Europawahl: Die Grünen wollen mit Terry Reintke punkten

europawahl: die grünen wollen mit terry reintke punkten

Terry Reintke (Bündnis90/Die Grünen) data-portal-copyright=

Terry Reintke ist in Deutschland noch weitgehend unbekannt, der Ampelkoalition aber wurde sie aus Brüssel heraus schon oft ungemütlich. So tickt die Europa-Spitzenkandidatin der Grünen.

Mit einem Smartphone in der Hand startet Terry Reintke an diesem Montag die nächste Phase des Europawahlkampfs der Grünen. „Unser Motto ist“, spricht die Spitzenkandidatin in ein Mikrofon, streckt dabei ihren linken Zeigefinger nach oben, „machen, was zählt.“ Dann legt sie ein breites Grinsen auf. „Hier könnt ihr einmal reinschauen. Na, was ist, seid ihr dabei?“, fragt Reintke.

Sie hat soeben das erste Video für den Tiktok-Kanal der Grünen aufgenommen. „Dort wollen wir junge Wähler für uns gewinnen“, sagt Reintke, und sie kann tatsächlich jede Aufmerksamkeit gebrauchen: Zumindest in Deutschland dürften nur wenige von der 36-Jährigen gehört haben.

Die SPD setzt auf Katarina Barley, die FDP auf Marie-Agnes Strack-Zimmermann: prominente Politikerinnen. Geht es nach den Strategen der Grünen, ist ihre Spitzenkandidatin in Deutschland bald auch bekannt.

Ab Samstag will die Partei 700.000 Plakate im ganzen Land aufhängen – fast so viele wie bei der Bundestagswahl. Im Zentrum der Kampagne steht Reintke. Erst einige Wochen später will die Partei auch Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock plakatieren.

Sie alle werden neben unaufgeregten Slogans posieren wie „Wirtschaft erneuern“ oder „Freiheit verteidigen“. Die Grünen fahren eine Kampagne, die nicht anecken soll. „Für Menschenrechte und Ordnung“ – für alles und nichts. Dabei ist Reintke keine Politikerin, die den Konflikt scheut. Im Gegenteil.

Terry Reintke: Von Gelsenkirchen nach Brüssel

Von Brüssel aus geht die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament mit der Ampelkoalition und ihrer eigenen Partei immer wieder auf Konfrontationskurs. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf Reintke schon offen Führungsschwäche vor.

Reintke ist ein Kind des Ruhrgebiets, in Gelsenkirchen geboren. 2004 trat sie der Grünen Jugend bei, zwischen 2006 und 2011 studierte sie Politikwissenschaft in Berlin und Edinburgh. 2014 wurde sie Mitglied des EU-Parlaments, damals war sie 27 Jahre alt. 2019 wurde sie wiedergewählt. In Brüssel machte sie Karriere.

Reintke ist bei der anstehenden Wahl nicht nur Spitzenkandidatin der deutschen Grünen, sondern auch der gesamteuropäischen Grünen.

Sie gehört zum linken Flügel ihrer Partei. Wiederholt betont sie, für ein grünes, soziales Europa zu kämpfen, „das Grundrechte für alle garantiert und den Rechtsstaat respektiert“. Auf ihrer Website schreibt sie: „Ich bin Europäerin, Politikerin und Feministin.“ Politik für die Menschen in Europa zu machen, das ist für sie „Leidenschaft, Beruf und Lebensaufgabe“.

Es dürfe „keine Zusammenarbeit mit Faschisten“ geben. Das ist ihr klarer Standpunkt. „Wir werden nächstes Jahr mit aller Kraft gegen einen Rechtsruck im Europäischen Parlament kämpfen müssen“, sagte sie schon in ihrer Bewerbungsrede im November. Sie wandte sich damals auch gegen Verschärfungen der europäischen Migrationspolitik – ein Konfliktpunkt mit der Ampelkoalition.

Das EU-Parlament hat der Asylreform in der vergangenen Woche zugestimmt – es ermöglicht durch neue Regelungen unter anderem schnellere Abschiebungen. Die Europa-Grünen um Reintke trugen die Entscheidung nicht mit, sehr zum Ärger ihrer Realo-Kollegen in Deutschland. Außenministerin Baerbock hatte noch unmittelbar vor der Abstimmung dafür geworben, der Reform zuzustimmen.

Reintke aber sagte: „Wir können keinem Pakt zustimmen, der die Inhaftierung von Schutz suchenden Familien und Kindern an den EU-Außengrenzen zulässt und die Rechte Geflüchteter schwächt.“

Grünen-Chefin Lang unterstützt Spitzenkandidaten Reintke

An diesem Montag, bei der Präsentation der Europawahl-Kampagne, ist der Migrationspakt hingegen kein Thema. Reintke wirbt stattdessen für den Green Deal der EU. Die Union und rechte Kräfte würden das Abkommen abwickeln wollen, sagt sie. Das gefährde den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Wir treten an, um das zu verhindern.“

Europa habe einen hohen Preis dafür gezahlt, von Diktatoren wie Russlands Präsidenten Wladimir Putin abhängig zu sein. Deswegen habe der Kontinent nur klimaneutral eine Zukunft. Eine „Richtungswahl“ steht aus Reintkes Sicht an am 9. Juni. Und das auch, weil rechtsextreme Kräfte stärker würden. Die Bürgerinnen und Bürger der 27 EU-Staaten sind aufgerufen, die Mitglieder des Europaparlaments zu wählen.

Die Co-Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang ergänzt, dass es um eine klimaneutrale Modernisierung der Wirtschaft gehe, „damit Deutschland und Europa beim Wettrennen um den ersten klimaneutralen Wirtschaftsstandort der Welt gewinnen“.

In Umfragen in Deutschland pendelt ihre Partei zwischen 13 und 15 Prozent – also ziemlich genau auf dem Niveau der Bundestagswahl 2021.

Von dem Boom der vergangenen Europawahl 2019 sind die Grünen somit weit entfernt. Damals konnten sie 20,3 Prozent der Stimmen verbuchen. Nun wollen sie aufholen – mit Tiktok-Videos, Plakaten und Terry Reintke.

News Related

OTHER NEWS

Ukraine-Update am Morgen - Verhandlungen mit Moskau wären „Kapitulationsmonolog" für Kiew

US-Präsident Joe Biden empfängt Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus. Evan Vucci/AP/dpa Die US-Regierung hält Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland zum jetzigen Zeitpunkt für „sinnlos”. Bei einem Unwetter in Odessa ... Read more »

Deutschland im Wettbewerb: Subventionen schaden dem Standort

Bundeskanzler Olaf Scholz am 15. November 2023 im Bundestag Als Amerikas Präsident Donald Trump im Jahr 2017 mit Handelsschranken und Subventionen den Wirtschaftskrieg gegen China begann, schrien die Europäer auf ... Read more »

«Godfather of British Blues»: John Mayall wird 90

John Mayall hat Musikgeschichte geschrieben. Man nennt ihn den «Godfather of British Blues». Seit den 1960er Jahren hat John Mayall den Blues geprägt wie nur wenige andere britische Musiker. In ... Read more »

Bund und Bahn: Einigung auf günstigeres Deutschlandticket für Studenten

Mit dem vergünstigten Deutschlandticket will Bundesverkehrsminister Wissing eine junge Kundengruppe dauerhaft an den ÖPNV binden. Bei der Fahrkarte für den Nah- und Regionalverkehr vereinbaren Bund und Länder eine Lösung für ... Read more »

Die Ukraine soll der Nato beitreten - nach dem Krieg

Die Ukraine soll nach dem Krieg Nato-Mitglied werden. Die Ukraine wird – Reformen vorausgesetzt – nach dem Krieg Mitglied der Nato werden. Das hat der Generalsekretär des Militärbündnisses, Jens Stoltenberg, ... Read more »

Präsidentin droht Anklage wegen Tod von Demonstranten

Lima. In Peru wurde eine staatsrechtlichen Beschwerde gegen Präsidentin Dina Boluarte eingeleitet. Sie wird für den Tod von mehreren regierungskritischen Demonstranten verantwortlich gemacht. Was der Politikerin jetzt droht. Perus Präsidentin ... Read more »

Novartis will nach Sandoz-Abspaltung stärker wachsen

ARCHIV: Das Logo des Schweizer Arzneimittelherstellers Novartis im Werk des Unternehmens in der Nordschweizer Stadt Stein, Schweiz, 23. Oktober 2017. REUTERS/Arnd Wiegmann Zürich (Reuters) – Der Schweizer Pharmakonzern Novartis will ... Read more »
Top List in the World