Eine "Fremdenlegion" für die Vereinigten Arabische Emirate?

Die VAE sind eine Drehscheibe für Söldner in Afrika und in Nahost. Jetzt streben sie offenbar eine eigene Version der französischen Fremdenlegion an. Der Schritt könnte die Arbeitsweise geheimer Privatarmeen verändern.

Parade der Streitkräfte der VAE in Dubai (im Dezember)

Die Stellenanzeige erregte Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich, weil sie wie der Anfang eines Actionfilms klang. Gesucht würden “Fremdenlegionäre”, hieß es in der Anzeige.

Die Bewerber sollten unter 50 Jahre alt sein, hochgradig diszipliniert und körperlich fit. Weitere Voraussetzungen: mindestens fünf Jahre Militärerfahrung und die Fähigkeit, mit “enormem Stress” umzugehen. Der Sold beginne bei rund 2000 Dollar (rund 1840 Euro), erhöhe sich aber, sobald der Einsatzort außerhalb der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) liege, nämlich im Jemen oder in Somalia.

Als erstes hatte die Fachzeitschrift “Intelligence Online” aus Frankreich über die Stellenanzeige berichtet. Demnach sind dafür ehemalige Soldaten französischer Spezialeinheiten verantwortlich.

Weitere Recherchen führten zur Manar Military Company (MMC), ein Sicherheitsberatungsunternehmen mit Sitz in der VAE-Hauptstadt Abu Dhabi. Die Firma führt ein ehemaliger Kommandeur der französischen Spezialkräfte. Finanziell ist sie mit einer wohlhabenden, politisch einflussreichen Familie aus dem Emirat verbunden.

Parade der französischen Fremdenlegion in Neu Delhi (im Januar)

Die Stellenanzeige ist bislang der deutlichste Hinweis darauf, dass die VAE an einer eigenen Elitetruppe mit 3000 bis 4000 Rekruten arbeiten – bis Mitte 2025 soll die Einheit offenbar stehen. Medien, die die MMC kontaktierten, erhielten allerdings keine klare Antwort. Vertreter des Unternehmens bezeichneten die Anzeige als Fälschung. Das Projekt sei gestrichen worden. Es handele sich um eine Desinformationskampagne. Auf Anfragen der DW reagierte MMC nicht.

Fachleute halten ein solches Projekt, eine Fremdenlegion der VAE, jedoch für durchaus realistisch. “Intelligence Online” habe gute Verbindungen zum französischen Militärsektor. Die Tatsache, dass die Anzeige an die Öffentlichkeit gelangt sei, lasse vermuten, dass Frankreich seinen Protest gegen diese Entwicklung zum Ausdruck bringen wolle, sagt der Militärexperte Andreas Krieg von der School of Security Studies am King’s College in London. Die Franzosen seien besorgt, dass Sicherheitspersonal für gut bezahlte Jobs in den VAE abgeworben werde, so Krieg.

Mit Blick auf die Vergangenheit sei es durchaus denkbar, dass die VAE einen solchen Schritt täten, meint auch Sean McFate von der School of Foreign Service der Georgetown Universität. “Die VAE haben schon lange militärische Macht ausgelagert. Das haben sie seit 2011 immer wieder getan”, so der Autor des Buches “The New Rules of War”.

“Bei dem Begriff ‘Söldner’ denke ich heute in der Regel eher an die VAE als an Russland”, sagt Andreas Krieg. “Die Emirate sind so etwas wie eine Drehscheibe für Söldneraktivitäten im globalen Süden geworden.”

Warum setzen die VAE Söldner ein?

Insgesamt leben in den VAE rund neun Millionen Menschen. Aber nur eine Million davon sind Emiratis. Die Streitkräfte der VAE umfassen rund 65.000 Mann, von denen 30 bis 40 Prozent Ausländer sind.

Gleichzeitig hat die Führung der VAE ihre strategischen Interessen in Ländern wie dem Jemen und vor der Küste Somalias offensiv verteidigt. Söldner werden eingesetzt, weil man, wie Andreas Krieg es nennt, “Verluste vermeiden will”. Und sein US-Kollege Sean McFate kommt zu dem Schluss: “Söldner sind attraktiv für wohlhabende Gesellschaften, die sich an Kriegen beteiligen, aber nicht selbst bluten wollen.”

Ein weiterer Aspekt der Aufnahme von Ausländern in das Militär der VAE ist die Sicherheit vor Militärputschen. Denn gut bezahlte Söldner haben in der Regel kein Interesse daran, eine Regierung zu stürzen, der sie ihren Job verdanken. Zudem sind Söldner ideale Akteure für Operationen, die verdeckt ablaufen sollen und für die die dahinter stehenden Staaten keine Verantwortung übernehmen wollen.

Seit 2003 sei der Einsatz sogenannter privater militärischer Sicherheitsunternehmen – kurz: PMSC – explosionsartig angestiegen, schreibt das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) in einem Bericht aus dem Jahr 2023: “Heute sind PMSCs in fast jedem Land der Welt für eine Vielzahl von Kunden tätig.”

Ausbildungscamp des Militärunternehmens Blackwater in Moyock, USA (2006)

In den Vereinigten Arabischen Emiraten wurden sie erstmals 2009 eingesetzt, als Erik Prince, ein ehemaliger US-Marineinfanterist und Gründer von Blackwater PMSC, eine 800 Mann starke Brigade in den Emiraten aufbaute. Prince überwarf sich schließlich mit seinen Auftraggebern.

Die gewinnorientierte Zusammenarbeit zwischen hochrangigen US-Offizieren und den Vereinigten Arabischen Emiraten aber ging weiter. Die VAE bezahlten für den Aufbau von Cyber-Kriegseinheiten, berichtete 2019 die Nachrichtenagentur Reuters. Und 2022 berichtete die Washington Post, die VAE engagierten weiterhin ehemalige hochrangige US-Militärangehörige für Unterstützung und Ausbildung.

Wie die BBC meldet, haben die VAE Söldner angeheuert, darunter auch Amerikaner und Israelis. Diese sollten im Jemen politisch motivierte Attentate verüben. Teilweise wurden auch Einheimische für diese Aufgabe ausgebildet. Die Vereinigten Arabischen Emirate gelten auch als zentrales Logistik- und Finanzierungszentrum für die berüchtigte russische Wagner-Gruppe und deren Aktivitäten etwa im Sudan.

“Ein Bruch mit der Vergangenheit”

Sollte eine emiratische Fremdenlegion tatsächlich Realität werden, würde sie sich von einer gewöhnlichen Söldnertruppe unterscheiden – zumindest so, wie sie aktuell in der Stellenanzeige beschrieben ist. “Heuert man Söldner an, bedeutet das jede Menge Kopfschmerzen”, sagt Experte McFate, der selbst als privater Militärunternehmer gearbeitet hat. “Man denkt dann vor allem an Begriffe wie Sicherheit, Verantwortung und Verrat. Das ist nicht sonderlich verwunderlich.

Denn Söldner sind wie Feuer: Sie können Ihr Haus niederbrennen oder eine Dampfmaschine antreiben”, so McFate. “Als Lösung bietet sich darum die Einrichtung einer Fremdenlegion an.”

Der Grund: Eine solche Legion unterzeichnet in der Regel langfristige Verträge, ist meist Teil einer nationalen Armee und unterliegt zudem örtlichen Regeln und Vorschriften. “Eine Fremdenlegion bedeutet für die VAE eine Art Bruch mit der Vergangenheit”, sagt Andreas Krieg. “Denn diese Gruppe ist stärker institutionalisiert und agiert weniger improvisiert, als es bei anderen Einsätzen, an denen die VAE beteiligt waren, der Fall war. Das gibt den VAE die Möglichkeit, zumindest in Ansätzen legal zu rekrutieren”.

“Es könnte sogar ein ganz neues Modell werden”, so Krieg. “Denn wann immer jemand die Emirate wegen ihrer Söldneraktivitäten anprangert, bei denen sie potenzielle Kriegsverbrechen begehen oder diese vielleicht unterstützen, können diese – wenn sie sich eines etablierten Modells wie der französischen Fremdenlegion bedienen – ablenken und sagen: ‘Die Franzosen tun das. Warum können wir das nicht auch tun?'”

Einsatz eines privaten Sicherheitsunternehmens vor der Küste Somalias (im November)

In einer Zeit, in der die Welt zunehmend multipolar werde und die Außenpolitik weniger ideologiegetrieben, sondern zunehmend konkrete Interessen verfolge, dürften private Akteure interessanter werden, glaubt Sean McFate. Mit der Folge, dass Konflikte stärker kommerzialisiert werden. Die VAE mit ihrer autoritären Führung, ihrem großen Reichtum und wenigen gesetzlichen Beschränkungen nutzten dies für ihre Zwecke.

“In den vergangenen 20 Jahren haben wir eine Kommerzialisierung von Kriegen erlebt”, bestätigt auch Andreas Krieg. “Private und öffentliche Institutionen arbeiten im Krieg immer enger zusammen, sodass man kaum mehr sagen kann, ob es sich um eine staatliche oder nur um eine private Angelegenheit handelt. Es ist eine Mischung aus beidem.” Die Emirate seien Meister in dieser Praxis, so Krieg: “Sie nutzen diese Grauzone schon seit Jahren.”

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Autor: Cathrin Schaer

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