Die Verteidigungsminister Somalias und der Türkei, Abdulkadir Mohamed Nu und Yasar Guler, Anfang Februar
Türkische Schiffe sollen künftig die Küste Somalias schützen. Darauf haben sich die Regierungen beider Länder kürzlich geeinigt. Nicht nur baut die Türkei mit dem Abkommen ihre militärische Präsenz am Horn von Afrika weiter aus. Die Vereinbarung, die für viele Beobachter überraschend kam, könnte auch Somalias Reaktion auf eine Entwicklung sein, die aus der Sicht Mogadischus ebenso unerwartet eingetreten war und die als politische Bedrohung angesehen wird: die Allianz zwischen Äthiopien und der abtrünnigen Region Somaliland.
Am 1. Januar hatte Somaliland in einem Abkommen Äthiopien die Nutzung des Hafens in Berbera gestattet und dem Binnenstaat damit einen Meerzugang ermöglicht. Dafür versprach die Regierung in Addis Abeba, Somaliland anzuerkennen. Somalia reagierte empört – es akzeptiert die Unabhängigkeit des nordwestlichen Landesteils nicht, der sich 1991 zur Republik Somaliland erklärte und seither internationale Anerkennung anstrebt.
Türkische Schiffe sollen künftig die Küste Somalias schützen. Das somalische Parlament hat das Abkommen bereits ratifiziert.
Die somalische Regierung mobilisierte erfolgreich Unterstützer – afrikanische und arabische Länder, aber auch die EU kritisierten das äthiopisch-somaliländische Abkommen und mahnten, die Einheit Somalias zu respektieren. Nachdem kurzzeitig sogar ein Krieg in der Luft lag, ist Äthiopiens Ministerpräsident Abiy Ahmed inzwischen um Deeskalation bemüht.
Illegaler Fischfang durch China und Iran
Auch die Türkei hatte sich auf Somalias Seite gestellt. Jetzt gehen beide Länder eine enge Kooperation ein. Einzelheiten des auf zehn Jahre angelegten Abkommens in den Bereichen maritime Sicherheit und Wirtschaft sind noch nicht bekannt. Die Türkei hat bisher nur bestätigt, dass sie die somalische Marine ausbilden und ausrüsten will, um deren „Fähigkeiten zur Bekämpfung illegaler und irregulärer Aktivitäten in Somalias territorialen Gewässern zu entwickeln“.
Illegaler Fischfang in den reichen Fischgründen vor der somalischen Küste, vor allem durch China und Iran, ist ein großes Problem für Mogadischu. Die türkische Präsenz könnte hier abschreckend wirken – und würde zugleich ein starkes Signal an Äthiopien senden. Denn die Atmosphäre zwischen beiden Ländern ist weiter angespannt. Somalias Präsident Hassan Scheich Mohamud warf Abiy kürzlich vor, Äthiopien plane Somaliland zu annektieren.
Größtes türkisches Militärzentrum weltweit
Somalischen Medienberichten zufolge soll die Türkei für ihre Dienste Einnahmen aus dem Fischfang erhalten, von 30 Prozent ist die Rede. Die Vorteile für Ankara gehen aber weit darüber hinaus. Die Türkei erweitert ihre jetzt schon starke militärische Position in Somalia und am Horn von Afrika. Seit 2012 bildet die türkische Armee somalische Soldaten aus. Seit 2017 betreibt sie in Mogadischu ihr größtes Militärtrainingszentrum weltweit. Zudem ist sie Teil der UN-Mission zur Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden. Beispielhaft für den türkischen Einfluss ist, dass der somalische Verteidigungsminister Abdulkadir Mohamed Nur an der Universität Ankara studiert hat und fließend Türkisch spricht. Er ist nicht der einzige frühere Stipendiat, der sich für eine enge Zusammenarbeit mit Ankara ausspricht.
Somalia spielt eine zentrale Rolle in der türkischen Afrikapolitik. Das Land sei ein „Schaufenster“ für die Türkei, sagt Elem Eyrice Tepeciklioğlu, die ein Buch über das Thema geschrieben hat. Der damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan wählte für sein Vorzeigeprojekt 2011 bewusst ein Land aus, das kaum Freunde hatte. Als erster nichtafrikanischer Regierungschef seit fast zwanzig Jahren besuchte er Mogadischu. Trotz der Kriegswirren reiste Erdoğan demonstrativ mit Familie an.
In Somalia grassierte damals die Dürre. Die meisten Hilfsorganisationen hatten sich aus dem Land zurückgezogen. In den darauffolgenden zehn Jahren stellte Ankara nach eigenen Angaben rund eine Milliarde Dollar an Hilfsgeldern bereit. 2016 eröffnete Ankara in Mogadischu seine größte Botschaft in Subsahara-Afrika. Turkish Airlines führte Direktflüge ein. All das diente auch dazu, einen neuen Markt für die türkische Bauindustrie zu erschließen.
Ein weiteres Ziel sei Prestige, sagt Tepeciklioğlu. Die Türkei präsentiert sich als aufstrebende Macht an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt. Unweit von Djibouti, wo die USA, China, Frankreich, Italien und Japan Militärstützpunkte unterhalten. „Angesichts der Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen im Roten Meer wird die Region weiter militarisiert“, sagt Tepeciklioğlu. „Externe Kräfte werden versuchen, eine größere Rolle zu spielen.“ Das strebe auch die Türkei an.
Manche Fachleute sind indessen besorgt, dass die verstärkte türkische Präsenz den Konflikt zwischen Somalia und Äthiopien aufheizen könnte. Nachdem das somalische Parlament das Abkommen mit der Türkei vor einer Woche ratifiziert hatte, sagte Ministerpräsident Hamza Abdi Barre vielsagend, die Vereinbarung richte sich auch gegen „externe Bedrohungen“. Präsident Mohamud verkündete, sollte Abiy an dem Plan festhalten, eine äthiopische Marinebasis in Somaliland zu errichten, werde Somalia „sich verteidigen“. Die Türkei dürfte aber wenig Interesse daran haben, sich in einen Konflikt mit Äthiopien hineinziehen zu lassen. Sie unterhält gute Beziehungen zu dem Land und beliefert das äthiopische Militär mit Kampfdrohnen, die 2021 im Krieg gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) eine entscheidende Rolle gespielt haben sollen.
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