Bundeswehrsoldaten nehmen am 19.01.2017 an einem Verabschiedungsappell im Jahn-Stadion in Oberviechtach (Bayern) teil. Die Angst ist nun groß, dass die Bundeswehr in den Ukraine-Krieg hineingezogen wird.
Die großspurige Ankündigung der RT-Chefredakteurin Margarita Simonjan am späten Freitagvormittag ließ einen Propaganda-Coup erwarten: Etwas sooo Interessantes hätten ihr die „Genossen mit den Schulterklappen“ übergeben, und das ausgerechnet an dem Tag, an dem Olaf Scholz behauptete, die Nato beteilige sich nicht am Ukraine-Krieg.
Das angebliche Geheimnis: eine Audiodatei mit den Stimmen deutscher Offiziere. Am Abend wollte sie das Band veröffentlichen.
Dass ein Skandal in der Luft lag, bezeugten die russischen Telegram-Kanäle. Ex-Präsident Dimitri Medwedew, Putins Stellvertreter im Sicherheitsrat der Russischen Föderation, tönte: „Und wieder wurde der Ruf aus der Zeit des Großen Vaterländischen Krieges relevant. Tod den deutsch-faschistischen Besatzern!“
Als die Datei um 18 Uhr hochgeladen wurde, war nach wenigen Minuten klar: Das war weder ein Fake noch KI. Das war der fast 40-minütige Mitschnitt einer Besprechung deutscher Luftwaffengeneräle von höchster militärischer und politischer Brisanz. Mit anderen Worten ein Super-GAU der Bundeswehr, der nicht nur in der deutschen Armee für schlaflose Nächte sorgen wird.
Das beginnt mit der Qualität. Der Mitschnitt klingt, als hätte sich Moskau in die Telefonkonferenz direkt eingewählt. Reden deutsche Offiziere etwa per Chat-App über Themen höchster Geheimhaltung? Einer der vier, Brigadegeneral Frank Gräfe, war aus einem Hotel in Singapur zugeschaltet – gibt es dort keine deutsche Botschaft mit sicheren Leitungen? Jeder Taschendieb weiß, dass man am Telefon nicht über Täterwissen plaudert – aber die Herren Generäle diskutieren brisanteste Interna, als hätten sie nie von Abhörmaßnahmen gehört.
Doch das ist nur der halbe Skandal. Die russische Propaganda, derzufolge die vier Offiziere einen deutschen Angriff auf die Krimbrücke bei Kertsch geplant hätten, ist zwar wirklich nur – Propaganda. Thema der Besprechung war die Vorbereitung einer 30-minütigen Präsentation beim Verteidigungsminister. Der will alles über Taurus wissen, oder doch so viel wie möglich. Und dazu gehört, was der deutsche Marschflugkörper alles zerstören kann. Ein Gedankenspiel. Schlägt er vielleicht nur ein Loch in die Pfeiler? Braucht es am Ende zehn Taurus, um die Fahrbahn zu zerstören? Oder sind die Munitionslager das geeignetere Ziel?
Das eigentlich Delikate an dem Chat der Generäle ist das Ausmaß der westlichen Zuarbeit. Das gilt für sämtliche weittragenden Waffensysteme, die in der Ukraine zum Einsatz kommen, Storm Shadow, HIMARS und andere. Nun weiß die Welt endgültig, dass britische Waffentechniker hinter der Front zum Einsatz kommen, dass es dort viele „Zivilisten mit amerikanischem Akzent“ gibt. Zielbestimmung, Zielerkennung, Zieleinstellung und Zielführung sind ohne das Herrschaftswissen der westlichen Militärs nicht machbar – oder erst nach langen Monaten der Ausbildung ukrainischer Spezialisten.
Die abgehörte Besprechung offenbart das dicht verfugte Näheverhältnis der ukrainischen Armee und ihrer westlichen Unterstützer, sowohl in Gestalt der Politik als auch des Militärs und der Rüstungsindustrie. Sie macht auch deutlich: Wenn die Politik im Fall einer Lieferung rasche Taurus-Erfolge will, sagen wir innert zweier Wochen, kommt sie am Einsatz der deutschen Militärs nicht vorbei – „Short Track“ im denglischen Duktus der abgehörten Generäle.
Das Entlarvendste an der 40-minütigen Besprechung ist noch etwas anderes. In ihrer scheinbaren Sachlichkeit entblößt sie die Mechanismen kriegerischer Eskalation. Der unbedarfte Nachrichtenkonsument, wenn er „Eskalation“ hört, denkt an die Wirkkraft des Bösen – natürlich angesiedelt beim jeweiligen Feind: aus Sicht der Ukraine und des Westens Wladimir Putin, aus Sicht vieler Russen der Faschismus und (seit Freitagnachmittag von neuem) Deutschland.
In der Realität ist das Böse ohne Belang. Es ist die Logik des Krieges, dass er seine eigene Eskalation gebiert. Die abgehörte Besprechung der Generäle ist wie ein Schlüsselloch, ein seltener Einblick in den banalen Mechanismus, der aus kleinen Kriegen große macht. Dabei debattieren die Generäle auch rote Linien; sie kennen den Friedensdruck, dem Kanzler und Minister ausgesetzt sind. Doch der Zweck ihrer Linien ist nicht, den großen Krieg zu verhindern. Ihre roten Linien dienen allein dem späteren Beweis: Deutschland war es nicht. Schuld ist jemand anders.
Diese Generäle sind keine Kriegstreiber; sie planen auch keinen deutschen Angriff auf die Brücke von Kertsch. Sie verwalten nur: die Wünsche eines Ministers, die Möglichkeiten eines Waffensystems, die Notwendigkeit, Spuren zu verwischen. Und ihre kleinen, banalen Verwaltungsakte (wie die ihrer Generalskollegen auf der anderen Seite) treiben die Eskalation. Lässt man sie (ver)walten, dann wird die Brücke definitiv zerstört. Irgendwann. Und der Russe hat einen Grund mehr, dieses oder jenes zu tun. Und so weiter und so fort.
Man kann nicht oft genug daran erinnern: Generäle planen keinen Krieg. Sie setzen nur politische Absichten um. Und wenn die Politiker beider Seiten auf Sieg setzten, fuhr der Karren noch jedes Mal in der Geschichte gegen die Wand. Künftigen Historikern bietet der am Freitag publizierte Mitschnitt, den russischen Geheimdiensten sei Dank, ein exemplarisches Lehrstück: So rutschten sie dem großen Krieg entgegen.
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