Mit der Sanktionierung der russischen Geschäftsleute Michail Fridman und Pjotr Awen wollte die EU den Kreml unter Zugzwang setzen. Ein Gericht hat die Strafmaßnahmen nun revidiert. Das ist nicht zum ersten Mal passiert.
Russland-Sanktionen: EU-Gericht hebt Sanktionsbeschlüsse gegen russische Oligarchen auf
Die Sanktionen gegen Russlands Superreiche sollte die Regierung in Moskau unter Druck setzen, nun rudert die EU in einigen Fällen zurück. Das Gericht der EU hat Sanktionsbeschlüsse der Europäischen Union gegen die russischen Oligarchen Michail Fridman und Pjotr Awen gekippt. Der Rat der EU habe bei den Entscheidungen zwischen Februar 2022 und März 2023 keine hinreichenden Belege für die Aufnahme in die Sanktionsliste geliefert, entschieden die Richter in Luxemburg. Die Sanktionsbeschlüsse waren als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine gefasst worden.
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Die Entscheidung bedeutet allerdings nicht, dass Fridman und Awen sofort von der EU-Sanktionsliste gestrichen werden müssen. Zum einen kann gegen das Urteil noch vor dem höchsten europäischen Gericht, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), vorgegangen werden. Zum anderen hat der Rat der EU bereits neue Sanktionsbeschlüsse gegen die beiden Männer erlassen, die zunächst nicht von dem Urteil betroffen sind.
Fridman und Awen sind Gründer und wichtige Anteilseigner des großen Finanzkonzerns Alfa-Group. Die EU hatte gegen die Milliardäre kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 Strafmaßnahmen verhängt. Sie fror Gelder ein und erließ ein Einreiseverbot. Auch die US-Regierung sanktionierte sie. Im vergangenen Jahr hatten sich mehrere russische Oppositionelle allerdings dafür ausgesprochen, Fridman und andere von der Sanktionsliste zu streichen.
Die Sanktionierung seiner Person hatte Fridman in der Vergangenheit scharf kritisiert. Es sei naiv, zu glauben, dass er jetzt zu Putin gehen könne, um den Präsidenten davon zu überzeugen, die Politik zu ändern. Die Einschätzung, dass personengebundene Sanktionen wenig dazu geeignet sind, um den Kreml unter Druck zu setzten, teilen Experten wie Nicolai Petrow. »Bei den personengebundenen Sanktionen geht es weniger darum, dass damit der russische Kurs beeinflusst werden könnte«, sagte er dem SPIEGEL. »Es handelt sich eher um eine Art Demonstration und Bestrafung.«
»Männer wie Fridman und Awen sind sicher keine Unschuldslämmer«, sagte auch der russische Elitenforscher Andrei Jakowlew in einem Interview mit dem SPIEGEL. Zu Beginn des Kriegs sei deren Versuch erkennbar gewesen, sich etwas vom Kreml zu distanzieren. Das habe man nutzen können. »Es ist nicht sinnvoll, nur darauf zu setzen, dass Geschäftsleute ihr gesamtes Russlandgeschäft verkaufen und sich öffentlich gegen den Kreml stellen. Abstufungen sollten möglich sein«, so Jakowlew.
Die EU hatte die Sanktionen damit begründet, dass Fridman und Awen russische Entscheidungsträger finanziell unterstützt und damit die territoriale Unversehrtheit der Ukraine untergraben hätten. Die Richter entschieden nun aber, dass diese Vorwürfe nicht hinreichend belegt seien und die Aufnahme in die Liste daher ungerechtfertigt sei. Auch wenn sich möglicherweise eine gewisse Nähe der beiden Personen zum russischen Präsidenten Wladimir Putin bejahen lasse, beweise dies nicht, dass damit Maßnahmen unterstützt würden, die die Ukraine bedrohten.
Verwandtschaftliche Verhältnisse zur Sanktionierung nicht ausreichend
Vor knapp drei Wochen hatte das EU-Gericht bereits die Sanktionen gegen den Ex-Formel-1-Rennfahrer Nikita Masepin gekippt. Begründet wurde dies damit, dass die familiäre Beziehung zu seinem Vater – einem Geschäftsmann mit angeblich enger Freundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin – nicht genüge, um anzunehmen, dass er durch gemeinsame Interessen mit ihm verbunden sei.
Ein prominentes Urteil war bereits im vergangenen Jahr gefallen – und stellte eine deutliche Niederlage für die EU dar. Die Mutter des inzwischen verstorbenen Chefs der russischen Privatarmee Wagner, Violetta Prigoschina, hätte nicht sanktioniert werden dürfen, entschieden die Richter damals und argumentierten ähnlich wie bei Masepin: Ein Verwandtschaftsverhältnis reiche nicht aus, um Strafmaßnahmen gegen sie zu verhängen. Viele andere Sanktionierte sind unterdessen mit ihren Klagen vorläufig gescheitert, darunter der ehemalige Besitzer des FC Chelsea, Roman Abramowitsch.
Wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erließ die EU bislang gegen fast 2000 Personen und Organisationen Sanktionen. Derzeit sind mehrere Dutzend Klagen gegen die Strafmaßnahmen vor Gerichten anhängig.
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