EU: Donald Tusks Kampf gegen den Notenbankchef wird zum Politthriller

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Polens Ministerpräsident Tusk will die Anti-EU-Politik seines Landes revidieren. Dafür zerrt er nun sogar den Chef der Zentralbank vor Gericht. Aber der bekommt Rückendeckung von EZB-Präsidentin Lagarde.

In Polen spitzt sich eine Revolte gegen den Notenbankchef zu, die das Zeug zum Politthriller hat. In den Hauptrollen: Adam Glapinski, seit acht Jahren Präsident der Nationalbank Polens (NBP), und Donald Tusk, Polens Regierungschef und früherer EU-Ratspräsident.

Tusk will Glapinski vor Gericht bringen und hat das Verfahren dafür kurz vor Ostern in Gang gesetzt. Um ihn für Verfehlungen zur Rechenschaft zu ziehen und so die Integrität der Währungshüter wiederherzustellen, behauptet das Tusk-Lager. Um politische Gegner auszuschalten, behaupten die EU-Feinde der PiS, denen Glapinski nahesteht.

Im Dezember hat das Parlament Tusk zum Regierungschef gewählt. Seitdem arbeitet er daran, die Anti-EU-Politik der Vorgängerregierung zu revidieren, inhaltlich wie personell. Das hat er seinen Wählern versprochen. EU-freundliche Milieus in ganz Europa setzen daher große Hoffnungen auf den 66-Jährigen.

Das Verfahren gegen Glapinski macht deutlich, wie heikel Tusks Mission rechtlich und politisch ist. Immer mal wieder erliegen Regierungen der Versuchung, sich in die Geschäfte formal unabhängiger Notenbanken einzumischen. Aktuelle Beispiele sind die Türkei und Ungarn. Doch dass sich ein Zentralbankchef vor Gericht für Entscheidungen verantworten soll, sucht seinesgleichen.

Die Vorgeschichte hat viel mit der Regierungsführung der PiS zu tun: Während ihrer achtjährigen Regierungszeit lag sie permanent im Clinch mit der Europäischen Kommission. Es ging um Vorwürfe mangelhafter Rechtsstaatlichkeit. Die EU-Behörde sperrte Milliardenzuschüsse.

Denn die Regierungspartei besetzte systematisch Schaltstellen in Politik und Justiz mit Gefolgsleuten. Glapinski gilt als einer von ihnen: Berichten zufolge pflegte er eine Freundschaft mit PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und warb für die Partei. 2022 erhielt Glapinski von der PiS eine zweite Amtszeit als Notenbankchef.

Donald Tusk gegen Adam Glapinski: Umstrittene Zinssenkung kurz vor der Wahl

Vor Gericht geht es nun um eine Reihe von Vorwürfen, die die aktuelle Regierung gegen Glapinski zusammengetragen hat. So senkte die Zentralbank kurz vor der Wahl im Herbst die Leitzinsen um einen Dreiviertelprozentpunkt, obwohl die Inflation noch viel zu hoch war. Tusk sieht darin eine Wahlkampfhilfe für die seinerzeit regierende PiS.

Wahr ist: Analysten zeigten sich von der deutlichen Zinssenkung überrascht, die Landeswährung Zloty verlor an Wert. Wahr ist aber auch: Die Inflation ist seitdem trotzdem gesunken.

In einem weiteren Vorwurf geht es um die Käufe von Staatsanleihen. Damit soll Glapinski die Schuldenaufnahme der PiS-Regierung mit der Notenpresse finanziert haben. Das ist verboten. Allerdings haben auch Notenbanken in anderen Ländern umfangreich Staatsanleihen gekauft.

Glapinski hat die Beschlüsse nicht allein getroffen. Das Gremium der Währungshüter ist gesetzlich unabhängig, ihr Ermessensspielraum groß. Auch deshalb dürfte es schwierig werden, Glapinski juristisch zu belangen.

EZB-Chefin Lagarde schaltet sich ein

Der Zentralbankchef weist sämtliche Vorwürfe zurück. Er lehnt es ab, sich aus dem Amt drängen zu lassen.

Für seine Verteidigung hat sich der erklärte Euro-Gegner Glapinski sogar Rat bei Christine Lagarde geholt, der Präsidentin der Europäischen Zentralbank. In ihrer Antwort an Glapinski hebt sie dessen Unabhängigkeit hervor. Diese dürfe nicht unrechtmäßig beeinträchtigt werden. Sei Glapinski durch das Verfahren gegen ihn gezwungen, sein Amt abzugeben, könne er sich an den Europäischen Gerichtshof wenden.

Tusks Kritikern liefert die Meinungsäußerung aus Frankfurt eine Steilvorlage: Er wolle die Unabhängigkeit der Notenbank aushebeln und instrumentalisiere die Justiz. Der Ministerpräsident zeigt sich unbeirrt. Vor wenigen Tagen hat seine Regierungskoalition im Parlament beantragt, Glapinski vor den Staatsgerichtshof zu bringen.

Zunächst muss allerdings ein Untersuchungsausschuss den Vorwürfen nachgehen, samt Anhörungen. Allein dieses vorgelagerte Verfahren könnte sich über ein Jahr oder länger hinziehen. Der Devisenexperte Tatha Ghose von der Commerzbank stellt sich bereits darauf ein, „dass es vielleicht nie ein eindeutiges juristisches Ergebnis geben wird“.

Einstweilen darf Glapinski weitermachen. Dafür hat Polens Verfassungsgerichtshof gesorgt, an dem viele Richter tätig sind, die von der PiS zu deren Regierungszeit berufen wurden. Sie haben geurteilt, dass Glapinski nicht seines Amtes enthoben werden darf, solange das Verfahren läuft.

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