Boehringer: Pharmariese kurbelt Umsatz an und überholt Bayer

Der Pharmariese Boehringer schraubt seinen Umsatz kräftig nach oben und überholt damit Konkurrent Bayer. CEO Hubertus von Baumbach hat allerdings ein Problem in Deutschland.

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Boehringer: Pharmariese kurbelt Umsatz an und überholt Bayer

Boehringer Ingelheim hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt und damit Bayer als größtes deutsches Pharmaunternehmen abgelöst. Der Umsatz kletterte 2023 um sechs Prozent auf 25,6 Milliarden Euro, wie der Familienkonzern aus Ingelheim am Rhein am Dienstag mitteilte. Währungsbereinigt stand ein Plus von fast zehn Prozent zu Buche. Auf das Humanmedizingeschäft entfielen knapp 20,8 Milliarden Euro nach 18,46 Milliarden 2022. Damit schlug sich Boehringer besser als Bayer: Der Leverkusener Konzern musste im vergangenen Jahr einen Umsatzrückgang von sechs Prozent auf 18,08 Milliarden Euro im Pharmageschäft verkraften.

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Bei Boehringer Ingelheim legte der Umsatz der zwei Top-Arzneien – das Diabetesmittel Jardiance sowie das Lungenmedikament Ofev – kräftig zu. Seit dem vergangenen Jahr ist zudem die biopharmazeutische Auftragsproduktion in der Pharmasparte integriert, die rund eine Milliarde Euro Umsatz beisteuerte. Aber auch ohne diesen Beitrag ist Boehringer gemessen am Umsatz nun der größte deutsche Pharmakonzern. 2024 soll der Umsatz bereinigt um Währungseffekte leicht zulegen.

Keine Angaben zum Gewinn

Angaben zum Gewinn macht Boehringer, anders als in der Vergangenheit, nicht mehr. Der Konzern veröffentliche nur noch Umsätze und Investitionen. „Dies sind für uns die wichtigsten Schlüsselindikatoren zur Messung unserer Fortschritte und unseres Erfolgs“, sagte Finanzchef Michael Schmelmer.

Konkurrent Bayer konnte im vergangenen Jahr zwar deutliche Zuwächse bei neuen Medikamenten, dem Krebsmittel Nubeqa und dem Nierenmedikament Kerendia, verbuchen. Doch in vielen Teilen seines Pharmageschäfts wuchs der Konzern nicht. Insbesondere bei seinem noch umsatzstärksten Medikament – dem Gerinnungshemmer Xarelto, bei dem Mitte des Jahrzehnts die Patente auslaufen – musste Bayer Federn lassen. Gegenwind kam zudem von negativen Wechselkurseffekten und schwächeren Geschäften in China.

Im Tiergesundheitsgeschäft erzielte Boehringer im vergangenen Jahr mehr als 18 Prozent seines Umsatzes. Die Sparte wuchs um 3,6 Prozent auf gut 4,7 Milliarden Euro, vor allem dank guter Geschäfte mit dem Floh- und Zeckenmittel Nexgard. Bis 2026 strebt der Konzern 20 weitere Markteinführungen im Tiergesundheitsgeschäft an. Im Bereich Humanpharma sollen bis 2030 25 neue Behandlungen auf den Markt gebracht werden. Für Forschung und Entwicklung gab Boehringer 2023 rund 5,8 Milliarden Euro aus, gut 14 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

In der Entwicklung von Medikamenten werde immer stärker auf Quantencomputing und künstliche Intelligenz (KI) gesetzt, erklärte Finanzvorstand Michael Schmelmer. Boehringer hatte kürzlich eine Kooperation mit Google Quantum AI geschlossen. In der Tiergesundheit wird ebenfalls auf KI gesetzt, auch abseits der Forschung. So bietet das Unternehmen etwa ein System an, das in Schweinestellen über Mikrofone die Laute der Tiere erfasst, analysiert und dann gegebenenfalls früh warnt, dass Schweine Atemwegserkrankungen haben könnten.

Schwierige Lage auf dem Arzneimittelmarkt

Von der Bundesregierung auf den Weg gebrachte Gesetze wie das Digitalisierungs-, das Medizinforschungs- oder das Gesundheitsdatennutzungsgesetz seien positiv, sagte Traulsen. Nun brauche es Tempo bei der Umsetzung. Kritik äußerte er am deutschen System der Bewertung des Nutzens neuer Arzneimittel. „Der Zugang zum Arzneimittelmarkt in Deutschland ist nicht optimal“, sagte er. Oft seien Zusatzstudien nötig, um Vergleichsdaten zu bekommen, die anderswo nicht gebraucht würden. Wenn ein Unternehmen ein wirksameres Mittel habe, dürfe damit kein höherer Preis erzielt werden. „Wir brauchen ein innovationsfreundliches Erstattungssystem“, sagte Traulsen.

In Deutschland arbeitet dem Unternehmen zufolge etwa jeder dritte Boehringer-Mitarbeiter, hier werden fünf Prozent der Umsätze im Segment Humanpharma getätigt. Deutschland ist trotz der oft beklagten Hemmnisse für Boehringer nach wie vor der zweitwichtigste Markt für klinische Studien, wie Deutschlandchef Traulsen erklärte.

Für Aufsehen hatten jüngst Daten zu dem Abnehmmedikament Survodutid gesorgt, das nach Angaben von Boehringer „bahnbrechende“ Ergebnisse in einer Phase-II-Studie zur Behandlung nichtalkoholischer Fettleber erzielte. Die Aktien des dänischen Entwicklungspartners Zealand waren darauf auf Höhenflug gegangen. Zur Behandlung von Fettleibigkeit befindet sich das Mittel in der dritten und letzten Phase der klinischen Entwicklung. Boehringer hofft, Survodutid bis 2027 auf den Markt bringen zu können, wie Paola Casarosa, Mitglied der Unternehmensleitung, sagte.

Survodutid gehört wie die Abnehmspritze Wegovy von Novo Nordisk zur Klasse der GLP-1-Rezeptor-Agonisten, um die ein regelrechter Hype entbrannt ist. Auch wenn das Mittel einige Jahre nach den Konkurrenzprodukten Wegovy und Mounjaro von Eli Lilly auf den Markt kommen dürfte, hofft Boehringer in dem Geschäft noch gut mitmischen zu können, da Survodutid neben dem hungerunterdrückenden Darmhormon GLP-1 auch Glucagon imitiert – und damit ein weiteres für den Stoffwechsel entscheidendes Hormon. „Wir glauben, dass dies ein Unterscheidungsmerkmal ist“, sagte Casarosa.

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