Elektromobilität: So kämpft die Lkw-Branche mit der Verkehrswende

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Bis 2030 soll jeder dritte neue Lastwagen elektrisch fahren. Für E-Lkw gibt es aber keine Förderung mehr. Das Ziel muss jetzt auf anderen Wegen erreicht werden.

Wenn Lobbyisten den Zustand der Verkehrswende beschreiben, dann reichen wenige Zahlen. „Jeden Tag sind in Deutschland 800.000 Lastwagen unterwegs“, sagt Dirk Engelhardt. „Davon fahren derzeit 579 mit Batterie oder Brennstoffzelle“, rechnet der Chef des Bundesverbands Güterverkehr, Logistik und Entsorgung vor. Sein Fazit mit Blick auf die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung: „So wird das nichts mit der Antriebswende“.

Auf dem Handelsblatt Nutzfahrzeug-Gipfel schildert Engelhardt den Frust einer Branche, die vor einer beispiellosen Transformation steht. Mehr als achtzig Prozent aller Güter in Deutschland werden von Lastwagen transportiert. Bis 2030 soll dieser Verkehr zu einem Drittel mit Batterie oder Brennstoffzellen fahren – das sehen die Klimaziele der Bundesregierung vor.

Um den Umstieg zu fördern, hatte die Ampelkoalition Milliarden aus dem Klima- und Transformationsfonds für den Kauf von Elektrolastern und den Aufbau einer Ladeinfrastruktur versprochen. Doch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit des Fonds fehlt das Geld. Im Februar hat die Bundesregierung ihre Förderungen für den Kauf von Elektrolastern eingestellt.

Stattdessen sollen die Lkw-Betreiber über die Ende 2023 eingeführte CO2-Maut dazu gebracht werden, auf klimafreundliche Antriebe umzurüsten. Konkret wird es nun jedes Jahr teurer, einen Diesel-Lkw auf die Autobahn zu schicken. Für das Speditionsgewerbe, das über Wettbewerbsdruck durch osteuropäische Anbieter klagt, ist das eine Herausforderung.

Auch die großen Hersteller Daimler Truck, Volvo oder MAN nimmt die Politik in die Pflicht. Laut EU-Vorgabe müssen sie bis 2030 rund ein Drittel ihrer Neufahrzeuge mit Elektroantrieb ausliefern. Wer nicht mitzieht, muss zahlen.

„Die Strafen für die Hersteller sind extrem hoch“, mahnt Hendrik Haßheider, Referatsleiter im Bundesverkehrsministerium. Die Industrie habe es aber in der Hand, die Strafen zu vermeiden. Bis zu drei Viertel der Lkw-Produktion in Deutschland könne bis 2030 auf alternative Antriebe umgestellt werden, hat eine Projektion des Verkehrsministeriums ergeben.

Die Politik will die Antriebswende, hat aber kein Geld mehr für die Förderung

So stehen alle Beteiligten unter Druck. Neben den Bauern waren es Lkw-Fahrer und kleine Spediteure, die wegen der Belastungen ihrer Branche Anfang des Jahres auf die Straße gingen. Die Politik will die Antriebswende, hat aber kein Geld mehr, sie zu fördern.

Die Industrie investiert, doch die Kunden können sich die Elektrolaster derzeit nicht leisten. Denn ein Elektro-Lkw kostet in der Anschaffung immer noch doppelt so viel wie ein Diesel. Das gilt auch für Lkw mit Brennstoffzellen, die parallel entwickelt werden.

Vor allem aber fehlt es an einer Infrastruktur, denn bislang gebe es 100 Schnellladepunkte und nur eine Handvoll Wasserstofftankstellen, klagen die Spediteure. Im Ergebnis droht Stillstand in Sachen Verkehrswende. „Unsere Mitgliedsunternehmen halten alle Anschaffungspläne in der Schublade“, sagt Verbandschef Engelhardt.

Dennoch – für die Hersteller gibt es kein Zurück. Sie investieren in Batterien und Brennstoffzellen. „Wir sind Teil des Problems und Teil der Lösung“, sagt Alexander Vlaskamp, Chef des Lastwagenherstellers MAN. So stecke der Mutterkonzern Traton, zu dem auch Scania gehört, bis 2026 rund 2,6 Milliarden Euro in klimafreundliche Antriebe. „Wir elektrifizieren unser Portfolio, weil wir glauben, dass damit unsere Kunden am besten bedient werden“, so Vlaskamp.

Auch Konkurrent Daimler hat den Abschied vom Diesel eingeläutet. Seit Mitte April laufe die Auslieferung der ersten 600 Elektrolaster für den Fernverkehr an ausgesuchte Kunden, berichtet Stephan Unger, Finanzvorstand von Daimler Truck. „Es mangelt nicht an Fahrzeugen, der Hochlauf beginnt jetzt“, sagt Thomas Fabian vom europäischen Herstellerverband Acea. Bis zu 500.000 Lastwagen mit Batterie oder Brennstoffzellenantrieb könnten bis 2030 in Europa auf der Straße sein.

In Sachen Ladeinfrastruktur ist kein einziges europäisches Land auf die Elektromobilität vorbereitet.

Tatsächlich wollen auch die Speditionen und Transporteure den Umstieg, beteuert Verbandschef Engelhardt. Doch dafür müsse die Politik auch das Geld an die Branche zurückgeben, das sie vom Lkw-Verkehr einsammele. Von den 7,6 Milliarden Euro, die der Bund jedes Jahr aus der Lkw-Maut einnehme, flössen nur vier Milliarden zurück in den Verkehr, die Masse davon in die Sanierung der Bahn.

„Das Geld hätte man in den Mittelstand oder in die Ladeinfrastruktur stecken sollen“, sagt Engelhardt. Ohne Förderung und ausreichendes Ladennetz werde sich kaum ein mittelständischer Spediteur einen Elektro-Lkw zulegen. Dabei dürften acht von zehn Ladevorgängen auf den Betriebshöfen der Speditionen stattfinden, wo die Fahrten beginnen und enden.

Doch ohne ein öffentlich zugängliches Ladenetz entlang der Autobahnen wird es nicht gehen, weiß die Industrie. „In Sachen Ladeinfrastruktur ist kein einziges europäisches Land auf die Elektromobilität vorbereitet“, sagt Harald Seidel vom niederländischen Lkw-Hersteller DAF. Wenn die Laster auf ihren Routen durch Europa stundenlang laden müssten, seien verderbliche Waren wie Lebensmittel kaum zu transportieren.

Ihm fehlt in Europa der Mut, das Problem pragmatisch anzupacken. „Während die Amerikaner fördern, schreiben wir Telefonbücher mit Anforderungen an die Industrie“, klagt Seidel mit Blick auf die milliardenschweren Investitionen in die Infrastruktur in den USA.

Der Bund plant ein „Initialnetz“ entlang der deutschen Autobahnen

„Die gute Nachricht lautet: Die Infrastruktur ist der einzige Bereich, in dem es noch Geld gibt“, sagt Haßheider vom Verkehrsministerium bezogen auf den klammen Staatshaushalt. So bereite der Bund die Ausschreibung für ein „Initialnetz“ vor, das entlang der Autobahnen ein enges Netz an Schnellladestationen für Lastwagen bilden soll. Da die meisten Flächen entlang der Autobahnen dem Bund gehören, kann die Politik hier Tempo machen.

Derzeit liefen die Vorbereitungen für die Netzanschlüsse – anders als bei Ladestationen für Autos brauchen Lastwagen deutlich mehr Leistung. 354 Standorte sind geplant, sodass mindestens alle 60 Kilometer eine Schnellladestation für Lkw zur Verfügung steht. Das Ziel sind 26.000 Ladevorgänge pro Tag im Jahr 2030. Im Sommer sollen die Ausschreibungen beginnen – gesucht werden private Investoren für eines der wichtigsten Projekte der Verkehrswende.

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