitplan realisieren zu können. Die Landesbauverwaltung Rheinland-Pfalz, die dem Projekt laut Gesetz weiter vorsteht, war zum Entscheidungszeitpunkt bereits ausgelastet mit der Vielzahl an Bundesbaumaßnahmen, auch mit Baumaßnahmen auf dem Militärflugplatz Büchel. Deswegen wurde die Entscheidung getroffen, dass der Bauherr, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr, mit Eigenleistung die fehlenden Ressourcen ausgleicht. Der Generalunternehmer ersetzt auch nicht die Bauverwaltung, sondern entlastet bei der Projektrealisierung. Grundsätzlich müssen öffentliche Auftraggeber große Bauprojekte aufteilen und gewerkeweise zahlreiche Firmen für unterschiedliche Teile beauftragen. Das erzeugt einen großen Koordinationsaufwand, der wiederum zu Verzögerungen führen kann.
Deswegen die Verantwortung lieber auslagern?
Der Gesetzgeber hat dies im Verteidigungsbereich als Risiko erkannt und im sogenannten Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz die Zulässigkeit einer Gesamtvergabe deutlich ausgeweitet. Diese Möglichkeit haben wir in Anspruch genommen – auch weil wir mit Generalunternehmen bei Bauvorhaben in den Einsatzgebieten der Bundeswehr schon gute Erfahrungen gemacht haben. Dieses Vorgehen wurde auf die nationalen Gegebenheiten adaptiert und mit einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Landesbauverwaltung Rheinland-Pfalz und dem BAIUDBw etabliert.
Als weiterer Kostentreiber gilt die Kontamination des Bodens, die stärker war als bislang angenommen. Können Sie einmal erklären, wie es dazu kam? Hätte man das nicht kommen sehen können?
Nein, hätte man leider nicht. Die jeweiligen Untersuchungen sind teuer und dauern lange. Sie werden erst in der Fläche und dann in der Tiefe durchgeführt. Bei einer anderen Baumaßnahme führte eine Rasteruntersuchung rund ein Jahr vor dem Projektstart zu der Annahme einer deutlich geringeren Kontamination, als die vertiefenden Untersuchungen dann ergaben. Diese Untersuchungen konnten allerdings erst nach fortgeschrittener Planung gestartet werden, als die Lage der Gebäude und Betriebsflächen feststand.
Im Fall Büchel ist die Kontamination mehr als dreimal so hoch wie ursprünglich angenommen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die Entsorgungskapazitäten für den extrem langlebigen Schadstoff PFAS eingeschränkt sind. Da das Terminziel festgeschriebenen ist, kann diese unerwartet hohe Menge an Chemikalien nur durch eine Parallelisierung der Aushubtätigkeiten in der Bauzeitenplanung kompensiert werden. Auch die Entsorgungslogistik musste entsprechend angepasst werden. Das führte in Summe zu deutlichen Kostensteigerungen.
Der politische Auftrag an Sie wirkt sehr ambitioniert, die Amerikaner sollen gesagt haben „crazy“ – Ihre Bewertung?
Ich bewerte das als Ausdruck des mittlerweile sehr kooperativen und teils kameradschaftlichen Verhältnisses mit den wesentlichen Führungskräften der US-Administration. Bei der ersten Vorstellung wurde unser Terminplan höflich und hinter vorgehaltener Hand tatsächlich als „crazy“ bezeichnet. Ich kann diese Bewertung auch nachvollziehen. Wir müssen das Projekt in etwa der Hälfte der Zeit realisieren, die anderen Nationen zur Verfügung stand. Unser Projektmotto lautet „Verlässlichkeit schafft Vertrauen“, daher haben wir das „crazy“ auch offiziell aufgegriffen und es durch erfolgreich und fristgemäß durchlaufene Verfahrensschritte bereits zur Bewertung „ambitious“ gebracht. Wir sind also auf einem guten Weg. Im nächsten Prüfschritt im Juni 2024 wollen wir „achievable“ erreichen, um dann im September 2024 den letzten Termin für die deutsche Planung mit „well done“ abzuschließen.
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